Sind E-Fuels wirklich der Gamechanger zur CO2-Reduktion für bestehenden Fahrzeugflotten? Peter Fintl von Capgemini beleuchtet die Potenziale und Grenzen dieser Dekarbonisierungsstrategie – und welche weiteren Alternativen es gibt.
E-Fuels rücken zunehmend in den Fokus von Flottenbetreibern, die auf der Suche nach effizienten Dekarbonisierungsstrategien sind. Während Elektrofahrzeuge und Wasserstoffantriebe bereits große Fortschritte verzeichnen, bieten E-Fuels den Vorteil, auch bestehende Verbrennerflotten CO2-neutral zu betreiben – zumindest in der Theorie. Peter Fintl, Vice President Technology & Innovation bei Capgemini, diskutiert in diesem Interview die wirtschaftlichen und technologischen Chancen und Herausforderungen von E-Fuels, den aktuellen Stand der Entwicklung und welche regulatorischen Maßnahmen erforderlich wären, um deren Einsatz zu fördern.
Der große Vorteil der E-Fuels liegt in der unmittelbaren Wirksamkeit in der Bestandsflotte. Das heißt, bestehende Fahrzeuge sowie Infrastruktur können ohne Anpassungsmaßnahmen mithilfe sogenannter "Drop-in" E-Fuels unmittelbar von CO2-Einsparungen – über den Lebenszyklus betrachtet – profitieren. Darüber hinaus bieten E-Fuels aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften auch potentielle Vorteile in Sachen Abgasqualität bzw. betrieblicher Zuverlässigkeit. Weiters sind E-Fuels in beliebigen Verhältnissen mit fossilen Brennstoffen mischbar und könnten so zu einer teilweisen Reduktion von CO2-Neuemissionen beitragen. Wie schätzen Sie die Effizienz von E-Fuels im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen und Elektrofahrzeugen ein?
Auch wenn E-Fuels bzw. Bio-Fuels einige Vorteile hinsichtlich der CO2-Bilanz versprechen, so gibt es in der Gesamtbetrachtung effizientere Wege, um Primärenergie in Bewegung umzusetzen. Energetisch betrachtet sind E-Fuels aufwendiger in der Herstellung als fossile Treibstoffe, allerdings um den Preis der CO2-Emissionen sowie sonstiger Schadstoffe. Aus Effizienzgesichtspunkten alleine ist der batterieelektrische Antrieb konkurrenzlos. Selbst die Brennstoffzelle kann hier nicht mithalten und operiert auf einem Gesamteffizienzniveau, das nur etwas über dem klassischen Verbrenner liegt.
Welche technologischen und infrastrukturellen Hürden müssen überwunden werden, um E-Fuels massentauglich zu machen?Der Erfolg von E-Fuels hängt im Wesentlichen von der kostenattraktiven Herstellung in relevanten Mengen ab. Aus heutiger Sicht ist kostengünstiger Grünstrom nicht im Überfluss vorhanden. Der gesellschaftliche Bedarf an nachhaltiger Energie ist signifikant, sodass es zu überlegen gilt, für welche Zwecke Grünstrom eingesetzt wird und wo E-Fuels Sinn ergeben. Der Einsatz von E-Fuels ist für Anwendungen sinnvoll, bei denen derzeit keine praktikablen Alternativen existieren. Dazu gehören etwa interkontinentaler Flugverkehr, die Schifffahrt etc..
Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie für Flottenbetreiber bei der Umstellung auf E-Fuels im Vergleich zu BEV und FCEV?Aus technischer Sicht können Flottenbetreiber dem Einsatz von E-Fuels gelassen entgegensehen. Die Kraftstoffe sind als vollwertige Substitute zu den bestehenden fossilen Brennstoffen zu sehen. Erfahrung mit Bio-Fuels, wie etwa HVO100, zeigen, dass ein problemloser Einsatz möglich wäre. Die limitierenden Faktoren sind Verfügbarkeit und Preis.
Wie bewerten Sie die aktuellen Fortschritte der OEMs in den Bereichen BEV und FCEV?Die gesamte Automobilbranche – egal ob beim Pkw- oder im Nutzfahrzeugbereich – hat im Bereich "alternative Antriebe" große Fortschritte erzielt. Ein wesentlicher Treiber dabei war die Batterietechnologie. Zellen wurden leistungsfähiger und gleichzeitig deutlich günstiger. Auch wurden große Sprünge in Sachen Energieeffizienz und Skalierung gemacht. Nicht zuletzt hat sich auch hier gezeigt: Konkurrenz belebt das Geschäft. Kunden haben heute eine wesentlich größere Auswahl und global gesehen ist die elektrifizierte Mobilität auf dem Vormarsch.
Die Dekarbonisierung der Bestandsflotte mithilfe von E-Fuels erscheint verlockend. Man entnimmt CO2 aus der Atmosphäre bzw. aus biogenen Quellen oder industriellen Prozessen, mithilfe grüner elektrischer Energie erzeugt man mithilfe von Elektrolyse Wasserstoff und synthetisiert daraus Kohlenwasserstoffe, sprich flüssige Kraftstoffe. Bei der Verbrennung dieser Treibstoffe geben sie das eingesetzte CO2 wieder in die Atmosphäre ab. Es entstehen keine CO2-Neuemissionen. Auf einen Schlag könnte man hunderte Millionen an Fahrzeugen CO2-neutral betreiben. In der Realität steht man aber vor großen Herausforderungen: Der gesamte Prozess ist äußerst energieintensiv und elektrische Energie aus nachhaltigen Quellen auch in absehbarer Zeit nicht im Überfluss vorhanden. Selbst heute werden über 60 Prozent der weltweit elektrischen Energie aus Kohle, Gas und Öl erzeugt. Hier muss man ansetzen, zumal mit dem BEV eine sinnvolle Alternative für die meisten Anwendungen bereitsteht und die begrenzte elektrische Energie aus nachhaltigen Quellen äußerst effizient in Bewegung umsetzt. Verschiedene Studien zeigen, dass die CO2-Emissionen über den Lebenszyklus betrachtet selbst beim heutigen Strommix bei BEVs nach einigen 10.000 km Fahrleistung besser als beim Verbrenner ausfallen. Zudem profitiert die BEV-Flotte von einem steigenden Anteil von Grünstrom im Netz. Damit sinkt der CO2-Impact noch weiter.
Welche politischen und regulatorischen Maßnahmen wären notwendig, um die Nutzung von E-Fuels zu fördernDer Fokus sollte auf der Verfügbarkeit kostengünstiger grüner Energie liegen sowie auf dem Aufbau einer industriellen Infrastruktur. Darüber hinaus ist es meines Erachtens wichtig, ein realistisches Bild der Chancen, Einsatzmöglichkeiten aber auch Grenzen der E-Fuel-Technologie zu vermitteln. Ohne Zweifel sind E-Fuels ein Mittel zur Dekarbonisierung bestimmter Anwendungen, aber kurzfristig liegt darin eher keine Möglichkeit, um den Großteil der Bestandsflotten an Verbrennern kostengünstig und rasch CO2-neutral zu betreiben.