E-Mobilität Die Zukunft liegt im Elektroantrieb

Foto: Thomas Küppers

Harald Kröger, Daimler-Entwicklungschef Elektroantriebe über die Faszination E-Mobilität, skeptische Kunden und aktuelle Trends.

Elektromobilität scheint in Deutschland nicht so richtig in Fahrt zu kommen. Sehen Sie sich als Vorbild?

Ich selbst fahre aus Überzeugung eine B-Klasse Electric. E-Autos bieten beim Anfahren so viel Dynamik, der Motor spricht ab einem Drehmoment Null an und ist sofort da ist. Das ist ein Aspekt, der die Menschen komplett verblüfft. Das E-Auto hat zwar vielerorts den das Image "Ich rette die Eisbären", doch in der Realität macht es einfach wahnsinnig viel Spaß. Außerdem ist es sehr entspannend nahezu geräuschlos zu fahren. Es gibt noch viel mehr positive Effekte: kaum Verschleiß, entsprechend niedrige Wartungskosten, steuerliche Vorteile und saubere Luft in den Städten. Wir merken aber sehr wohl, dass Kunden den Elektroantrieb live bei einer Probefahrt erleben müssen. Was ist das für eine neue Antriebsform, wie fühlt sich das an, welche Vor- und Nachteile bringen Elektroautos mit sich. Das braucht seine Zeit, hier sind wir noch ziemlich am Anfang.

Dennoch sind viele Fuhrparkleiter und Dienstwagenfahrer skeptisch. Wie gehen Sie mit diesen Bedenken um?

Eine der ersten Fragen gilt immer der Reichweite. Doch wer in der Firma und Zuhause die Möglichkeit hat, sein E-Auto zu laden, kommt im Alltag in der Regel sehr gut zurecht. Auch das Argument, der Ladevorgang würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, lässt sich entkräften. Wenn man es mal wirklich durchrechnet, sieht die Bilanz schon wieder anders aus. Ein Steckvorgang dauert rund zweieinhalb Sekunden und auch wenn man häufig lädt, etwa bei einem Hybrid-Modell – ist man unterm Strich immer noch deutlich schneller, wie an der Tankstelle. Am Ende spart man sogar noch Zeit. Darüber hinaus gibt es noch weitere Vorteile etwa eine Standkühlung. Im Sommer kann man in ein heruntergekühltes Fahrzeug einsteigen. Das ist echter Mehrwert. Bevor ich los fahre, kann ich meiner B-Klasse per Smartphone den Befehl geben: "Mach mal kühl oder mach mal warm – ich fahr in zehn Minuten los."

Sind Plug-in-Hybride eine Alternative? 

Wir sind derzeit sehr erfolgreich beim Verkauf unserer Plug-in-Hybride. Da gibt es einen ganz einfachen Infektionseffekt. Wenn das Auto mal auf der Straße ist, dann fragt der Kollege, der Nachbar ob er mal eine Runde fahren darf – und dann verbreite sich die Vorteile von ganz alleine. Wer einmal die Eigenschaften eines E-Autos erlebt, weiß was es bedeutet mit einer B-Klasse oder einer S-Klasse mit Hybridantrieb zu fahren. Da glaube ich, da passiert von ganz alleine was.

Eignet sich Elektromobilität für jedes Unternehmen, für jeden Dienstwagenfahrer?

Nein, diesen Anspruch erheben wir aber auch nicht. Problematisch ist Elektromobilität bei Vielfahrern, die sehr flexibel sein müssen. Man muss sich die Einsatzbereich schon sehr genau anschauen. So macht etwa der Plug-in-Hybrid für Mitarbeiter die täglich 300 Kilometer fahren wenig Sinn. Dann muss die Firma auch die richtigen Voraussetzungen bieten. Dazu gehören Ladestationen die einfach zu bedienen sind, transparente Abrechnungsmodalitäten, da kommt es drauf an. Dazu kommt, dass in vielen Unternehmen sehr konservative Ansichten hinsichtlich der Dienstwagenordnung herrschen. Da wird penibel darauf geachtet, wer fährt welches Modell, sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Hierarchiestufen auch klar erkennbar. So dürfen in vielen Unternehmen die Grenzen, die von der Car Policy bestimmt sind, nicht verwässert werden.

Nun kalkulieren Fuhrparkleiter in der Regel sehr konservativ. Und E-Autos können durchaus unbekannte finanzielle Risiken bergen. Wie stehen Sie dazu?

Dazu gibt es zwei Argumente. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Motoren sehr robust sind. Damit können sie bis zum Mond und wieder zurück fahren. Die Bedenken gelten aber wohl eher der Lebensdauer der Batterie. Das wundert mich, denn auch da ist die Sorge unbegründet. Vermutlich gibt es hier noch sehr viele überholte Vorurteile. Eine Batterie geht schließlich nicht kaputt, es sinkt lediglich die Reichweite. Damit ist aber ihr Auto noch lange nicht wertlos geworden, außerdem dauert das aufgrund unseres ausgeklügelten Batteriemanagements sehr lange. Da brauchen sich Fuhrparkleiter keine Sorgen zu machen.

Bleiben die Probleme bei Ladeinfrastruktur und Abrechnung. Ist da die Politik gefragt? 

Eigentlich sind wir Hersteller schon sehr weit gekommen. wir haben einen einheitlichen Ladestandard etabliert, das Combined Charging System (CCS). Dieser agiert sehr clever und verfügt über eine große Spannbreite von der Steckdose bis zur Wallbox. Wo es vielleicht manchmal zu kompliziert zugeht ist in den Bereichen Abrechenbarkeit, steuerliche Vorteile. Hier könnte die eine oder andere Erleichterung oder Vereinfachung für Schwung sorgen. So sollte nicht jedes geladene Elektrönchen durch eine Rechnung belegt werden müssen. Das sorgt für große Probleme in den Buchhaltungen. Hier sollte der Gesetzgeber ein Auge zudrücken und das Abrechnungsprozedere erleichtern. Hier muss man auch die Kirche im Dorf lassen. Bei 1,50 Euro Kosten für einen Ladevorgang sollten die Politik auch die Verhältnismäßigkeit nicht aus den Augen verlieren. Trotzdem bin ich zuversichtlich, die E-Mobilität wird sich auch gänzlich ohne Subventionen auf Sicht durchsetzen.

Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Da werden wir in den nächsten Jahren auf der Erfolgsspur sein. Es gibt einen klaren Trend und das Interesse der Kunden ist groß. Wir erleben, dass unsere E-Modelle teilweise ausverkauft sind und das – obwohl wir dieses Thema vertriebstechnisch nicht in die erste Reihe stellen. Gleichzeitig arbeiten wir an Verbesserungen was Reichweite, Ladefähigkeit und Kraftentfaltung angeht. Da ist noch viel Luft nach oben, da werden wir mit jeder Generation eine ordentliche Schippe drauf legen. Weltweit arbeiten alle Batteriehersteller mit Hochdruck daran, die Leistung so zu verbessern, dass etwa Einschränkungen bei der Reichweite bald der Vergangenheit angehören.

Wenn sich E-Mobilität in großem Maßstab durchsetzt, kommt es dann zu Kapazitätsproblemen?

Es wird nirgendwo das Licht ausgehen, weil zu viele Fahrer gleichzeitig ihr Auto an eine Ladestation hängen. Ich warne immer vor Extremen. Zuerst hieß es "das kauft ja keiner weil es nicht erfolgreich ist, jetzt heißt es wenn alle E-Auto fahren dann geht die Stromversorgung in die Knie". Hier würde ich mir etwas mehr Gelassenheit wünschen. Wenn jeder Kilometer in Deutschland elektrisch gefahren würde, würde sich der Stromverbrauch lediglich um 15 Prozent erhöhen. Doch dazwischen gibt es noch ein großes Feld. Ich würde sagen, wir fangen damit an, probieren aus und dann sehen wir was passiert.

Rechnet sich die Produktion von E-Autos derzeit für Daimler überhaupt?

Eins ist klar, bei kleinen Stückzahlen ist Technologie immer teurer als bei großen Stückzahlen. Natürlich arbeiten wir intensiv daran die Kosten zu senken. Es ist wenig sinnvoll, Autos zu verkaufen bei denen ein Hersteller auf Dauer draufzahlt. Wenn wir als Hersteller in der Lage sind unsere Kosten zu optimieren, davon profitieren natürlich die Kunden. Mit zunehmend günstigen Batteriesystemen können wir unseren Kunden in Zukunft immer attraktivere Preise bieten.

Stichwort seltene Erden. Stimmt die Ökobilanz für E-Autos unterm Strich tatsächlich?

Hier stimmt schon die Bezeichnung nicht. Die sogenannten Seltenen Erden gibt es in größeren Mengen, eine Knappheit sehe ich definitiv nicht. Darüber hinaus wird eine extrem gute Recyclingquote geben. Grundsätzlich gilt, dass die verbauten Materialien in einer Batterie wie Nickel, Kobalt, Mangan, Kupfer oder Aluminium gut wiederverwertet werden können. Dass dann auch eine entsprechende Industrie entsteht hängt, natürlich auch davon ab, wieviel Volumen in einigen Jahren entsteht. Im Moment gibt es noch nicht so viel Verschrottungsreife Autobatterien. Außerdem können Batterien, deren Dynamik Unternehmen Kapazität nachlässt, als stationäre Speicher genutzt werden. Auch hier ist unser Unternehmen schon sehr weit.

Wie geht es mit der Brennstoffzelle weiter.

Die BZ ist kostenseitig noch deutlich anspruchsvoller. Wir haben dieses Thema vor rund 20 Jahren erfunden. nun sind alle Hersteller auf dieses Thema angesprungen. Das zeigt das Potenzial dieses Antriebs. Doch das geht nicht so schnell. Nun sind wir intensiv dran, dieses Thema auch für die Kunden attraktiv zu gestalten. doch dafür brauchen wir noch Zeit. Aber es gibt viele Vorteile, die zeigen dass es wichtig ist auf diesem Gebiet weiter zu forschen.

Induktives Laden für E-Autos. Könnte das in nächster Zeit Realität werden? 

Das wird kommen. Bereits in einigen Jahren werden wir Elektro- und Hybridfahrzeugen von Mercedes-Benz mit der Technik für das induktive Laden ausstatten. Die neue Technik vereinfacht das Aufladen der Fahrzeugbatterie erheblich und macht es zugleich deutlich komfortabler. Er fährt das Fahrzeug einfach über eine flache Station und das berührungslose Laden beginnt. Da öfter geladen wird, ist die Batterie nicht selten komplett leer ist. Zum einen relativiert sich deswegen die maximale Ladedauer, die notwendig wäre, um eine erschöpfte Batterie wieder vollständig zu füllen. Zum anderen ermöglicht die Technik vielleicht sogar den Einsatz kleinerer Batterien, zumal diese ohnehin über die Weiterentwicklung der elektrochemischen Vorgänge immer leistungsfähiger werden. Die Kosten für eine induktive Lade-Infrastruktur im öffentlichen Raum dürften dabei in der gleichen Größenordnung liegen wie bei den herkömmlichen Ladesäulen der Energieversorger.