Euro-NCAP-Crashtest Spitzenwertung wird seltener

Foto: Euro-NCAP

Fünf Sterne im Crashtest von Euro-NCAP sind die Bestnote und der Standard, den alle Autohersteller anstreben. Zuletzt gab es jedoch vermehrt weniger Sterne und die von früher sind weniger wert.

Vor ziemlich genau sechs Jahren galt der damals neue Renault Mégane als sicherstes Auto aller Klassen in Europa. Die Sicherheitsorganisation Euro-NCAP bewertete ihn mit fünf von fünf möglichen Sternen und dem Topwert von 37 Punkten. Damals warb Renault damit, in allen Klassen Crashtestergebnisse mit fünf Sternen erzielt zu haben. Zu Recht, aber nicht dauerhaft. In diesem Sommer erhielt der Megane nur noch drei Sterne. Dabei dürfte die Sicherheitsstruktur über die Jahre kaum schlechter geworden sein. Aber die Spielregeln haben sich geändert.

Fast jährlich erhöht die Euro-NCAP-Organisation, der neben dem ADAC und der FIA unter anderem die Verkehrsministerien der wichtigsten EU-Staaten angehören, die Anforderungen. Seit 1997 gibt es Euro-NCAP. Damals genügten, neben einer guten Crashstruktur, die den Überlebensraum im Inneren des Fahrzeugs sichert, Airbags und ein aus heutiger Sicht relativer lascher Fußgängerschutz, um auf gute Werte zu kommen. 2001 kamen Gurtkraftbegrenzer hinzu, ab 2003 wurde die Sicherheit von Kindern im Auto mit bewertet. Daneben wurden die Anforderungen an die Karosserie schleichend verschärft.
NCAP folgte dem technischen Fortschritt in der Automobilentwicklung und machte Vorgaben. Anforderungen für den Fußgängerschutz, wie weichere und höhere Motorhauben beispielsweise, nehmen zwangsweise sogar Einfluss auf das Design der Fahrzeuge.

Immer mehr Größen beeinflussen das Testergebnis

Zudem werden Assistenzsysteme mitbewertet. 2012 genügte es in dieser Kategorie noch, wenn ESP serienmäßig an Bord war, um vier Sterne zu erreichen. Heute benötigen aktuelle Modelle neben dem ESP Gurtwarner auf allen Sitzplätzen und noch mindestens ein weiteres Assistenzsystem für die gleiche Wertung. Soll ein Modell fünf Sterne erhalten, braucht es zusätzlich zwei Assistenzsysteme wie Notbremsautomatik oder Spurhaltewarner. Dem Renault Mégane fehlen die Assistenten, weshalb er nur noch mit drei statt vorher fünf Sternen ausgezeichnet wurde. Zum vierten Stern fehlte nur eine Kleinigkeit. Die Prüfer monierten, dass die Anzeige für den Gurtwarner als Text im Display erscheint. Der Text wiederum war nicht in allen europäischen Sprachen verfügbar, was zum Punktabzug und somit zum Sternverlust führte. Inzwischen hat man nachgebessert und vier Sterne erhalten.

Aktuell bewerten die Prüfer die Sicherheit der Fahrzeuge in vier Kapiteln, den sogenannten Boxen. Die wichtigste ist die Box für Erwachsenensicherheit. Sie geht mit 40 Prozent in die Gesamtnote ein. Je 20 Prozent entfallen auf die Sicherheit von Kindern im Auto, den Fußgängerschutz und die Assistenten. Erreicht man nur in einem Kapitel nicht die für fünf Sterne nötige Punktzahl, ist die 5-Sterne-Wertung hin. Zuletzt wurden bei der Insassensicherheit die sogenannte Whiplash-Prüfung der Fondsitzbank, also der Schutz vor einer Überdehnung der Wirbelsäule beim Zurückprallen nach dem Crash, und das autonome Bremsen bis 50 km/h ergänzt.

Minis haben es schwer

Die gestiegenen Anforderungen haben Folgen. Galten bislang 5-Sterne als Pflicht für jeden Hersteller, erzielten in diesem Jahr auffallend viele Fahrzeuge nur vier oder gar drei Sterne, obwohl sich an der Karosserie gar nichts oder nicht viel geändert hatte. Während Kleinwagen wie der neue Skoda Fabia die erwartete Bestnote einfahren konnten, ist es eine Klasse tiefer quasi unmöglich geworden, noch auf fünf Sterne zu kommen. Weder Renault Twingo noch das Trio aus Toyota Aygo, Citroen C1 oder Peugeot 108 schafften die Bestnote. Allesamt erhielten sie vier Sterne. Damit dürfte sich demnächst auch der neue Smart begnügen müssen, ist er mit dem Twingo doch technisch sehr verwandt. Auch Nissan Note, Opel Adam oder Mitsubishi Spacestar erhielten vier Sterne. Für den Suzuki Celerio gab es nur drei Sterne.

Noch 2011 hingegen hatten die Kleinstwagen VW up oder Toyota iQ 5-Sterne-Werte erhalten. Damals genügte dem Up allerdings das Vorhandensein des noch nicht vorgeschriebenen ESP für die nötige Punktzahl im Kapitel Assistenten. Heute würde er damit maximal drei Sterne erhalten. Die Vergleichbarkeit der Sternewertungen über mehr als ein oder zwei Jahre ist nicht mehr gegeben und was gestern noch richtig gut war, kann heute schon deutlich schlechter abschneiden, ohne deshalb bei der Kernkompetenz, der passiven Insassensicherheit, unbedingt schlechter zu sein.

Kleinstwagen haben aktuell kaum Chancen auf fünf Sterne

Kleinstwagen haben aktuell keine realistische Chance auf die Höchstnote. Um in die Wertung einzugehen, müssen Assistenzsysteme serienmäßig eingebaut sein oder eine große Marktdurchdringung haben. Im preissensibelsten Segment dürfte es allerdings schwierig sein, die dazu nötigen Aufpreise zu erzielen. Was beispielsweise beim Ordern einer Oberklasselimousine nur ein Häkchen in der Optionsliste mehr ist und preislich prozentual kaum ins Gewicht fällt, macht bei einem Kleinwagen gleich 20 oder 30 Prozent des Basispreises aus. Nothalteassistenten beispielsweise bedingen das Vorhandensein eines Radarsystems oder entsprechender Kameras, die auch im Dunklen arbeiten.

Rudolfo Schöneburg, bei Mercedes für die passive Sicherheit der Modelle verantwortlich, schätzt, dass es noch mindestens eine ganze Fahrzeuggeneration, also sechs bis acht Jahre dauert, ehe sich die Assistenten, die gerade in der Kompaktklasse Fuß fassen, auch bei Klein- und Kleinstwagen durchsetzen. Solange gibt es für Fahrzeuge dieser Größen nur schwer fünf Sterne zu gewinnen. Dass dürfte auch so bleiben, denn die Organisation von Euro-NCAP hat bereits die nächsten Verschärfungen angekündigt. In drei Jahren wird man auch eine automatische Fußgängererkennung und einen Assistenten, der auf querenden Verkehr achtet, an Bord haben müssen, um 5-Sterne zu bekommen.

Auf anderen Kontinenten gelten übrigens ähnliche Regeln, aber die Ergebnisse fallen mitunter deutlich anders aus. So wurde beim indischen Crashtest zuletzt Nissan-Tochter Datsun gebeten, ein neues Modell vom Markt zu nehmen, weil es einfachsten Stabilitätsanforderungen nicht genügte. Dort wäre man froh, wenn die meisten Autos drei Sterne hätten.