Carsharing Schnell die Welt retten?

DriveNow 2021 Foto: Photographer: David Ulrich

Wie kann eine zeitgemäße und nachhaltige Mobilität ausgestaltet sein? Gibt es die eine Lösung? Bestimmt nicht. Auch wenn Lobbyverbände uns das gerne weismachen wollen. Nonsens.

Meinung: Scheuklappen sind in der Regel tödlich für Innovationen. Wer mit starrem Blick auf ein vernetztes Denken verzichtet, kann schon mal das Ziel verfehlen und im Graben landen. So können auch vermeintlich gute Konzepte Innovationen ausbremsen. Elektromobilität etwa hat viele gute Ansätze, muss aber weiterentwickelt werden und ist noch weit von der Megalösung für eine umweltorientierte Verkehrswende entfernt. Es ist ein Fehler, andere Möglichkeiten komplett zu ignorieren.

Jüngst haben Carsharing-Vertreter die Politik aufgefordert, ihre Lösung zum Allheilmittel zu erklären: Regierung und Verantwortliche sollen einen nationalen Entwicklungsplan Carsharing angehen und innerhalb von vier Jahren doch bitte schön entsprechende Rahmenbedingungen setzen: Sharing solle das neue Leitbild für den motorisierten Individualverkehr werden. Dass Carsharing die einzige Form der Pkw-Mobilität ist, die sich energie- und flächeneffizient ins klimaneutrale Verkehrssystem der Zukunft einfügt, ist so nicht ganz zu unterschreiben.

Carsharing verleitet dazu, eher ins Auto zu sitzen statt den ÖPNV zu nutzen

Fakt ist: Carsharing ist an sich eine wirklich gute Idee, denn Teilen ist in, und wer will nicht die Auslastungsquote von Fahrzeugen erhöhen und unkompliziert Mobilität nutzen?! Eine öffentliche Förderung der privatwirtschaftlich betriebenen Carsharing-Infrastruktur wäre aber nicht zielführend und würde fürs Klima weniger bewirken als von manchen Akteuren versprochen. Carsharing verleitet dazu, eher keine öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen und aufs Rad zu verzichten. Auch eine gemeinschaftliche Nutzung von Pkw ist eine Nutzung von Pkw. Carsharing ist keine Form öffentlicher Verkehrsmittel, und das Ziel sollte sein, öffentliche Verkehrsmittel zu stärken, um wirkliche Effekte zu erzielen.

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So weit, so gut. Die übergeordnete Frage ist doch: Wie kommt man ökonomisch und zugleich ökologisch sinnvoll ans Ziel? Wenn Carsharing eine wichtige Option ist, dann muss das auch für Unternehmen eine spannende Lösung werden. Der gewerbliche Pkw-Verkehr hat am alltäglichen Verkehrsgeschehen einen hohen Anteil. Bisher gibt es seitens der Carsharing-Anbieter kaum bis keine Lösungsansätze, beispielsweise zielgerichtete allgemeine Geschäftsbedingungen für Unternehmen zu entwickeln, eine verlässliche Buchbarkeit zu Kernzeiten zu garantieren oder eine adäquate, für Unternehmensbelange notwendige Modellvielfalt aufzubauen. Für Unternehmen ist es essenziell, dass das passende Fahrzeug zur passenden Zeit auch wirklich verfügbar ist. Dazu kommt, dass gewerblich genutzte Fahrzeuge auch berufsgenossenschaftlichen Vorgaben wie den Richtlinien zur Unfallverhütung Genüge tun müssen. Und es sollte keine Mindestauslastung vorgegeben werden. Alles in allem ist das derzeit unattraktiv und überwiegend unwirtschaftlich.

Umweltbewusste Fortbewegung ist heutzutage stärker gefragt als das klassische Eine-Person-ein-Auto-Modell. Fuhrparks nehmen hier eine Vorreiterrolle ein. Carsharing kann durchaus ein Teil betrieblicher Mobilität sein. Anpassungen in den Geschäftsmodellen muss es aber geben, um die genannten Voraussetzungen erfüllen zu können. Dennoch passt es nicht generell zu jedem Mobilitätsbedarf. Das sollte respektiert werden. Der deutsche Aphoristiker Wilhelm Schwöbel sagte: Einen selbstherrlichen König kann sich ein Volk nur leisten, wenn seine Nachbarn auch nichts Besseres vorzuweisen haben. Irgendwie hatte er recht.