Carsharing Teilen wird zur Gesellschaftsform

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Was im privaten Bereich begann, wird zur nun zur Firmenphilosophie. Doch auch die Sharing-Economy unterliegt Marktgesetzen.

Für die meisten macht es vermutlich einen Unterschied, ob man ein Auto mit anderen teilt oder gleich die ganze Wohnung. Noch, denn der Mensch lernt gerade erst zu teilen. Freilich ist das keine evolutionäre Entwicklung, es geht schließlich ums Geld. Airbnb gilt als Vorreiter der Sharing-Economy-Bewegung. 2008 kamen drei junge Amerikaner auf die Idee, eine Vermittlungsplattform zu gründen, auf der sich seitdem Anbieter und Nachfrager von privatem Kurzzeitwohnraum zusammenfinden. Das schlug ein wie eine Bombe. Heute dürfte ein Verkauf den Gründern Joe Gebbia, Brian Chesky und Nathan Blecharczyk locker 30 Milliarden Dollar einbringen, meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Carsharing hat auch Auswirkungen auf die Autohersteller

Nicht nur Schlafzimmer werden heutzutage geteilt. Autos, Gartengeräte, Baumaschinen, Fahrräder, vor allem Gebrauchsgegenstände sind Elemente der Sharing Economy. Teilen, so sollte man meinen, ist das Ende des urkapitalistischen Prinzips, das im Grunde nur eine Richtung kennt: mehr, mehr, mehr. Wenn ein Carsharing-Anbieter ein Auto kauft, damit es sich zehn Personen teilen, hat das Auswirkungen auf den Hersteller. Statt zehn Autos wird er schlimmstenfalls nur eines los. Dummerweise ist das in der absatzorientierten Betriebswirtschaftslehre so nicht vorgesehen.

In einer volkswirtschaftlichen Betrachtung relativiert sich das Ganze. Geld ist eben nie weg. Es ist nur woanders. Bei denen, die etwas entgeltlich verleihen, und bei denjenigen, die das Geschäft auf Provisionsbasis ermöglichen. In der Regel also bei den Anbietern entsprechender Plattformen. Verdient wird dabei ordentlich. Die US-amerikanische Forschungsorganisation Brookings Institution geht davon aus, dass das Marktvolumen der Sharing Economy von 14 Milliarden US-Dollar im Jahre 2014 auf über 335 Milliarden US-Dollar im Jahr 2025 wächst.

Sharing Economy trifft daher nicht auf ungeteilte Begeisterung. Der Berliner Kulturwissenschaftsprofessor Byung-Chul Han etwa warnt davor, dass sie zu einer Totalkommerzialisierung des Lebens führe. Deutschlands wohl bekanntester Blogger Sascha Lobo spricht vom neuen Plattform-Kapitalismus. Sie und andere Wachstumskritiker beklagen, dass Sharing Economy Wachstum nur verlagert, nicht aber eindämmt. Bislang gab es die klassischen B2B- und B2C-Modelle, also die Handels- und Dienstleistungsbeziehungen zwischen Firmen untereinander (Business to Business) oder die zu Konsumenten (Business to Consumer). Zu Letzterem zählt auch Corporate Carsharing. Dahinter steckt letztendlich nichts anderes als die Idee, gewerblich genutzte Autos zu teilen: mit den Mitarbeitern, die sie in ihrer Freizeit fahren dürfen, oder mit anderen Unternehmen. In diesem Kreislauf reiht sich C2C ein. Bürger verleihen zunehmend ihr Hab und Gut.

Prinzip des Teilens: bedenklich für die Old Economy

Das Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) hat in einer repräsentativen Studie gezeigt, dass sich das Wirtschaftsmodell Teilen vor allem zwischen Privatleuten rasant entwickelt. Und zwar so rasant, dass es für die Old Economy bedenklich werden könnte. Allerdings interessiert sich noch immer nur eine Minderheit für diese Formen des Konsums.

Die Studie zeigt, dass sich  solche Angebote »aus der Nische heraus bilden und relevante Marktsegmente entwickeln können«. Für den Politikwissenschaftler und IÖW-Gesellschafter Reinhard Loske stellt sich dadurch die Frage nach «gutem Teilen und schlechtem Teilen«. Er fordert dazu auf, darüber nachzudenken, auf welche Weise die Ökonomie des Teilens zu einem sozial-ökologischen Erfolgsmodell werden kann. Und auf welche eben nicht. "Es sind verschiedene ­Entwicklungen vorstellbar", so Loske: "Die Sharing Economy kann wesentlich zu einem nachhaltigen Konsum beitragen. Sie kann aber auch zum Türöffner für eine neue Dumpinghölle werden."

Was das heißt, macht wiederum Carsharing deutlich. Dort kündigt sich das an, was so häufig passiert: Die Revolution frisst ihrer Kinder. Das klassische Carsharing, ursprünglich ein reines B2B- und B2C-Modell, bekommt Konkurrenz. Privatbesitzer verleihen zunehmend ihr Auto, wenn sie es gerade nicht brauchen. Dieses Vorhaben zu kommerzialisieren, war auch 2010 die Idee eines studentischen Projekts an der RWTH Aachen.

Dabei rausgekommen ist ein Unternehmen namens Tamycar. Auf dieser Plattform sind derzeit etwa 160.000 Nutzer und 15.000 Fahrzeuge registriert. Versicherungsrechtlich abgedeckt ist das Ganze über ein Partnerabkommen mit der R&V. Als Hauptvorteil gegenüber etablierten Carsharing-Anbietern sieht das Unternehmen die geringeren Kosten für den Mieter, vor allem bei Mietzeiten von mehr als drei Tagen.

150.000 Hamburger setzen auf Carsharing mit car2go Foto: Daimler AG
Praktisch auf Dienstreisen: Car2go ist in vielen Städten vertreten.

Neue Start-ups machen alten Start-ups Konkurrenz

Ähnlich argumentiert Drivy, eine ebenfalls 2010 gegründete, französische Plattform, die 2015 den deutschen Anbieter Autonetzer übernommen hat. Marktstellung heute in Deutschland: 140.000 Nutzer, 5.000 Autos, Versicherungspartner ist Allianz. Die Konkurrenz zu etablierten Anbietern wie Car2go, Drive Now oder Cambio hat den Vorteil geringerer Kapitalbindung, weil keine eigenen Flotten unterhalten werden. So aber drohen nun zwei Szenarien. Entweder die klassischen Anbieter überlassen das Privatkundengeschäft den Tamycars und Drivys dieser Welt. An den vergleichsweise höheren Preisen für Gewerbekunden würde sich nichts ändern. Der Wille zum Umstieg bliebe bei dieser Klientel gedämpft. Oder es wird ein gnadenloser Preiskampf geführt, um die Privatbörsen zu verdrängen. Dann aber wird Fahren in einem geteilten Auto so billig, dass es auch genutzt wird, wenn man eigentlich drauf verzichten könnte. Carsharing als ökologischer Heilsbringer verlöre seine weiße Weste.

Per Gesetz bevorzugt

Bislang war es den Kommunen gesetzlich nicht möglich, Carsharing-Anbieter infrastrukturell zu bevorzugen. Von September 2017 an soll ein "Gesetz zur Bevorrechtigung von Carsharing" genau das erlauben. Demnach können Kommunen künftig für Carsharing-Fahrzeuge separate Parkflächen ausweisen, die zudem gebührenfrei sein können. Und sie dürfen dabei Carsharing-Flotten mit Elektrofahrzeugen und Hybridantrieben bevorzugen, heißt es im Ratsbeschluss. Zudem ermöglicht das Gesetz Carsharing-Anbietern, ihren Standort »in den öffentlichen Verkehrsraum« zu verlegen. Das bedeutet beispielsweise, dass die Autos künftig auch in ortsdurchfahrenden Bundesstraßen abgeholt oder zurückgebracht werden können.