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VW Golf Der König von Deutschland lässt bitten

Foto: Volkswagen 8 Bilder

Er ist die wichtigste Neuheit des Jahres: Kein Wunder also, dass VW die Premiere des Golfs groß gefeiert hat. Dabei übt das Auto eine ungewohnte Bescheidenheit – beim Gewicht, beim Verbrauch – und sogar beim Preis. Zumindest auf den ersten Blick.

„Die ganze Autowelt schaut heute nach Berlin“ – viel mehr Pathos hätte VW-Chef Martin Winterkorn kaum auffahren können, als er seine 700 Gäste in der Berliner Nationalgalerie begrüßt. Doch so ein bisschen Protz und Prunk darf sich VW an diesem Abend schon erlauben. Immerhin präsentieren die Wolfsburger die Neuauflage eines Autos, das in fast 40 Jahren mehr Geschichte und Geschichten geschrieben hat, als die meisten anderen Modelle: den VW Golf. „Es gibt wenige Autos, die so viel Strahlkraft haben“, sagt Winterkorn mit Blick auf die fast 30 Millionen Exemplare, die VW seit 1974 bereits verkauft hat. Und das war nur der Anfang. Denn die siebte Auflage ist für die Niedersachsen ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur automobilen Weltspitze – und wird in Berlin entsprechend groß gefeiert. Dabei findet die eigentliche Publikumspremiere erst in vier Wochen auf dem Pariser Salon statt, und in den Handel kommt der Golf sogar erst im November.

Wie immer, wenn es VW der Konkurrenz so richtig zeigen will, schwelgt der Abend in Glanz und Glamour – während der Star einmal mehr ausgesprochen unprätentiös daher kommt. Natürlich können die Designer stundenlang über die neue Präsenz philosophieren, auf scharfen Kanten und klaren Linien herumreiten und von den Proportionen schwärmen, die mit der weiter nach vorn gerückten Vorderachse, der breiteren Spur und dem flacheren Dach etwas sportlicher geworden sind. „Doch ein Golf bleibt immer ein Golf“, sagt Walter de Silva über die konservative Konstante im VW-Design: Bei einem Auto, an dem das Wohl und Wehe des ganzen Unternehmens hängt, macht man keine Experimente. Jedes Blech ist neu, jedes Anbauteil überarbeitet – trotzdem oder vielleicht auch deshalb sieht das Auto  irgendwie aus wie immer.

Innen ist das schon ein bisschen anders. Mit je sechs Zentimetern mehr Radstand und Länge bietet der Golf nicht nur ein wenig mehr Platz und einen um 30 auf 380 Liter gewachsenen Kofferraum.  Vor allem aber macht das Ambiente nochmal einen riesigen Sprung nach vorn. Zumindest die gehobenen Ausstattungsvarianten – und natürlich gibt es zur ersten Sitzprobe in Berlin nur die Top-Modelle zu sehen – riechen jetzt in ihrem feinen Ornat aus Lack und Leder verdammt nach Oberklasse. Das gilt auch für die Ausstattung: In der Mittelkonsole ein Touchscreen mit einer Bedienung wie beim iPhone, die Navigation hat Zugang zum Internet und es gibt mehr Assistenzsysteme als im aktuellen Passat. So parkt der Golf nicht nur automatisch ein und aus, hält von allein die Spur und den Abstand, warnt den Fahrer vor Müdigkeit oder spannt in kritischen Situationen die Sicherheitssysteme vor. Er bremst zum Beispiel auch automatisch vor drohenden Auffahrunfällen und schützt beim Crash mit einer neuen Multi-Kollisionsbremse vor dem Unfall nach dem Unfall.

Obwohl also in jeder Hinsicht mehr drin steckt im neuen Golf, wird das Auto nicht schwerer. Im Gegenteil: „Bis zu 100 Kilo Gewicht haben wir gespart“, schwärmt Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg und rechnet das in rund 300 volle Cola-Dosen um: „Mehr, als ich in meinem Leben je getrunken habe.“ Das geringere Gewicht verspricht nicht nur mehr Spaß auf der Straße, sondern es steht vor allem für eine gewisse Zurückhaltung an der Tankstelle: Denn zusammen mit einer neuen Generation von Motoren soll der Golf im Mittel fast 14 Prozent und in einigen Varianten bis zu 23 Prozent weniger verbrauchen als früher. Der ganze Stolz der Ingenieure ist der neue Golf Blue Motion, der mit einem 77 kW/105 PS-Diesel auf 3,2 Liter Verbrauch kommt und damit sogar den Smart aussticht. Bis der Spar-Golf in ein paar Monaten fertig ist, beginnt das Programm mit einem konventionellen TDI gleicher Leistung, der 3,8 Liter verbraucht. Daneben baut VW noch einen Zweiliter-Diesel mit 150 PS ein, für den im Durchschnitt 4,1 Liter im Datenblatt stehen.

Bei den Benzinern startet das Programm mit einem 1,2-Liter-TSI mit 62 kW/85 PS und einem Verbrauch von 4,9 Litern. Schon das ist etwas weniger als vorher. Aber auch hier legt VW noch einmal nach und bringt parallel dazu einen 1,4-Liter mit 103 kW/140 PS und Zylinderabschaltung. Weil der im Teillast-Betrieb nur auf zwei Flammen kocht, ist er im Mittel mit 4,8 Litern zufrieden. Das klingt imposant und ist ein großer Fortschritt, sichert VW bei den Benzinern aber kaum einen Vorsprung. Denn Autos wie der Ford Focus mit ecoBoost-Dreizylinder sind in dieser Disziplin keinen Deut schlechter.

Bei den zunächst vier und bald fünf Motorvarianten wird es aber nicht lange bleiben:  Die Erdgas- und die Elektroversion des Golf sind schon angekündigt, weitere Diesel und Benziner werden folgen und der nächste GTI ist nur noch eine Frage der Zeit. Auch bei den Karosserievarianten hat VW noch viel vor. Los geht es im November mit dem Drei- und dem Fünftürer, aber der Golf Plus und der Golf Variant werden genauso folgen wie das Cabrio und diesmal vielleicht sogar ein kleines Coupé.

Bleibt zum Schluss die große Frage nach dem Preis, die Entwicklungschef Ulrich Hackenberg mit einem Lächeln beantwortet. Natürlich kosten viele der neuen Extras ordentlich Aufpreis und ein Golf für 40.000 Euro dürfte mit genügend Extra-Ausstattung schon zu machen sein. Doch zumindest auf dem Papier ändert sich am Grundtarif nichts: Trotz des stärkeren Motors und der besseren Ausstattung kostet der neue Golf mit 16.975 Euro exakt genau so viel wie der Alte.