Defekte bei alten Firmenwagen Böses Erwachen

Schadenmanagement 2021 Foto: ETM

Geht an älteren Firmenwagen ein größeres Teil kaputt, kann der Austausch beim Markenhändler mehr kosten, als das Auto wert ist. Es gibt aber auch günstigere Alternativen.

Es spricht nichts dagegen, Firmenwagen lange zu fahren. Oder doch? Wenn die Autos ein gewisses Alter erreichen, können Reparaturkosten schnell den Zeitwert des Wagens übersteigen. Wie für die Klimaanlage bei Nina Reckmanns 17 Jahre altem VW Polo. Die Erzieherin steuert die nächste VW-Werkstatt an. Weil sie vorher keinen Termin vereinbart hatte und an diesem Tag viel zu tun war, schaute dem Polo niemand unter die Haube. Zu einer Diagnose kam es dennoch: Knapp 850 Euro sollte der Tausch des Klimakompressors kosten. Eine freie Werkstatt stellte dagegen fest, dass nur die Mag­netkupplung kaputt war, ein kleines Einzelteil des Klimakompressors. Jetzt kostete die Reparatur auf einmal nur 250 Euro inklusive Einbau. Also wieder zum VW-Betrieb, der mitteilte: Im Fall einer Reparatur hätte man ebenfalls nur die Magnetkupplung getauscht, für weniger als 850 Euro.

Teure Komplett- statt günstigere Einzelteile – diesen Einbautrend beobachtet der ADAC schon seit Langem. Oft würden ganze Baugruppen ausgetauscht, obwohl diese mit Ausnahme eines kleinen defekten Teils vollkommen intakt seien. "Das ist wirklich ein großes Ärgernis", sagt Markus Sippl, Leiter Fahrzeugtechnik des Automobilclubs, "der Autofahrer ist solchen Situationen leider ausgeliefert." Ein Beispiel ist das Gestänge des Scheibenwischers, das unter anderem für einen elf Jahre alten Opel Astra H Caravan passt. Bei einem Hamburger Opel-Händler kostet es im November 349,64 Euro. Verschlissen ist oft aber nur eine kleine Strebe. Die gibt es zum Beispiel bei Autoverwertern für weniger als 4 Euro. Und sie lässt sich leicht selbst montieren.

Foto: ETM

Genauso ist es mit der Halteklammer für die Glühbirne im Scheinwerfer des Golf V. Bricht sie, ist sie bei VW und im Teilehandel nur zusammen mit dem ganzen Schein­werfer zu haben. VW erklärt dazu, die ­Halteklammer gehe bei normaler Benutzung nicht kaputt. Daher sei sie auch nicht als Einzelteil erhältlich.

Auch bei Fensterhebern heißt es oft: kleines Teil, große Wirkung. Bricht eine Umlaufrolle oder reißt der Seilzug, muss oft das gesamte Bauteil ausgetauscht werden, und es sind statt ein paar Euro je nach Modell ein paar Hundert Euro fällig. Das gleiche Spiel beim Generator (Lichtmaschine): Manchmal ist nur der Freilauf außer Gefecht, getauscht wird oft aber alles.

Wer sparen will, findet in kleinen Werkstätten wie dem Auto-Rundumservice in Pinneberg bei Hamburg eine Alternative. Der Betrieb bietet zeitwertgerechte Reparaturen an, mit Gebrauchtteilen, die aus zu verschrottenden Autos ausgebaut wurden. Die Reparaturkosten sollen hier immer in einem vernünftigen Verhältnis zum aktuellen Wert des Autos stehen. "Ab einem Auto­alter von fünf oder sechs Jahren fangen die Leute an, Werkstattpreise zu vergleichen", erzählt In­haber Hagen Hamm und nennt für seine geprüften Gebrauchtteile eine grobe Faustformel: "Sie kosten meistens nur die Hälfte des Neupreises und sind genauso gut." Wo es nötig ist, zum Beispiel aus Sicherheitsgründen, verwendet seine Firma natürlich neue Komponenten – etwa Bremsklötze oder Keilriemen.

Auch komplexe Elektronik kann man reparieren

Schwieriger wird es, wenn die Elektronik streikt. Bei dem fünf Jahre alten VW Phaeton von Jörn Kö­necke aus Gifhorn versagt plötzlich das Navigationsgerät, in dem zugleich Frei­sprecheinrichtung und Radio stecken. VW bietet für dieses Modell nur das Komplettteil an. Kosten: gut 5.000 Euro.

Doch Köneckes Werkstatt ist pfiffig, schickt das Gerät zur Firma C3 Cramm Car Concepts nach Isenbüttel in Niedersachsen. Die Firma arbeitet mit Werkstätten aus ganz Deutschland zusammen. Unter dem Mikro­skop kitten die Spezialisten selbst Risse in elektrischen Verbindungen, die dreimal dünner als ein mensch­liches Haar sind. Das Phaeton-Navi bekommen die Techniker für rund 350 Euro wieder flott. Ersparnis: 4.650 Euro.

An diesem Nachmittag arbeiten die C3-Techniker am Kombiinstrument einer Mercedes R-Klasse. Die Anzeige im Display ist unsauber, ein sogenannter Pixelfehler. "Die Zahlen sind dann nicht mehr erkennbar. Wenn so etwas bei der Digitalanzeige eines Tachos auftritt, ist das nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern sicherheitsrelevant", sagt Firmenchef Oliver Cramm. Vor Kurzem hatte er das Steuergerät eines französischen Herstellers auf dem Tisch. Statt 1.350 Euro wie in der Vertragswerkstatt kostete die Reparatur bei ihm nur etwa 250 Euro.

Sparen lässt sich auch mit Nachbauteilen. Zwar entsprechen nicht alle Kopien in der Qualität dem Original, einige sind sogar plumpe Fälschungen. Viele Nachbauteile stam­men dagegen von Zulieferern der Automobilindustrie, die auch Neuwagen damit ausstatten. So kostete ein Querlenker bei Audi im November 150 Euro, während ein namhafter Zulieferer ihn in gleicher Qualität für 42 Euro weniger anbietet.

Schadenmanagement 2021

Eine Sparmöglichkeit sind auch sogenannte Identteile (oder Original-Identteile). Sie laufen vom gleichen Produktionsband wie das Original, erhalten am Ende aber nicht das BMW-, Mercedes- oder VW-Logo. "Identteile sind mit Originalteilen absolut bau- und funktionsgleich", bestätigt der Lippstädter Schein­werferhersteller Hella auf Anfrage. Wem das kleine Markenem­blem auf dem Scheinwerfer oder der Verpackung nicht so wichtig ist, der kann hier ebenfalls sein Budget schonen und zahlt dann manchmal nur den halben Preis.

Streit um Designschutz

Auf sichtbare Autoteile haben Hersteller noch lange ein Verkaufsmonopol. Die Preise für solche Teile sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen.

Für alle sichtbaren Teile besteht der sogenannte Designschutz. Sprich: Für Windschutzscheibe, Motorhaube, Kotflügel, Stoßfänger, Kofferraumklappe und vieles mehr haben die Hersteller ein Vertriebsmonopol. Die Folge: Ersatzteile werden immer teurer.

Zwar hat der Bundestag im September 2020 die sogenannte Reparaturklausel im Gesetz für fairen Wettbewerb verabschiedet. Doch die sieht einen Bestandsschutz für existierende Designs vor und erlaubt Werkstätten lediglich, nagelneue Modelle zu reparieren – also solche, deren Design nach dem 1. Januar 2020 eingetragen wurde. Karosserien älterer Modelle dürfen nach wie vor nur mit Originalersatzteilen instand gesetzt werden – und das je nach Modell bis zu 25 Jahre lang.

Lesen Sie auch Reparaturkosten Kleiner Rempler, teure Folgen

Trotzdem dulden die Autohersteller seit Jahren, dass sich ein Graumarkt für meist im Ausland produzierte Nachbauteile ent­wickelt hat. Beispiel: Für einen elf Jahre alten Opel Astra kostet die Original-Motorhaube 644, der Nachbau dagegen nur 285 Euro. Mancher Profi warnt zwar vor mangelnder Passgenauigkeit, doch der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) widerspricht: "Das war früher vielleicht einmal so", sagt GVA-Präsident Hartmut Röhl, heute seien die Kopien nicht schlechter als die Originale.