Mobilität Firmenwagen - quo vadis?

VW Caddy, Flotte, Fuhrpark, Dummy Foto: Foto: VW, Montage: firmenauto 5 Bilder

Auch in Zukunft werden wir Auto fahren. Aber vielleicht nicht mehr so oft wie früher,
vielleicht häufiger im geliehenen Wagen. Das hat auch Auswirkungen auf
Unternehmen und ihr Travel Management.

Es wird debattiert. Heftig. Ausdauernd. Kontrovers. Um des Deutschen liebstes Spielzeug: das Auto. Jüngere Zeitgenossen spielen damit aber nicht mehr so gerne. »Die emotionale Bindung der jungen Generation an das Statussymbol Automobil lässt nach«, sagt etwa Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. »Bei einer wachsenden Gruppe von rund 20 bis 30 Prozent von jungen Männern und Frauen macht sich eine neue Rationalität im Hinblick auf das Automobil breit.« Sie jetten lieber durch die Welt, noch lieber chatten sie auf Facebook. Und sie liken dabei keine Flitzer, sondern Äpfel, Smartphones, Freunde.

Bald nur noch Vernunftsvehikel?

Schon lässt die nachlassende Leidenschaft Absatzzahlen schmelzen: Wie wirkt das auf eine Industrie, die hierzulande rund 2,4 Millionen Menschen ernährt? Werden nur noch vernünftige Kleinwagen im limitierten Kriechgang durchs Land rollen? Wird Fahren befreit vom Spaß?

Zwar revolutionieren die Vernetzung von Technologien sowie demografische Entwicklungen den Umgang mit dem Auto. Doch Andreas Cornet, Autospezialist der Beratung McKinsey, meint: Das Auto bleibt das Symbol für Status und individuelle Mobilität. Keine der Entwicklungen in der Industrie – ob die ­Nachfrage nach mehr technischer Intelligenz im Auto oder nach alternativen Besitzverhältnissen – werden diese zerstören können.

Doch selbst leidenschaftlichen Liebhabern vergeht angesichts der Spritpreise und verstopften Straßen die Lust aufs Gefährt. Die Strecke München–Karlsruhe: Im Zug ist sie bequemer zu bewältigen. Der Verkehr ändert sich und mit ihm die jungen Fahrer. Für sie ist das Auto alltäglich. Sie kennen lange Fahrten und den Stau, sie spielten Auto-Quartett und wurden wegen des Verkehrs vorm Haus beim Ballspielen ausgebremst.

Der Jugend fehlt oft die Faszination am Auto

Doch das erste Mal wild geknutscht wird schon lange nicht mehr im Auto. »Für junge Menschen ist das Auto schlicht ein Fortbewegungsmittel«, sagt Thomas Kerschmeier vom Rheingold Institut, einer Kölner Marktforschung. »Öffent­liche Verkehrsmittel haben ihre Spießigkeit verloren, man fährt damit entspannter, steht nicht im Stau und kommt oft schneller ans Ziel.«

Trotzdem kann die Stukkateur-Innung in Ludwigsburg Jugendliche mit einem Dienstwagen in den Beruf locken. Auch die Gastronomiekette Marché stellt Lehrlingen Smarts zur Verfügung. Und in Marktheidenfeld gelingt es der Lackiererei Schleich, mit einem Auto Lehrlinge zu Bestleistungen zu motivieren. »Ein Auto für gute Noten« verspricht die Werkstatt und hat bereits zwei Azubis mit einem fahrbaren Untersatz ausgestattet.

Stadt oder Land? Das macht den entscheidenden Unterschied

Es kommt in Sachen Auto darauf an, wo der Mensch lebt: Auf dem Land, wo Busse und Bahnen selten fahren, ist weiterhin King, wer ein Auto hat. Aber auch dort muss es nicht gleich das eigene sein. Wie in der Stadt erfreut sich das Hotel Mama in der Provinz höchster Wertschätzung: Hier gibt’s günstige Zimmer, nützliche Services und oft auch noch mehrere Wagen: gewartet, aufgetankt, fahrbereit. In Zeiten, in denen Arbeitsplätze für Einsteiger befristet sind und die Welt von Krisen geschüttelt wird, wissen selbst Alte nicht mehr, wie weiter. Und belastet sich keiner mit Eigentum oder bindet sich an ein Auto. Gefahren wird trotzdem.

Immer mehr Schüler zieht es für die Karriere an eine Universität. Jobs suchen Einsteiger bevorzugt in Metropolen. Dort aber wird das Auto nicht mehr oft gebraucht: Es gibt zu viele komfortable Alternativen.

Internet steuert Verkehrsströme

Ebenfalls bemerkenswert: Das Internet mischt in der Mobilität mit. Es hilft, Verkehrsströme zu vernetzen und zu steuern. »Autofunktionen lassen sich online von außen ansteuern. Das ermöglicht neue Dienstleistungen und damit Geschäfte«, sagt Curt Winnen, Geschäftsführer der Start-up-Organisation Munich Networks. Solche Systeme erinnern Fahrer an Wartungsintervalle, Prüftermine oder sie vermitteln aktuellste Verkehrshinweise – der Fahrer weiß jederzeit, wie er schneller ans Ziel kommt. »Autohersteller verkaufen nicht mehr nur Fahrzeuge, sondern zunehmend Services«, so Winnen weiter. »Oft werden Marken nicht mehr über Technik, sondern über Dienstleistungen ausdifferenziert und dazu gehören immer öfter Services, die aus der Konvergenz von Internet und Autoelektronik entstehen.«

Carsharing passt zur jungen Ungebundenheit

Dank Internet ist Mobilität heute in Schlückchen wie ein Latte Macchiato zu genießen: Flinkster, Car2go, Quicar, ­Drive Now, Multicity, Mu heißen die Programme der Hersteller, die online ein Auto nutzbar machen. Aufs Smartphone geschaut, den nächstparkenden Wagen angepeilt und mit einem Code aufgeschlossen – fertig ist die Instant-Beweglichkeit für Minuten oder Stunden. Solche Carsharing-Angebote passen zu junger Ungebundenheit. Sie hinterfragen zwar Besitzverhältnisse, skizzieren aber den Traum vom Bewegen neu – und veranlassen das Flottenmanagement, Mobilität zu überdenken.

«In seinen Anfängen hatte Carsharing eher ein alternatives Image, typische Nutzer waren wenig autobegeistert und entweder sparsame Rechner oder ökologisch Orientierte«, sagt Klaus Stricker, Autoexperte bei der Beratung Bain & Company in München. »In den vergangenen drei Jahren sind Hersteller eingestiegen und haben dieses Image deutlich verändert.«

Die Shareconomy ist ein cooler, urbaner Stil, das Autoteilen nachhaltig, kommunikativ. Wer mitmacht, kann gewinnen: Hersteller Kunden, Unternehmen ein Image von moderner Flexibilität. Schon sagen die Forscher von Frost & Sullivan den Boom voraus: Die Zahl der Nutzer soll sich bis 2016 von heute 400.000 weltweit auf 5,5 Millionen vermehren. Zipcar, ein Dienst wie Flinkster aus den USA, überzeugt mehr als eine halbe Million Fahrer.

Jeder dritte Stadtbewohner will häufiger ein Auto leihen. Obwohl sich aber bis zu 50 Leute ein Auto teilen können: »Eine Kannibalisierung des Kerngeschäfts muss die Autoindustrie nicht befürchten«, sagt McKinsey-Mann Cornet. »Für die Produktion entscheidend ist die Gesamtheit der gefahrenen Kilometer, die bei starker Ausweitung des Carsharing in etwa gleich bleiben sollte.« Die Fahrleistung pro Auto soll bis 2015 weltweit von heute rund 6.000 auf 9.000 im Jahr steigen.

Ohne Internet geht's nicht

Das Internet fasziniert, bewegt, fesselt. Junge Konsumenten wollen nicht mehr ohne leben. Statistisch gesehen verbringen sie 50 Minuten pro Tag im mobilen Internet, genauso lange sitzt der Durchschnittsfahrer im Auto. Junge Fahrer wollen diese unnütze Zeit mit Kommunikation und Online-Services füllen. Aus solchen Bedürfnissen entstehen innovative Verkehrs- und ja: Autokonzepte.

Der Traum vom Auto sieht heute anders aus. Er wird von Netzfunktionen und einfacher Verfügbarkeit geprägt. Das stellt Hersteller vor Probleme: Um neue Autos zu entwickeln, benötigen sie bis zu sieben Jahre. Im World Wide Web ist das mehr als die halbe Ewigkeit. Vor sieben Jahren kannte noch keiner Smartphones, die bereits Verkehrsströme umzulenken beginnen. Online werden morgen Funktionen in Frage gestellt, die sich heute etablieren. Wo aber das Auto zum Fortbewegungsmittel reduziert wird, ist Luxus à la Phaeton ebenso deplatziert wie Boliden, die 250 und mehr Sachen schaffen. Ingenieurskunst wird sich in neuen Leistungen beweisen.

68 Prozent würden nie auf ihr Auto verzichten

Trotzdem will niemand auf das Auto verzichten. »Es ist und bleibt die zweitgrößte Investition nach einem Haus im Leben«, weiß Winfried Hagenoff, Chef der Meinungsforschung Infratest Dimap. Junge Verbraucher leisten sich ihr Auto später. Sie schwärmen, das verraten Zulassungsstatistiken, für Audi, Mini sowie kleine und mittelgroße Individualisten. Bis ins Jahr 2037 soll sich jedenfalls der Bestand weltweit auf 1,7 Milliarden Autos verdoppeln.

Ingenieure bleiben gefragt wie Flottenmanager: Im Verkehr der Zukunft werden sie Mobilität bereitstellen und dafür auf alle Verkehrsmittel setzen. Flotten werden vielfältiger, effizienter. Die Fahrer von morgen wählen ihr Mobil je nach Ziel und Zeit. Und doch ist und bleibt für die Deutschen das Auto nach dem Lebenspartner die zweitwichtigste Sache der Welt: 68 Prozent würden laut Infratest Dimap niemals darauf verzichten wollen.

Zahlen, die Sie kennen sollten

  • Bereinigt um demografische Effekte sank der Führerscheinerwerb um 16 Prozent (Kraftfahrt-Bundesamt).
  • Immer weniger Twens kaufen ein Auto. Von 1.000 Leuten im Alter zwischen 18 und 29 Jahren besitzen nur noch 239 ein Auto, im Jahr 2000 waren es über 424. (KBA)
  • 22 Prozent der jungen Konsumenten bewerten das Auto als reines Fortbewegungsmittel (CoA, Bergisch Gladbach).
  • 38 Prozent der Deutschen bis 30 Jahre leben in Städten über 100.000 Einwohnern.