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Mercedes F-Cell World Drive Mit Brennstoffzelle um die Welt

Reportage Mercedes F-Cell World Drive, B-Klasse Foto: Dirk Weyhenmeyer 13 Bilder

Mercedes schickt drei B-Klassen mit Brennstoff zellenantrieb auf eine Tour rund um die Erde. ecoFleet fuhr in Australien mit. Erste Erkenntnis: Die Autos sind spektakulär unspektakulär.

Kein Känguru in Sicht. Nirgends. Stunden schon rollen wir durchs australische Outback. Nichts als Steppe, Sand und Büsche, hunderte Kilometer Einsamkeit, aber keine Kängurus. Wahrscheinlich sind die Viecher nur eine Erfindung der australischen Tourismusbehörde, um Ausländer in diese gottverlassene Wildnis zu locken. Aber wir sind ja nicht um den halben Globus geflogen, um auf die Pirsch zu gehen. Vielmehr begleiten wir den F-Cell World Drive von Mercedes von Adelaide nach Ceduna an der Südküste des fünften Kontinents.

Erst 64 Tage ist es her, dass sich drei grellgrüne Mercedes B-Klassen mit Brennstoffzellenantrieb von Stuttgart aus auf ihre Tour um die Erde aufgemacht haben. Um dort – der Geburtsstätte des Automobils vor 125 Jahren – nach symbolträchtigen 125 Tagen hoffentlich wieder heil anzukommen. Vier Kontinente, 14 Länder, 30.000 Kilometer. Mercedes will zeigen, dass Brennstoffzellenautos nicht nur auf Kurzstrecken, sondern auch auf langen Distanzen funktionieren.

Null Emissionen dank Brennstoffzelle

Schon zwei Tage rollen wir durch Niemandsland. Hundert Kilometer immer stur geradeaus. Zum Glück hat das Auto einen Tempomaten, den wir auf 110 km/h fixieren. Schneller ist nicht. Zum einen weiß man nie, ob sich statt des ersehnten Kängurus nicht doch ein radarpistolenbewaffneter Sheriff hinterm Busch versteckt. Zum anderen dürfen wir den Verbrauch des Autos nicht zu sehr in die Höhe treiben. Jeder Kilometer mehr kostet wertvollen Sprit. Der ist aber knapp, nicht nur an Bord, sondern auf der gesamten Tour.

Die Brennstoffzellenautos tanken Wasserstoff. Der trifft in der Brennstoffzelle auf Sauerstoff und dann passiert vereinfacht gesagt das, was uns im Chemieunterricht immer am besten gefallen hat: Positiv geladene Wasserstoffprotonen fühlen sich heftig vom Sauerstoff angezogen und verschmelzen zu Wasser. Mit dem Unterschied, dass unser Lehrer bei dieser Knallgasreaktion fast den Chemiesaal gesprengt hat, in der Brennstoffzelle von dieser Liebesheirat aber nichts zu hören ist. Stattdessen nutzt sie die frei werdende Energie, um Strom für den Elektromotor des Autos zu erzeugen.

Jedenfalls spüren wir nichts davon, dass wir mit unserem Hintern nur wenige Zentimeter über diesem Kraftwerk sitzen. Höchstens, wenn wir besonders kräftig Gas geben. Dann summt der Motor etwas lauter und der Auspuff bläst eine etwas größere Wasserdampfwolke hinaus. Die Order der Mercedes-Crew jedoch ist eindeutig: zurückhaltend fahren. Nur nicht zu viel Gas geben. Wer zu schnell unterwegs ist, läuft nicht nur Gefahr, die australische Wirtschaft mit horrenden Bußgeldern anzukurbeln, sondern ohne Sprit liegen zu bleiben. Das aber wäre fatal. Denn Wasserstoff kann man im Outback gar nicht und weltweit nur an 200 Tankstellen regulär tanken. Dummerweise liegt nur die Zapfanlage in Los Angeles auf dem Weg der drei B-Klassen. Damit die drei Autos auf ihren 30.000 Kilometern in Florida ebenso wie in China, Kasachstan oder Russland überhaupt H2 bunkern können, begleiten riesige Tanklaster die Karawane.

Die Tankanzeige leuchtet schon, als nach 250 Kilometern in der Einöde endlich Wudinna auftaucht. Ein paar Häuser, eine staubige Hauptstraße mit Tante-Emma-Laden, Bank und vor allem einem riesigen Parkplatz, auf dem uns die gesamte Mercedes-Truppe erwartet. Wir steuern den roten Tankwagen an, vor dem ein Sprinter parkt. In dessen Laderaum befinden sich jede Menge Leitungen, Ventile und vor allem eine Wasserstoff-Zapfpistole.

Martin Pfandl dockt unser Auto an und schaltet die Pumpe ein. Prompt bewegen sich im Sprinter, gesichert hinter einem Metallgitter, Kolben auf und ab, lassen den Transporter wie einen wild gewordenen Stier auf der Stelle bocken. "Im Tankwagen ist der Wasserstoff mit 165 bar gespeichert. Den müssen wir auf über 700 bar verdichten, um ihn im Tank des Brennstoffzellenautos zu speichern", erklärt Pfandl, der als Projektleiter für Wasserstoffanwendungen die Brennstoffzellen-Welttour begleitet.

"Unsere beiden Tankwagen sind mit etwa 180 Kilogramm Wasserstoff befüllt", sagt Peter Vogelmann von Daimler, der bei der Australien-Etappe für die Spritlogistik zuständig ist. Wir rechnen nach: Rund 3,7 Kilo passen in die drei Unterflurtanks der B-Klasse. Ein ganzer Tanklaster reicht für 50-mal volltanken? Trotzdem ist der Wasserstoffantrieb eine saubere Sache. Zumindest, solange H2 nicht energieaufwendig produziert werden muss. Aber häufig fällt Wasserstoff als Abfallprodukt an, beispielsweise in Chemiefabriken, wo es sonst abgefackelt wird. Zumindest dann kann man von Null-Emission sprechen.

Weltweit gibt es 200 Wasserstoff-Tankstellen – in Australien keine

Damit Brennstoffzellenautos in größerer Stückzahl auf die Straßen kommen, braucht es eine Infrastruktur. Die jedoch fehlt noch völlig. Auch unser Sprit reist schon 1.500 Kilometer im Tanklaster seit Melbourne mit. Dort gibt es eine Raffinerie mit H2-Fabrikationsanlage. Insofern darf man die F-Cell World Tour von Daimler getrost als Werbeveranstaltung für die Technik ansehen. "Wir wollen den Menschen auf der ganzen Welt zeigen, dass diese Autos alltagstauglich sind", sagt Brennstoffzellen-Entwickler Dr. Reinhold Schamm. "Jetzt brauchen wir nur noch Tankstellen."

Es ist also ein Henne-Ei-Prinzip, das es für den Durchbruch der neuen Technologie zu durchbrechen gilt. Ohne Autos keine Tankstellen, ohne Tankstellen keine Autos. In Deutschland gibt es 30, weltweit erst 200 Wasserstoff-Zapfanlagen. Ein flächendeckendes Netz mit 1.000 Tankstellen in Deutschland aufzubauen kostet rund 1,7 Milliarden Euro. Einen Teil davon will die Industrieinitiative H2 Mobility schultern. Dahinter stecken Mineralölgesellschaften wie Shell oder Total ebenso wie Energieunternehmen (EnBW) oder der weltweit größte Wasserstoffproduzent Linde. Und natürlich Daimler.

Denn schon vor acht Jahren orakelte Daimler-Chrysler-Vorstandsmitglied Thomas Weber, dass bis 2010 mehr als 500.000 Brennstoffzellenautos weltweit unterwegs sein würden. Davon ist man meilenweit entfernt, obwohl alleine Daimler bereits weit über eine Milliarde in die Entwicklung der Stromer investiert hat. An den Kunden kann es nicht liegen, zumindest nicht in Australien. "Für dieses Auto würde ich glatt meine C-Klasse hergeben", sagt Rod Williamson. Er hatte in der örtlichen Zeitung vom F-Cell Drive gelesen und sich gleich aufgemacht, um uns beim Tanken zuzuschauen. Nicht als Einziger. Ob Umweltaktivistin oder örtlicher Kindergarten: Für alle sind die Autos mit den ausländischen Kennzeichen eine Attraktion.

Bei uns hat sich die Aufregung jedoch schnell gelegt. Denn die Autos tun genau das, was sie 30.000 Kilometer lang tun sollten: problemlos fahren. Auch die Kängurus scheinen von der Brennstoffzelle wenig beeindruckt. Wir entdecken sie erst bei unserer Abreise, als Stofftiere im Souvenirshop. 

"Wir haben so gut wie keine Probleme mit unseren Autos."

Ein Interview mit Dr. Reinhold Schamm, Manager für Brennstoffzellen- und Batterieantriebsentwicklung bei Daimler

Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der Tour?

Schamm: Unsere Fahrzeuge laufen prima, wir haben so gut wie keine Probleme. Jetzt hoffe ich mal, dass es so auch auf der zweiten Hälfte der Tour weitergeht.

War das die größte Überraschung für Sie?

Nein. Wir haben mit unseren Erprobungsfahrzeugen mehr als eine Million Kilometer zurückgelegt. Von daher freuen wir uns, aber ich bin nicht wirklich überrascht.

Worauf legen Sie das größte Augenmerk?

Wir betrachten das Auto als Ganzes, dass alle Komponenten, die wir neu oder weiterentwickelt haben, auch tatsächlich funktionieren. Vor allem natürlich, wie sie sich unter solch extremen Bedingungen mit Hitze, Staub- und Schotterpisten verhalten.

Was erhoffen Sie sich vom F-Cell World Drive?

Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, dass die Brennstoffzellentechnik ausgereift ist und dass jedermann die Autos ohne große Einweisung begreifen und fahren kann. Unsere Botschaft lautet: Dieses Auto ist eigentlich marktreif – wenn die Technologie in großen Stückzahlen und zu entsprechend niedrigen Kosten gefertigt werden könnte.

Wann wäre das so weit?

Wir gehen davon aus, dass wir bis 2015 oder 2016 die Effizienz des Brennstoffzellenantriebs sowie die Reichweite der Autos nochmals signifikant steigern können. Dann sollten wir die Technologie in großen Stückzahlen fertigen können und die Kosten dieses Antriebsstrangs auf dem Niveau eines guten Hybrid-Dieselmotors liegen. Parallel muss natürlich die passende Infrastruktur aufgebaut werden.