Mercedes-Benz eSprinter (2019) Erste Fahrt im neuen Elektro-Transporter

Mercedes-Benz eSprinter (2019) Foto: Markus Bauer 18 Bilder

2019 bringt Daimler nach dem eVito, der noch in diesem Jahr erhältlich ist, den eSprinter auf den Markt. Wir sind den Elektro-Transporter schon gefahren.

Einsteigen, Startknopf drücken, Handbremse lösen und den Automatikmatikwählhebel am Lenkrad auf D. Was wie der tägliche Arbeitsbeginn eines Kurierfahrers im Dieseltransporter klingt, ist tatsächlich der erste Kontakt mit Daimlers neuestem und lokal emissionsfreien Pferd im Transporterstall. Der eSprinter fällt, wie auch der eVito, vor allem dadurch auf, dass er nicht auffällt. Erst beim Tritt auf das Fahrpedal muss sich der Fahrer umgewöhnen. Denn statt des Diesels hört er nichts, zumindest bei der Fahrt im Prototypen. Im Serienmodell wird ein Soundgenerator an Bord sein, um bei niedrigen Geschwindigkeiten die Umwelt zu warnen.

Mercedes-Benz eSprinter (2019) Foto: Markus Bauer
Cockpit des Elektro-Sprinter.

Rekuperation per Schaltpaddel

Für den Vortrieb sorgt ein 84 kW starker Elektromotor mit der gleichen Leistung wie der Einstiegsdiesel. Schöpft man die Zuladung von 900 bis 1040 Kilogramm voll aus, verheißt das keine Rennwagenwerte, zumal Daimler den Antritt zur Schonung der angetriebenen Vorderreifen und der Total Cost of Ownership (TCO) begrenzt hat. Für den Innenstadtverkehr mit vielen Stopp-and-Go-Phasen reicht die Leistung aber allemal. In Stopp-and-Go-Phasen kann der eSprinter zudem seine stufenweise regelbare Rekuperation bestens ausspielen. Über Schaltpaddels am Lenkrad kann der Fahrer die Rekuperation von D- über D und D+ bis auf D++ verstellen. Dabei steht D- für die maximal mögliche Energierückgewinnung. Laut Daimler entspricht die Verzögerung im Modus D+ beim Gaswegnehmen der der Motorbremse beim Diesel-Sprinter. Auf D++ segelt der Transporter, rekuperiert also nicht, verliert dafür aber auch wenig Geschwindigkeit, ähnlich der Fahrt mit gedrückter Kupplung.

Segeln auch per Fahrpedal möglich

Speziell Paketfahrer dürften sich aber eher weniger für die Schaltpaddles interessieren. Denn mit einem geübten Gasfuß lässt sich die Rekuperation im Modus D- auch leicht über das Fahrpedal steuern. Der Nullpunkt zwischen Beschleunigen und Energierückgewinnung liegt etwa bei einem guten Viertel des Pedalweges. Erst wer mehr drückt, beschleunigt. Wer das Pedal weiter rauslässt, verringert die Geschwindigkeit. Um genau den gewünschten Punkt zu treffen, hilft anfangs die Anzeige im Cockpit, die zwischen Charge (rekuperieren) über Economy (fahren) bis Boost (maximale Leistung) changiert. Am Nullpunkt zwischen Charge und Economy segelt das Fahrzeug. Dazu kommen die drei Fahrprogramme C, E und E+. E ist der Standardmodus mit derselben Klimaleistung wie das Verbrennerpendant. In C schärft die Elektronik die Fahrpedalkennlinie und gibt schneller Kraft frei. Die Klimaleistung steigt noch einmal, beides aber zu Lasten der Reichweite. Wer besonders sparsam unterwegs sein will und im besten Fall nicht allzu viel Ladung an Bord hat, wählt E+. Dann reduziert das Steuergerät die Leistung auf 70 kW. Auch Heizung und Klimaanlage arbeiten etwas weniger potent. Dafür steigt entsprechend die Reichweite und hält so im Zweifel einen kleine Reserve bereit.

Fahren fast ohne Bremse

Gerade im Stadtverkehr fährt es sich, je nach Beladung und Witterung, am entspanntesten im E-Modus, zumal sich der gefühlte Kraftzuwachs beim Test des Systems im eVito ohnehin in Grenzen hält, denn auch im C-Modus schont Daimler die Reifen der Antriebsräder. Dank der zwar starken, aber trotzdem noch komfortablen Rekuperation kommt man als vorausschauender Fahrer in der Innenstadt nach kurzer Eingewöhnung sehr weit, ohne ans Bremspedal auch nur zu denken. Dieses braucht man fast nur, um komplett anzuhalten oder in Gefahrensituationen. Denn die E-Transporter von Mercedes-Benz rekuperieren nicht bis zum Stillstand. Im einstelligen Geschwindigkeitsbereich schaltet sich die Energierückgewinnung ab. Der Transporter wechselt in den Kriechmodus, wie man ihn von typischen Wandlerautomatikgetrieben kennt. Speziell beim Rangieren ist dies von Vorteil.

Technik für den Innenstadtverkehr

Die technischen Daten des eSprinter zeigen ganz klar sein angedachtes Einsatzgebiet auf. Daimler verbaut im eSprinter eine Batterie mit 55 kWh Kapazität. Die Batterie selbst besteht aus vier Modulen, die wiederum aus vielen einzelnen Lithium-Ionen-Zellen besteht. Diese versorgt den 84 kW starken Elektromotor mit einem Drehmoment von 300 Nm für rechnerisch 150 Kilometer mit Energie. Dann beträgt die Zuladung 900 Kilogramm. Wer etwas mehr Zuladung und dafür weniger Reichweite möchte, kann das vierte Batteriemodul einsparen. Bei dann 41 kWh sinkt die Reichweite auf 115 Kilometer. Gleichzeitig stehen rund 1.040 Kilogramm Zuladung im 3,5-Tonner zur Verfügung. Zunächst gibt es den eSprinter als Kastenwagen auf Basis des heckgetriebenen Verbrenners. Das schafft Platz unter dem Laderaum für die Akkus. Dadurch büßt der Stromer im Vergleich zum Diesel keinen Laderaum ein: 10,5 Kubikmeter. Wie der eVito lässt sich der eSprinter ab Werk in den drei Höchstgeschwindigkeiten 80, 100 und 120 km/h ordern.

Mercedes-Benz eSprinter (2019) Foto: Daimler
eVito und eSprinter, die beiden E-Transporter von Mercedes.

Stromsparen bei Heizung und Klimaanlage

Um so wenig Strom wie möglich für andere Funktionen als das Fahren zu verbrauchen hat Daimler auch die Heiz- und Kühlstrategie angefasst. Da die Abwärme beim Stromer wesentlich geringer ausfällt als beim Verbrenner, ist der eSprinter auf eine rein elektrische Heizung angewiesen. Umso wichtiger ist also das Thermomanagement. Laut Daimler benötigt eine Luftheizung mindestens so viel Energie wie die Heizleistung, die sie an den Innenraum abgibt. Darum nutzt Daimler bei den E-Transportern das Prinzip der Wärmepumpe. Dadurch fällt der Energieverbrauch wesentlich geringer aus und liegt bei weniger als der Hälfte. Mit derselben Technik wird der Innenraum auch gekühlt. Die Klimaanlage funktioniert dann praktisch wie ein Kühlschrank. Die Abwärme gibt das System an den Fahrzeugkühler ab. Dennoch ist es effizienter, die Wärme direkt beim Fahrer abzugeben. Während die Wärmepumpenheizung noch rund 1.000 Watt benötigt, kommt eine Sitzheizung mit 150 Watt aus. Bei eingeschalteter Sitzheizung kann der Luftheizer mit weniger Leistung laufen und schont so die Batterie. Dennoch sei das subjektive Wärmeempfinden dank der direkten Sitzheizung nicht schlechter. Dazu nutzt Daimler die Funktion des sogenannten Preconditioning. Während das Fahrzeug an der Steckdose hängt, hat es genug Energie zur Verfügung, um ohne Reichweiteneinbußen je nach Witterung den Fahrzeuginnenraum auf die passende Temperatur vorzuheizen oder zu -kühlen. So vermeidet man, dass diese Leistungsspitzen die Reichweite schmälern. Um die Temperatur zu halten wird deutlich weniger Energie benötigt, als um den Transporter von 50 auf 20 Grad herunterzukühlen.

Zusätzliche Angebote für den Kunden

Daimler versteht sich mit seiner Strategie eDrive@Vans nicht mehr nur als Fahrzeughersteller, sondern als Anbieter einer ganzheitlichen Lösung für den Fuhrparkbetreiber. Dazu gehören verschiedene elektronische Werkzeuge. Mit der eVan Ready App kann der Kunde beispielsweise erfassen, ob sich für seine Einsatzzwecke Elektrofahrzeuge überhaupt eignen. Die App trackt die Fahrt mit dem Verbrenner und erfasst zusätzlich grob die aktuelle Temperatur. Anhand der gefahrenen Strecke und der vorhandenen Ladeinfrastruktur berechnet die App dann, ob die betreffende Fahrt auch per Stromer möglich wäre. Ein weiteres Tool berechnet, welche Mehrkosten pro Jahr auf den Betreiber zukommen, oder ab welcher Flottenstärke sich der Umstieg auf den E-Transporter sogar finanziell auszahlt. Mit Daimler Telematikplattform Mercedes Pro Connect lassen sich die Fahrzeuge wie beim Verbrenner auch gezielt überwachen: Fahrstilanalyse, Kommunikation zwischen Flottenmanager und Fahrer, Ladezustand des Fahrzeugs und so weiter.

Teil dieser Strategie ist auch die sogenannte Customer Co-Creation. Zusammen mit dem Kunden macht Daimler eine individuelle Bestandsaufnahme und berät ihn. Dabei geht es sowohl um die Auswahl des richtigen Fahrzeugs als auch um die nötige Ladeinfrastruktur und die verfügbare Kapazität am Standort. Im großen Stil arbeitet der Konzern bereits mit Hermes und Amazon Logistics zusammen. Hermes wird 1.500 Stromer von Daimler in Dienst stellen. Amazon übernimmt bis Jahresende 100 eVito.