EnBW: Burgstahler über neue Ladetarife „Mehr Transparenz im Tarif-Dschungel“

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Als einer der ersten Stromanbieter rechnet EnBW an Ladesäulen per kWh und nicht mehr nach Zeit ab. Marc Burgstahler, Leiter E-Mobilität, erklärt die Hintergründe und was EnBW für Fuhrparks bietet.

EnBW startete im März einen neuen Ladetarif mit exakter Abrechnung des Stromverbrauchs. Was waren die Beweggründe?

Während sich die Kunden Transparenz wünschen, herrscht an deutschen Ladesäulen bisher ein wahrer Tarif-Dschungel aus unterschiedlichsten Tarifkonstruktionen. Mit unserem neuen Tarif schaffen wir als erster Anbieter eine reine Abrechnung auf kWh-Basis. E-Auto-Fahrer bezahlen dann nur noch die tatsächlich geladene Strommenge, es fallen keine weiteren Kosten an. Dieses Preismodell ist für Verbraucher einfach und transparent. Vergleiche wären so jederzeit möglich, würde der Markt sich ebenfalls in diese Richtung bewegen.

Wenn exakt abgerechnet wird, sind die Ladesäulen dann mit den für das Eichrecht vorgesehenen Messgeräten ausgestattet? Für Schnellladesäulen gebe es noch ­keine Messgeräte, so hört man.

Unsere Messeinrichtungen messen auf die dritte Nachkommastelle genau. Uns fehlt, wenn man so will, nur noch der offizielle Stempel der Landeseichbehörde. Und mit dieser stehen wir bereits in einem engen Austausch. Entscheidend ist, dass unsere Hardware genaue Messwerte liefert. Diese werden entweder durch MID-konforme Zähler oder – im Bereich DC – durch sogenannte Betriebsmessmittel erhoben. Daher sind wir schon heute in der Lage, eine transparente und verbraucherfreundliche Abrechnung, basierend auf der geladenen Strommenge, anzubieten.

Lesen Sie auch Charge Here Ladesystem von Charge Here Zentrale Schaltstelle statt Wallboxen Kann EnBW innerhalb des neuen Tarifsystems eine exakte Abrechnung der Strommenge auch an Fremdladesäulen gewährleisten?

Im Roaming arbeiten wir mit unterschiedlichen Roamingpartnern zusammen, die uns die entsprechenden Verbrauchsdaten zur Verfügung stellen. So spielt es für unsere Kunden keine Rolle, bei welchem Ladesäulen­betreiber innerhalb des EnBW-Laderoamingnetzes sie ihr E-Fahrzeug aufladen. Auch dort wird in unserem Tarif zum gleichen Preis ausschließlich nach Kilowattstunde abgerechnet.

Vielfahrer zahlen mit dem neuen ­Tarif an der Schnellladesäule 39 Cent pro kWh. Ganz schön happig. Auf 100 ­Kilometer umgerechnet, kämen Autofahrer demnach mit einem VW E-Golf teurer weg als mit einem Golf mit Diesel- oder Erdgasantrieb. Auch für grüne Flotten spielen Kosten eine Rolle. Müsste der Strom – auch an der Schnellladesäule – nicht auf dem Niveau des Haushaltstarifs liegen?

Wir sprechen hier von normalen kWh-Preisen mit einem kleinen Aufschlag für den Aufbau einer bundesweiten Ladeinfrastruktur sowie digitaler Services. Im Vielladertarif mit geringer monatlicher Grundgebühr von 4,99 Euro liegt der Preis für das Normal­laden im Übrigen bei 29 Cent pro Kilowattstunde. Zudem baut die EnBW einerseits flächendeckend in Deutschland die Ladeinfrastruktur aus und sorgt dafür, dass sie reibungslos funktionieren. Andererseits bieten wir bei der EnBW umfassende Serviceleistungen für E-Auto-Fahrer und schaffen so einen einfachen Zugang zur Elektromobilität. Dazu gehört vor allem unsere EnBW-Mobility+-App, mit der E-Mobilisten freie Ladepunkte finden, sich dorthin navigieren lassen können, den Ladevorgang starten und direkt auch bezahlen – alles in einem.

Was passiert, wenn ich nach dem Vollladen noch ein paar Minuten auf dem Ladeplatz angeschlossen stehen bleibe?

Wir bieten Kunden einen fairen Tarif und erwarten andersherum auch Fairness von unseren Kunden unterein­ander. Ladeinfrastruktur ist kein Parkraum. Dessen müssen sich alle bewusst sein. Daher rufen wir unsere Kunden ausdrücklich dazu auf, schnellstmöglich nach Beendigung eines Ladevorgangs den jeweiligen Ladepunkt für andere freizugeben. Dazu erhalten sie auch eine Erinnerung über die EnBW-Mobility+-App.

Marc Burgstahler EnBW Leiter Elektromobilität Foto: Thomas Niedermüller
Marc Burgstahler ist seit etwa 25 Jahren bei der EnBW tätig.
Großabnehmer zahlen für Industriestrom deutlich weniger als Privathaushalte. Gibt es für Fuhrparks solche Rabatte auch an EnBW-Ladesäulen oder andere Großkundenkonditionen?

Die EnBW bietet Flottenbetreibern und Großkunden umfassende und teils sehr individuelle Ladelösungen für jede Situation. Dazu gehört zum Beispiel das Laden an Unternehmensstandorten, unterwegs oder auch bei Mitarbeitern zu Hause. Dabei geht es immer um Gesamtlösungen und nicht um Tarife allein. Auf der anderen Seite liegt es nahe, dass wir einem Flottenbetreiber, der für eine große vollelektrische Fahrzeugflotte ausschließlich auf unsere Lösungen setzt, auch hier ein individuelles Angebot unterbreiten werden.

Unterstützt EnBW bei Installation der Ladeinfrastruktur am Unternehmensstandort?

Klares Ja! Selbstverständlich profitieren auch unsere Kunden von unserem Wissen und unseren Möglichkeiten bei der Planung und Implementierung eigener Ladeinfrastrukturlösungen. Dazu gehören beispielsweise auch von uns entwickelte, flexible Ladelösungen über mehrere Parkplätze hinweg.

Bieten Sie auch die passende Software, um beispielsweise Lastspitzen beim Laden mehrerer E-Autos zu verhindern?

Die Frage, wie Flotten sinnvoll elektrifiziert werden können, beschäftigt derzeit nahezu alle Unternehmen. Wir bieten dazu bedarfsgerechte Lösungen von der einfachen Installation von Lade­infrastruktur bis zur Implementierung intelligenter Ladeinfrastruktur inklusive Abrechnungssystematik und Lastmanagement. Die Basis dafür bilden unsere eigenen Erfahrungen beim Aufbau und Betrieb einer großen E-Flotte, die auch attraktive Mitarbeiterangebote beinhaltet. So haben wir aktuell rund 160 Elektrofahrzeuge im Pool und bauen den Bestand kontinuierlich aus. Zudem fahren über ein besonderes Leasingangebot derzeit 180 unserer Kolleginnen und Kollegen einen BMW i3 im EnBW-Design.

Als neutraler Beobachter bekommt man manchmal den Eindruck, der Ausbau der Ladeinfrastruktur laufe ungeplant. Arbeiten Energiekonzerne, Autobauer und die diversen Start-ups zu isoliert ­voneinander?

Der Markt wird zusehends für verschiedene Teilnehmer attraktiv und bewegt sich schnell. Auch wir sind an vielen verschiedenen Stellen aktiv. Deshalb ist die EnBW-Tochter Netze BW als erstes Unternehmen der Energiebranche dem Automobilverband VDA und auch der Forschungsvereinigung Automobiltechnik innerhalb des VDA beigetreten. EnBW und Netze BW sind zudem aktive Mitglieder im Strategiedialog Automobilindustrie des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Im Projekt Safesorgen wir als Konsortialführer mit mehreren Kommunen und Stadtwerken für eine flächen­deckende Bereitstellung von AC- und DC-Ladeinfrastruktur in Baden-Württemberg. Darüber hinaus stehen wir in engem Kontakt zu Automobilherstellern und Handelspartnern, um Elektromobilität für alle alltagstauglich zu machen. Dabei sehen wir auch politische Entscheidungsträger in der Pflicht. Sie müssen beispielsweise dringend notwendige Neuerungen im Bereich der Wohnungswirtschaft auf den Weg bringen, um den für Verbraucher wichtigsten Teil der Ladeinfrastruktur besser zu fördern: das Laden zu Hause.

Lesen Sie auch BMW i3 Ladesäule App für E-Auto-Interessenten Bereit fürs Elektro-Auto? Die Hersteller haben bereits viele neue E-Autos für die kommenden fünf Jahre angekündigt. Wie sieht unsere Lade­infrastruktur dann aus?

Unser Anspruch ist es, mit unserer Lade­infrastruktur immer einen Schritt vor dem Automarkt zu sein. E-Auto-Fahrer warten schon lange genug auf ihr Fahrzeug. Dann sollen sie nicht auch auf die Lademöglichkeiten warten müssen. Wir sehen uns sehr gut gewappnet, denn wir wissen, wann welcher Ladebedarf wo entsteht. So können wir früh reagieren. In Deutschland gibt es circa 14.700 konventionelle Tankstellen mit im Schnitt fünf Säulen, macht rund 70.000 Säulen. Dem stehen mehr als 40.000 Ladepunkte gegenüber, öffentliche wie auch halb öffentliche. Hinzu kommen all die privaten Ladepunkte an heimischen Stellplätzen. Sie sehen, die Autos können kommen, an den Ladepunkten scheitert es nicht.

Den Strom für den steigenden Bedarf müssen die Energiekonzerne bereitstellen. Ist das Netz darauf vorbereitet?

Netze BW befasst sich als Verteilnetzbetreiber sehr intensiv mit dem Thema und hat sich zur Aufgabe gemacht, das Netz optimal auf die anstehende Mobilitätswende vorzubereiten. Deswegen erforscht die Netze BW das Ladeverhalten von E-Auto-Besitzern in einem Modellprojekt, der sogenannten E-Mobility-Allee. So lässt sich herausfinden, wo unbekannte Probleme beim privaten Laden lauern. Zudem werden Erfahrungen gesammelt und Lösungen für eine intelligente Netzintegration und -steuerung im echten Leben erprobt.

Welcher Aufwand steht EnBW bevor?

Unabhängig davon investiert die Netze BW in den kommenden Jahren bis zu eine halbe Milliarde Euro in die bedarfsgerechte Verstärkung ihres Verteilnetzes. Neben der Belastung des Stromnetzes durch gleichzeitiges Laden steht oft die Frage nach einem steigenden Energieverbrauch im Raum. Auch hierzu ein paar Zahlen: Wenn eine Million E-Autos auf deutschen Straßen fahren, und davon sind wir noch weit entfernt, läge der Mehr­bedarf bei nicht einmal einem halben Prozent. Allein die ­Offshore-Windparks der EnBW können rechnerisch rund zwei Millionen Elektroautos pro Jahr versorgen.

Lesen Sie auch E-Mobilität Parkplatz Fuhrpark flotte laden ladesäule Wo es noch Zuschüsse gibt Fördergelder Ladestationen Damit E-Mobilität wirklich Sinn ergibt, muss Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energienkommen. Wo steht die EnBW heute und was passiert in Zukunft?

Die EnBW hat als erstes großes Energieunternehmen bereits 2012 die Weichen für eine regenerative Erzeugung gestellt. Seitdem haben wir unser Erzeugungsportfolio stark umgebaut und dabei den Anteil der erneuer­baren Energien massiv erhöht. Dieser sukzessive Umbau der Stromerzeugung braucht jedoch Zeit, er passiert nicht über Nacht. Wir arbeiten seit Jahren in aller Konsequenz daran und sehen uns hier auf einem guten Weg. An den von der EnBW betriebenen Ladesäulen wird zu 100 Prozent Ökostrom geladen. Nur so macht nachhaltige Mobilität Sinn.

Zur Person

Marc Burgstahler ist seit etwa 25 Jahren bei der EnBW tätig, darunter in leitenden Funktionen verschiedener Bereiche. Als Leiter Elektromobilität verantwortet er derzeit die gesamte Wertschöpfungskette von der Strate­gie über das Produktmanagement bis zum Vertrieb sowie dem Aufbau und Betrieb von Ladelösungen.