Branchen-Umfrage Was wird aus dem Diesel?

Foto: Fotolia

Steigen Flotten mittelfristig auf Elektro um? Welche Chance geben die Hersteller dem Selbstzünder? Und welche Alternativen gäbe es überhaupt?

Wissenschaftler und Marktforscher haben dem Diesel in diversen Studien schon das Totenglöckchen geläutet, in Wolfsburg stellten Umweltschützer unlängst in Sichtweite zur VW-Konzernzentrale ein Gedenkkreuz auf. Andererseits leben Totgesagte bekanntlich häufig länger. Für Grabreden auf den Diesel ist es jedenfalls definitiv zu früh. In deutschen Fuhrparks feiern Dieselfahrzeuge fröhliche Urstände, wie zuletzt das CVO Fuhrpark-Barometer 2016 gezeigt hat. Demnach gehen 81 Prozent der Unternehmen davon aus, dass der Dieselanteil im Fuhrpark künftig weiter steigt.

Wie aber passt dieser Trend mit Dieselgate zusammen? Offenbar bietet sich Vielfahrern, Handwerkern, Dienstleistern und Kommunen keine bessere Alternative. Mit stabilen Restwerten und günstigen Verbräuchen hat er zudem gute Argumente auf seiner Seite. Kurzum: der Diesel wird noch dringend gebraucht.

"Nicht die Motoren selbst, sondern Maßnahmen eines Herstellers haben die Diskussion ausgelöst".

Ist die Branche also im Begriff, Dieselgate einfach auszusitzen? FIRMENAUTO hat bei Fuhrparkverantwortlichen, Beratern, Leasinggesellschaften und Autoherstellern nachgehakt. Tatsächlich hinterlässt der Abgasskandal tiefe Spuren quer durch alle Branchen. "In der mitunter hitzigen Diskussion wird eines schnell vergessen. Nicht die Triebwerke selbst haben diese Diskussion ausgelöst, sondern bestimmte Maßnahmen des einen oder anderen Herstellers", sagt Rüdiger Hüttemann, Leiter Fleet Sales bei Volvo. "Das strahlt negativ auf die gesamte Branche ab". In eine ähnliche Richtung gehen auch die Analysen der Leasinggesellschaften. Im Mittelpunkt steht das Restwertrisiko ihrer Mietwagenflotte. In dieser Frage kann sich keine Leasinggesellschaft Unklarheiten leisten. In den Risikoszenarien zu den Entwicklungen des Marktes für Gebrauchtwagen spielt man daher auch die Möglichkeit durch, dass künftig Abgasmanipulationen von Herstellern nachgewiesen werden, die bislang nicht involviert waren.

Hersteller müssen positive Signale setzen

Den Herstellern bleibt nur die Flucht nach vorn. Wie die Umfrage zeigt, geht es jetzt darum, den gewerblichen Fuhrparkkunden die richtigen Signale zu senden. Gute Karten hat hier Mercedes. Die Schwaben setzen mit der 2016 eingeführten Motorenfamilie auch auf den Diesel und bringen in diesem Jahr einen neuen Reihen-Sechszylinder auf den Markt. Das Credo: Ein moderner Dieselmotor kann aufgrund hoher Effizienz und vergleichsweise niedrigen CO2-Emissionen aktuellen elektrischen Antrieben im Hinblick auf den Klimaschutz überlegen sein, wenn man den bei der Energieerzeugung genutzten Mix der Energieträger berücksichtigt. Auch BMW und Audi, Ford, Volvo und Renault geben Ehrenerklärungen für den Selbstzünder ab. Der Dieselantrieb, so der Tenor, bleibt in den Fuhrparks die Nummer eins, weil er im Vergleich zu den etablierten Antriebskonzepten das beste Gesamtpaket bietet.

Trotzdem arbeiten die Hersteller mit Hochdruck an alternativen Antriebstechnologien und Mobilitätsmodellen, um ihr Portfolio an veränderte Bedürfnisse anzupassen. An dieser Stelle warten allerdings auf die Marketingabteilungen der Autobauer noch große Aufgaben. In den Fuhrparks kommt dieses Engagement nämlich längst nicht in vollem Umfang an.

Fuhrparkbetreiber handeln pragmatisch

Fuhrparkmanager indes setzen meist aus pragmatischen Gründen auf den Dieselantrieb. Selbst wenn sich viele Unternehmen ein grünes Mäntelchen anlegen – in der Masse spielt Image keine Rolle. Da stehen vielmehr die Anforderungen an die Mobilität im Vordergrund. Die Fuhrparkprofis trauen sich außerdem zu, rechtzeitig auf die Veränderungen des Marktes zu reagieren. Mit Leasingverträgen zwischen zwei und vier Jahren sehen sie sich gut aufgestellt. Längere Laufzeiten bieten eine hohe Investitionssicherheit, kurze Laufzeiten erlauben flexible Reaktionen.

Mit Corporate Carsharing, Elektroautos und Poolfahrzeugen denkt mancher Verantwortliche über neue Mobilitätskonzepte nach. Der eine oder andere lässt sogar die Bereitschaft erkennen, für einen sauberen Dieselmotor mehr Geld in die Hand zu nehmen. Am Ende sind Wirtschaftlichkeit des Dieselantriebs und der aktuelle Mangel an Alternativen die Stellschrauben für die Gestaltung und den Ausbau eines Fuhrparks.

"Wir werden weiterhin unsere Fahrzeuge mit Dieselmotor bestellen, da es derzeit nichts Wirtschaftlicheres gibt. Aufgrund der teilweise sehr hohen Kilometerleistungen sind Elektro- oder Hybridfahrzeuge keine Alternative", sagt zum Beispiel Martin Kaus, Fuhrparkleiter bei der Firma Efaflex Tor- und Sicherheitssysteme im niederbayerischen Bruckberg. Auch Bettina Lazaridis von der Firma Karl Dungs in Urbach bei Stuttgart hält sich in ihrem Fuhrpark an den Diesel. Aus ihrer Sicht sind Elektro- und Hybridfahrzeuge noch nicht ausgereift. Zudem falle das Netz für Ladestationen zu dünn aus. "Bis zu einer gewissen Toleranzgrenze könnte man für den Diesel mehr zahlen, aber nicht mehr als für andere Antriebe."

Dass sich die meisten Fuhrparkbetreiber mit der Dieseltechnologie arrangieren bedeutet nicht, dass sie ihr ohne Wenn und Aber die Treue halten. Eine Variable ist die Politik. Vor allem Fahrverbote und die Aussicht auf stärkere Besteuerung von Dieselfahrzeugen und Dieselkraftstoff hängen wie ein Damoklesschwert über den Betrieben. "Sobald wir über ein Ende der Dieselförderung und Einfahrverbote in Städte reden, ist das Aus des Diesels in den Flotten besiegelt", glaubt Jonas Sägesser, Leiter Mobilitätsservice und nachhaltige Mobilität bei Juwi in Wörrstadt. Fuhrparkleiterin Sabine Biermann von der Emco Group in Lingen hat bereits mit Blick auf mögliche Fahrverbote für die Wenigfahrer im Unternehmen die ersten Benziner bestellt.

Alternativen? Nicht in Sicht

Unterm Strich überwiegt bei den Fuhrparkverantwortlichen die Vorstellung, dass der Diesel sich gerade zur Übergangstechnologie entwickelt. Allerdings ist nicht entschieden, wie groß das Zeitfenster für den Übergang ausfällt. "Mit Ausnahme von LPG fehlt allen derzeitigen Alternativen zum Diesel die nötige Infrastruktur", sagt Michael Loß, der den Fuhrpark von Depesche Vertrieb betreut. "Wir würden für den Diesel mehr zahlen, wenn die Emissionen signifikant sinken und das geprüft und bestätigt ist."

Jochen Pfeiffer, Flottenmanager der WMF Group in Geislingen geht davon aus, dass die Autohersteller noch möglichst lange mit ihren Dieselmodellen Geld verdienen wollen. Fuhrparkleiter Jonas Sägesser glaubt, dass ein grundlegender Wandel in der Automobilindustrie noch fünf bis zehn Jahre dauern könnte. Bis dahin dürfte der Diesel in den Fuhrparks weiter gut im Rennen bleiben. "Die Entscheidung für oder gegen ein Dieselfahrzeug ist keine isolierte Betrachtung. Sie fällt im Kontext von Alternativen. Und da wird der Diesel zumindest mittelfristig weiter die dominante Rolle im Flottengeschäft einnehmen", erklärt Michael Velte, Vorstandsvorsitzender des Verbands der markenunabhängigen Fuhrparkmanagement- gesellschaften e. V. (VMF). Ähnlich sieht das Juwi-Fuhrparkleiter Sägesser: Dieselmotoren sauberer zu machen werde für Hersteller und am Ende für die Käufer der Autos teuer. "Fuhrparkbetreiber geben zukünftig eher mehr für alternative Antriebe und Schadstoffreduktion aus."

Lässt sich der Diesel also künftig noch mit gutem Gewissen empfehlen? Für Michael Velte steht das außer Frage "Gerade mit der heutigen Lernkurve der Hersteller und der konsequenten Nutzung der zur Verfügung stehenden Technik lässt sich das uneingeschränkt mit "Ja" beantworten." Stefan Jacob, Fuhrparkmanager von Drewag Netz in Dresden bringt es auf den Punkt: Man müssen den gesamten Prozess betrachten. "Sind die Alternativen in Bezug auf Schadstoffe und Wirtschaftlichkeit wirklich besser?"

Wie Vertreter von Leasinggesellschaften, Fahrzeugherstellern und Branchenverbänden die Diesel-Zukunft beurteilen, lesen Sie hier .