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Elektro-Lkw Tesla Semi In fünf Sekunden auf 100 km/h

Tesla Semi Foto: Tesla 7 Bilder

Fahrwerte jenseits von Gut und Böse sowie 800 Kilometer Reichweite: Elon Musk nennt die ersten Eckdaten des Schwer-Lkw von Tesla. Sogar einen ersten Käufer hat Tesla für den 40-Tonner bereits gefunden.

Ein E-Lkw mit ausgeprägten Startproblemen – das ist der Tesla Semi schon jetzt. Mit markigen Worten schürte Tesla-Chef Elon Musk die Erwartungen an seinen ersten Lkw mit vollelektrischem Antrieb. Zuerst sollte die Sattelzugmaschine im September erscheinen, dann war von Ende Oktober die Rede. Noch Mitte November 2017 schrieb Musk auf Twitter, der Semi könne sich "in einen Roboter verwandeln, gegen Aliens kämpfen und einen höllischen Latte Macchiato machen."

Sollte am Ende also doch alles nur ein Witz sein? Nein. Nach der Enthüllung der ersten Daten ist klar, dass Tesla es ernst damit meint, die Lkw-Welt von hinten aufrollen zu wollen. Der erste namhafte Kunde ist ebenfalls bereits bekannt – die litauische Großspedition Girteka.

Vier E-Motoren, 800 Kilometer Reichweite

Zunächst einmal zu den offensichtlichen Eckpunkten: Beim Tesla Semi handelt es sich um eine Sattelzugmaschine der amerikanischen "Class 8". Damit darf der E-Lkw samt Trailer maximal 36 Tonnen wiegen – und kommt den europäischen Schwerlast-Lkw so schon recht nahe. Auch auf die US-typische Haube verzichtet der Tesla-Truck weitestgehend: Seine Front steigt in einem steilen Winkel an, die hinteren Räder sind abgedeckt. Der Fahrer sitzt mittig im Cockpit und ist von zwei großen Touchscreens umgeben, die automatisch mit einem Flottenmanagementsystem verbunden sind. Die in zwei Größen für den Fern- und Verteilerverkehr aufgefahrene Kabine lässt dank riesiger Fensterflächen eine gute Sicht nach vorne und zur Seite zu. Außergewöhnlich ist das Design des Semi allemal – Musk hat also kaum übertrieben, als er den Lkw als "unwirklich" bezeichnete.

In der heutigen Nutzfahrzeugwelt zumindest unkonventionell kommt auch die Technik und die Präsentation des Semi daher: Musk betonte zunächst, dass der Semi ohne Trailer innerhalb von fünf Sekunden auf 60 Meilen pro Stunde (umgerechnet ca. 96 km/h) beschleunigt. Bei einer dauerhaften, fünfprozentigen Steigung könne der Lkw ein Tempo von über 100 km/h halten. Schaltvorgänge seien im Tesla Semi nicht nötig, ein Getriebe sei nicht an Bord. Als maximal mögliche Reichweite des E-Trucks nannte Musk 500 Meilen, umgerechnet gut 800 Kilometer – und das voll ausgeladen bei hohem Tempo auf der Autobahn. Innerhalb von 30 Minuten lasse sich die Batterie des Semi mittels spezieller "Megacharger" soweit aufladen, dass der Lkw wieder knapp 650 Kilometer zurücklegen könne. Dies könne an der Laderampe oder während der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen geschehen, so Musk. Vier unabhängig arbeitende E-Motoren würden an jedem Rad der beiden hinteren Achsen zum Einsatz kommen. Konkrete Leistungsdaten zu den Triebwerken und der eingesetzten Batterie machte der Tesla-Chef nicht, nur so viel: Abgeleitet seien die E-Motoren vom Tesla Model 3, voll ausgeladen benötige der E-Truck weniger als zwei Kilowattstunden an Energie pro Meile (ca. 1,6 Kilometer).

Tesla Semi Foto: Tesla
Bildschirme statt Instrumente im Cockpit

Auto Pilot serienmäßig

Auch beim Tesla Semi legt Musk großen Wert auf die Sicherheit: Jeder Lkw, den Tesla verkaufe, werde einen Auto Pilot serienmäßig an Bord haben. Der Truck werde im Notfall automatisch bremsen, Fußgänger erkennen und in der Fahrspur bleiben. Insgesamt garantiere er, so Musk, dass der Tesla Semi eine Lebenszeit von rund 1.600.000 Kilometern aufweise. Wenn man die Total Costs of Ownership (TCO) heranziehe, sei der Elektro-Lkw dazu pro Kilometer gerechnet günstiger als ein konventioneller Diesel-Lkw. Das treffe besonders dann zu, wenn er im Konvoi unterwegs sei – der Semi sei platooning-fähig, so Musk.

Die Konkurrenz schläft nicht

Um diese Daten in einen Kontext zu setzen, muss man nur auf die jüngsten Enthüllungen der künftigen Tesla-Mitbewerber blicken: Der Schweizer Umrüstspezialist E-Force-One präsentierte kürzlich den vollelektrischen E44 – eine Sattelzugmaschine auf Iveco Stralis-Basis, die mit einer maximal 310 kWh fassenden Batterie 300 Kilometer weit kommen soll. Die Daimler-Tochter Fuso machte auf der Tokyo Motorshow mit dem "Vision One" auf sich aufmerksam. Der schwere Verteiler-Lkw kann laut Hersteller innerhalb der nächsten vier Jahre in Serie gehen, speichert in seinen Akkus 300 kWh und soll mit einem maximalen Gewicht von 23 Tonnen zirka 350 Kilometer weit fahren können.

Für Tesla zunächst von größerem Interesse dürfte die US-Konkurrenz in Form von Cummins und Nikola sein. Rein elektrisch kann der schwere Verteiler-Truck des Dieselspezialisten Cummins eigenen Angaben zufolge 160 Kilometer zurücklegen. Möglich macht das eine 140-kWh-Batterie, die optional mit einem Verbrennungsmotor als Reichweitenverlängerer während der Fahrt geladen werden kann. Nikola wiederum setzt auf die Brennstoffzelle und möchte mit seinen schweren Lkw One und Two, die im Jahre 2021 die Serienreife erreichen sollen, Reichweiten von 1.300 bis 1.900 Kilometern erreichen. Was die E-Motoren anbelangt, arbeiten die Amerikaner mit Bosch zusammen.

Musk unter Zugzwang

Die Kooperation mit dem deutschen Zulieferer beweist auch: Realitätsfern sind die Konzepte von Nikola, Cummins, Fuso und E-Force-One allesamt nicht. Ob das ebenso auf den neuen Tesla E-Lkw zutrifft, den man ab sofort schon für 5.000 Dollar pro Fahrzeug reservieren kann? Elon Musk wird das bis zu dem von ihm kommunizierten Marktstart des Semi im Jahre 2019 erstmal beweisen müssen – und zwar auf der Straße. Und nicht nur auf Twitter.