E-Autos als Stromspender Ladekabel sind keine Einbahnstraße

Mitsubishi Outlander Polizei 2020 Foto: Mitsubishi

Die Akkus von E-Autos und Hybriden lassen sich nicht nur zum elektrischen Fahren nutzen, ­sondern auch als Stromspeicher für externe Verbraucher. Allerdings unterstützen ­bislang nur wenige E-Auto-Modelle das Rückspeisen.

Die Premiere fand zwischen Rose Tattoo und Sisters of Mercy statt: Auf dem Open-Air-Festival Wacken 2019 wurde eines der Camps mit grünem Strom aus einer Fotovoltaikanlage versorgt. Als Stromspeicher diente ein Serienmodell des Nissan Leaf. In Anlehnung an den Begriff "Vehicle to Grid" bezeichneten die Organisatoren das Experiment als "Vehicle to Metal".

Die Idee ist so naheliegend, dass sie schon seit vielen Jahren in der E-Mobilitäts- und Energiewende-Szene kursiert: Viele E-Fahrzeuge mit Akkukapazitäten von 40 kWh und mehr stellen gemeinsam ein beachtliches Speicherpotenzial zur Verfügung. Mit intelligenter Steuerung lässt es sich als Pufferspeicher für Solaranlagen oder andere regenerative Energiequellen nutzen. Bei konsequenter Nutzung kommt dies nicht nur für einen einzelnen Haushalt, sondern auch für ganze Segmente im Stromnetz in Betracht: Herrscht Stromüberfluss, wandert die Energie in die E-Autos, bei Engpässen wird sie wieder von dort entnommen. Dabei sorgt das Lademanagement dafür, dass für anstehende Fahrten immer genug Fahrstrom in der Batterie bleibt.

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Dass das Ganze auch in der Praxis funktioniert, beweist auch ein Pilotprojekt auf der portugiesischen Insel Porto Santo: Dort sind bereits Prototypen der Renault-Modelle Zoe und Kangoo ZE als Pufferspeicher im Einsatz und fangen damit vor allem Lastspitzen im Stromnetz ab. Allerdings liegen die Kosten der handgefertigten Prototypen noch bei 100.000 Euro – die Serienmodelle der genannten Fahrzeuge unterstützen das bidirektionale Laden bisher nicht.

Doch das portugiesische Projekt beweist, dass es funktioniert. Und eine von Nissan, E.ON Drive und dem Londoner Imperial College durchgeführte Studie bescheinigt dem Konzept »Vehicle to Grid« klare Vorteile: Durchschnittlich rund 13.500 Euro im Stromnetz und 60 Tonnen CO2 ließen sich demnach pro einbezogenes E-Auto einsparen. Flottenbetreiber könnten je nach Nutzungsprofil und Ladeverhalten mit Kostenvorteilen zwischen 800 und 1.400 Euro pro E-Fahrzeug rechnen.

Allerdings muss dafür eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein – und die sind aktuell im Markt noch dünn gesät: Sowohl das Fahrzeug selbst als auch die Wallbox müssen den bidirektionalen Betrieb unterstützen. Das können derzeit vor allem einige Autos von asiatischen Herstellern, beispielsweise der eingangs schon erwähnte Nissan Leaf oder der Plug-in-Hybrid Mitsubishi Outlander. Auch die zwischenzeitlich eingestellten Mitsubishi-E-Autos der i-MiEV-Serie und ihre Derivate Citroën C-Zero und Peugeot iOn beherrschen das Kunststück. Alle genannten Modelle besitzen den im asiatischen Markt verbreiteten Chademo-Stecker.

Lösungen für den hierzulande weiter verbreiteten CCS-Stecker sind noch in Entwicklung, sollen jedoch ebenfalls bald vorgestellt werden.Ein Hemmschuh sind aber vor allem die Anschaffungskosten für rückspeisefähige Wallboxen: Wegen ihrer aufwendigeren Steuerungstechnik sind sie derzeit noch erheblich teurer als die allein aufs Aufladen ausgelegten Modelle. So schlägt etwa My Wallbox Quasar mit rund 6.000 Euro zu Buche. Das von Mitsubishi in Japan bereits ­vertriebene Hausstrom-Management-System Dendo Drive House kostet dort umgerechnet rund 20.000 Euro – beinhaltet dafür allerdings auch eine Heim-Speicherbatterie und eine Fotovoltaikanlage. Ein Marktstart in Europa mit einer voraussichtlich abgespeckten Lösung dürfte im Lauf des Jahres 2021 folgen.Doch auch ohne teure bidirektionale Technik bieten rückspeisefähige Fahrzeuge schon bidirektionale Möglichkeiten: So ist der Plug-in-Hybrid Mitsubishi Outlander ab der Ausstattungslinie Plus mit zwei 230-Volt-Steckdosen ausgestattet, die selbst bei ausgeschaltetem Motor bis zu 1.500 Watt Strom liefern können – darüber freuen sich nicht nur Camper, sondern etwa auch berufliche Nutzer, die mit dem Strom auf der 12-kWh-Batterie Flutlichtanlagen oder Elektrowerkzeuge betreiben können.

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Damit der verbrauchte Strom auch schnell wieder nachgeladen werden kann, lässt sich das Fahrzeug an einer Schnellladesäule (20 kW DC) binnen 25 Minuten wieder auf 80 Prozent Akkustand aufladen.Übrigens: Wenn der Stromverbrauch etwas bescheidener ausfällt, bieten auch eine Reihe von Fahrzeugen deutscher Hersteller die Option, Energie aus einer 230-Volt-Steckdose zu ziehen. Entsprechende Ausstattungsoptionen bieten etwa Audi und Mercedes für viele ihrer Fahrzeuge. Allerdings ist die Stromentnahme dabei auf 150 Watt begrenzt – das reicht zum Betrieb eines Laptops oder zum Aufladen von Werkzeugakkus, jedoch nicht für den Betrieb stromhungrigerer Geräte. Vorsicht ist allerdings vor Wechselrichtern geboten, die als Zubehör angeboten werden und versprechen, den Strom aus der 12-Volt-Autosteckdose auf 230 Volt hochzutransformieren.

Dies ist nicht nur mit hohen Verlustleistungen verbunden, sondern vor allem bei Graumarktangeboten auch gefährlich für die Fahrzeugelektronik und im schlimmsten Fall auch für das Leben des Nutzers. Zudem leeren solche Konstruktionen vor allem konventionelle Fahrzeugbatterien so schnell, dass schon nach kurzer Einsatzdauer nicht mehr genug Strom zum Starten des Fahrzeugs übrig ist. Wer sein Auto häufiger als Energiespeicher nutzen will, sollte sich deshalb für ein Modell entscheiden, das für diesen Einsatz auch tatsächlich ausgelegt ist