Volvo V60 (2018) im ersten Fahrbericht Leiser Diesel im schicken Kombi

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Volvos aktuelle Designlinie ist nun auch in der Mittelklasse angekommen. Dort kleidet sie den Kombi V60, der dank Längenwachstum endlich mehr Gepäck schluckt.

Schön waren Kombis aus Schweden nicht immer. Praktisch und sicher hingegen schon. In den 70ern warb Volvo mit der übersichtlichen Karosserie, die stressgeplagten Müttern beim Einkaufen das manövrieren auf überfüllten Parkplätzen erleichtern sollte. Von den klaren Kanten eines 245 Kombis sind die heutigen Modelle allerdings weit entfernt. Während der erste V60 mit seinen runden Formen doch arg wenig Gepäck fasste und seine Passagiere hinter einer ansteigenden Fensterlinie förmlich einmauerte, zeigt sich der Neue mit steilerer Heckscheibe und geraden Fenstern praktischer. Wie die anderen aktuellen Volvo-Modelle strahlt sein Tagfahrlicht in der Form von Thors Hammer, oder zumindest beschreibt es die Marketing-Abteilung so.

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Auf den ersten Blick erinnert der V60 stark an den größeren V90, doch bei genauerem Hinschauen offenbaren sich feine Unterschiede. Die Heckleuchten stehen zwar aufrecht, sind aber schmaler als beim großen Bruder, weswegen die Reflektoren in die Stoßfänger ausweichen mussten. Außerdem sind die Türen stärker nach innen gewölbt. Gänzlich unverändert übernommen hat Volvo das riesige Panorama-Glas-Dach, das gegen 1.218 Euro Aufpreis (alle Preise netto) jede Menge Licht ins Innere lässt.


Dort ist auch sonst wenig Schatten. Von hinten beginnend: 529 Liter passen in den Gepäckraum, wer die Rücksitzlehnen elektrisch umklappt, bekommt 1441 Liter hinein. Das ist im Vergleich zu BMW 3er (495-1.500l), Audi A4 (505-1.510l) und Mercedes C-Klasse (490-1.510l) respektabel. Im Fond überzeugt der V60 mit reichlich Kniefreiheit, hier kommt etwa der BMW nicht mit. Das hat freilich seinen Grund: Die skalierbare Volvo-Plattform mit langer Motorhaube und großem Radstand schafft Platz für die Passagiere. Das geht aber auf Kosten der Länge. Mit 4,76 Metern übertrifft er den bisherigen Spitzenreiter Audi A4 um gut drei Zentimeter, ein 3er BMW ist knapp 13 Zentimeter kürzer. Die niedrige Höhe von nur 1,43 Metern wirkt sich nicht negativ auf die Kopffreiheit aus. Die ist auch auf den exzellenten Vordersitzen völlig ausreichend. Der hohe Sitzkomfort ist typisch für Volvo und der Rest des Innenraums macht da auch keine Ausnahme.

Foto: Volvo

Elegenter und edler Innenraum

Zentral ist der aufrecht stehende Monitor, über den fast alle Funktionen bedient werden. Der Lohn dafür ist ein schwedisch reduziertes Design mit wenig Knöpfen, der Preis wiederum die teils komplizierte und während der Fahrt stark ablenkende Bedienung. An viele Eigenheiten kann man sich aber gewöhnen, zumal Materialen und Verarbeitung überwiegend mit der deutschen Premium-Konkurrenz mithalten können. Nur der große schwarze Kaste vor dem Innenspiegel passt nicht zum sonst so schicken Volvo. Doch das im Vergleich zur Konkurrenz etwas größeres Format ist leicht zu erklären: Im Kamerakasten verbirgt sich alle nach vorn gerichtete Assistenzsensorik. Auch das Radar des Abstandstempomaten wanderte aus dem Kühlergrill nach oben. Er liegt nun ganz praktisch unter der Wischfläche der Scheibenwischer. Der Sensor regelt so auch bei schlechtem Wetter zuverlässig.

Während Volvo also wieder ein Sicherheitsthema pusht, hinkten die Schweden bei den Fahreigenschaften der deutschen Konkurrenz allerdings bislang etwas hinterher. Auf ersten ausführlichen Testfahrten entsteht aber der Eindruck, dass Volvo den Anschluss geschafft hat. Unter der Haube kommen die bekannten Vierzylinder zum Einsatz. Wir waren im stärkeren Diesel D4 mit 190 PS unterwegs. Er läuft wunderbar ruhig, die Achtstufen-Automatik hat stets den passenden Gang parat und hält den Diesel verbrauchsgünstig in niedrigen Drehzahlbereichen. Dort verhilft der kleinere von zwei Turboladern zu spontanem Ansprechen, während bei höheren Drehzahlen der größere allein für ordentlichen Vortrieb sorgt. Mehr Kraft braucht kein Dienstwagen, weswegen Volvo für Leistungshungrige nur Benziner und später zwei Plug-in Hybride anbietet. Der 150 PS starke D3 dürfte für die meisten Ansprüche ebenso genügen, stand aber noch nicht zur Verfügung.

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In jedem Fall bekommt er es mit viel Auto zu tun, denn mit über 1,7 Tonnen Leergewicht macht sich der Volvo schwer. In engen Kurven merkt man das, da schiebt der V60 bei zuviel Tempo dezent gen Kurvenaußenrand. Ansonsten durchfährt er sie geflissentlich, macht sogar Freude dabei und federt nebenbei noch ziemlich kommod. Selbst mit kurzen Querfugen kommen die adaptiven Stoßdämpfer (Aufpreis 756 Euro) ganz gut zurecht. Auf der Langstrecke überzeugen die gut gedämmten Fahrgeräusche. Zudem unterstützt eine wahre Assistenzarmada bei Unaufmerksamkeit: Die Spur hält der V60 ebenso akkurat wie den Abstand, er bremst selbst bei entgegenkommenden Fahrzeugen auf der eigenen Spur und versucht auch beim Ausparken Unfälle zu verhindern. Volvo meint es also ernst mit der Sicherheit. Allerdings auch mit dem Premium-Anspruch: Unter 33.697 Euro geht nichts. Dafür gibt es 150 Diesel-PS samt Vorderradantrieb.

Teures Vergnügen

Automatik kostet knapp 2.000 Euro Aufpreis, und Allradantrieb gibt es vorerst nur für den 310 PS starken Benziner. Immerhin bringt selbst der einfachste V60 Dinge wie Aluräder, LED-Licht und Notbremsassistent mit. Zudem erfüllen alle Motorisierungen dank Partikelfilter (alle Motoren) und SCR-Kat (Diesel) die neueste Abgasnorm Euro 6d-Temp. Wem das mit dem Autokauf alles zu kompliziert ist, der kann sich sein Auto auch mit wenigen Klicks online zusammenstellen und über Care by Volvo ein Sorglos-Paket bestellen. Auch das ist mit 1,5 Prozent vom Bruttolistenpreis je Monat nicht billig, dafür ist selbst für die Versicherung und die Abholung zur Inspektion gesorgt. Gerade für kleine Fuhrparks kann das Programm eine stressfreie Alternative sein, zumal die Bedingungen ab September deutlich flexibler werden.