Der neue BMW X6 protzt mit bis zu 625 PS. Aber es geht auch anders – und alltagstauglich kann der große SUV ebenfalls.
SUV-Fahrer brauchen derzeit ein gehöriges Quantum Selbstbewusstsein. Wer allerdings bereit ist, 60.000 – im Extremfall sogar 121.000 Euro netto - für einen Firmenwagen hinzublättern, steht darüber. Und um es auf den BMW X6 herunterzubrechen: Die Sinnhaftigkeit eines SUV-Coupés mit eingeschränktem Innen- und Kofferraum konnte man vielleicht 2008 beim ersten X6 noch hinterfragen.
Denn der dritte X6 macht das viel besser, bietet mittlerweile sehr angemessene Platzverhältnisse und ein großzügiges Heckabteil mit 580 Liter Volumen – und als besonderen Gag einen indirekt beleuchteten Kühlergrill. Außerdem sind Mercedes, Audi, Porsche und andere längst auf den Zug aufgesprungen und haben ebenfalls Crossover von ihren großen SUV aufgelegt. Die Nachfrage regelt eben das Angebot, so einfach ist das. Überhaupt können 443.000 X6-Käufer in elf Jahren nicht ganz falsch liegen.
Im November 2019 startet also der neue X6, mit zwei Dieseln und drei Benzinern sowie 265 bis 625 PS Leistung. Wieder ist es eine gewaltige Masse Auto, die sich da auf 4,93 Meter auf bis zu 22 Zoll großen Rädern streckt. Zwei Meter breit, aber nur 1,70 Meter hoch – tatsächlich haben es die Designer geschafft, dem Wagen eine gefällige Karosserie mit fast drei Metern Radstand zu schneidern.
Angeboten wird der allradgetriebene SUV in zwei Ausstattungslinien: sportlich für Asphalttiger oder im Offroad-Look, zu dem es man gleich ein Geländepaket mit unterschiedlichen Fahrprogrammen, Unterbodenschutz und mechanischer Differenzialsperre bestellen kann (2.479 Euro).
Natürlich geben ihm die Bayern alles mit, was das Technik-Regal hergibt. Adaptive Scheinwerfer etwa leuchten die Straße per Laser bis zu 500 Meter weit aus. Der Wagen kann selbstständig die Spur wechseln, wirft den Notanker, falls der Fahrer ein Stoppschild übersieht, und zirkelt sich selbstständig aus besonders verwinkelten Parkhäusern raus. Man kann den X6 direkt ansprechen, beispielsweise mit „Hey BMW, ich bin müde“. Prompt startet der ein Vitalisierungsprogramm, massiert den Rücken und legt fetzigere Musik auf. Mit der Zeit bringt ihm seine künstliche Intelligenz sogar bei, auf neue Sprachbefehle zu gehorchen. Und wer im Auto arbeiten will: Dank Anbindung an Office 365 und Skype for Business wird der X6 zum mobilen Büro und wählt sich auf Wunsch sogar in Telefonkonferenzen ein.
Das ist viel, doch nichts, was BMW 3er oder X5 nicht auch könnten. Was aber macht den X6 so besonders? Ganz einfach: die Leichtigkeit des Fahrens. Dass sich hier mindestens 2,3 Tonnen ums Eck wuchten, ist niemals zu spüren. BMW hat den Schwerpunkt abgesenkt, sodass der SUV wie ein Sportwagen durch die Kurve pfeilt. Wer’s wirklich drauf anlegt, investiert 4.580 Euro und ergänzt die serienmäßig adaptiven Dämpfer um das M-Fahrwerk Professional mit Wankstabilisierung, Sportdifferenzial und Aktivlenkung. Damit sollte man die dynamischen Grenzen aber eher auf dem Rennkurs als auf öffentlichen Straßen ausloten.
Doch die Anti-Wank-Einrichtung auch Vorteile im Komfort bringen. Denn ihre elektrischen Schwenkmotoren halten die Karosse nicht nur aufrecht, sondern dämpfen einseitige Fahrbahnunebenheiten besonders wirksam. Alternativ hat BMW eine Luftfederung im Programm (1.765 Euro), die auch eine ungleiche Beladung ausgleicht.
In jedem Fall schiebt dieser X immer kräftig an. Speziell mit dem neuen 4,4 Liter großen V8-Benziner des M50i (83.194 Euro), mit dem wir eine schnelle Runde drehen konnten. Den Tritt aufs Gaspedal beantwortet der ansonsten dumpf brabbelnde V8 mit einem heißeren Röhren, bevor er seine 750 Nm und 530 PS an die vier Räder weiterleitet und in 4,3 Sekunden auf 100 km/h fliegt. Steigern lässt sich das Ganze mit dem 625 PS starken M Competition, für den BMW stolze 121.175 Euro aufruft. Aber bereits der M50i widerspricht jeglichem vernünftigen Mobilitätsansatz, schon angesichts des Praxisverbrauchs von gut 14 Litern – bei zurückhaltender Fahrweise.
Da ist man mit den beiden Dieseln besser bedient. Zumal die 400 PS des M50d (81.175 Euro) ebenfalls extreme Fahrleistungen versprechen. Immer noch zu dick aufgetragen? Die 265 Diesel-PS des 30d (63.445 Euro) stehen für einen Kompromiss aus Vernunft und Fahrspaß. Ein sparsamer Plug-in Hybride ist derzeit jedoch nicht geplant.