Mit der Giulia kehrt eine alte Bekannte zurück. Ihr steht allerdings ein schweres Erbe bevor. Sie soll den Mythos Alfa Romeo wieder aufleben lassen und BMW 3er-Fahrern den Kopf verdrehen.
Irgendwo auf der italienischen Landstraße zwischen Mailand und dem Lago Maggiore. Zwischen den fransigen Buschzipfeln am Straßenrand schimmern Blaulichter durch, der Carabinieri winkt uns höflich raus. Die Frage nach den Papieren scheint nur eine obligatorische Floskel. Wir suchen die Dokumente zusammen, aber der Polizist winkt sie letztendlich ungesehen wieder ab. Seine Blicke gelten nur den Kurven unserer Giulia, während sein Kollege nach jedem Meter ums Auto schleichend "bellissima" aufschreit.
Für ganz Italien, aber vor allem für Alfa selbst bedeutet die Neuauflage der Giulia auch ein Neustart der Marke. Die Giulietta läuft nicht wirklich gut, der Mito ist schon ziemlich alt, der 4C ein klasse Auto, aber nur eine Randnotiz auf dem Automobilmarkt. Mit der Giulia greift Alfa nun ausgerechnet im prestigeträchtigen Mittelklasse-Segment an. Im deutschen Flottenmarkt bringen sich die Italiener mit 25 neuen Fleet Business Centern in den Ballungsräumen in Position. Und die Italiener denken weiter. Über das Fiat-Chrysler-Vertriebsnetz will Alfa auch auf dem US-Markt und in China durchstarten. Keine leichte Aufgabe, auch weil die Giulia ausschließlich in Italien gebaut wird.
Zum Jahreswechsel folgt ein SUV
Die Giulia ist das erste Alfa-Modell, das auf einer ganz neuen Plattform steht. Auf der basieren künftig alle Modelle der Marke. Auch ein SUV zum Jahreswechsel, das steht fest. Ein Kombi? Ist noch in der Schwebe. Schön wär's. Der 159 Kombi war ja auch ein Erfolg. Bleiben wir aber bei der Limousine. Die rollt im Juni zu den Händlern und kann im Internet bereits fleißig konfiguriert werden.
Für 27.815 Euro netto bekommt man den Einstiegsdiesel mit 136 PS. Die leistungsstärkeren Versionen des selbst entwickelten 2,2-Liter-Selbstzünders mit 150 und 180 PS starten ab 28.655 Euro beziehungsweise 31.428 Euro. Alle mit Sechsgang-Handschaltung. Gegen 1.890 Euro Aufpreis gibt’s eine Achtgang-Automatik. Im Herbst folgt ein 210-PS-Diesel mit Allradantrieb und der höheren Ausstattungsvariante Veloce. Fernab jeder Dienstwagenrichtlinie steht die Topversion Giulia Quadrifoglio mit 510 PS starkem V6-Biturbo unter der Haube. Nur damit Sie mal davon gehört haben. Benzinerseitig schiebt Alfa im Herbst einen 200 PS starken Zweiliter-Turbo nach, der dann etwas später um eine 280-PS-Variante ergänzt wird.
600 Euro günstiger als ein BMW 3er
Kleines Rechenspiel mit dem 150 PS starken BMW 318d. Listenpreis: 29.243 Euro. Der gleichstarke Alfa kostet nur knapp 600 Euro weniger. Die große Frage lautet also: Ist die neue Giulia ihr Geld wert? Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Alfa versucht die Autofahrer mit sportlicher Eleganz zu begeistern. Der riesige Kühler und die unteren seitlichen Lufteinlässe machen jedenfalls Eindruck. Von der Schnauze bis zum Heckdeckel wirkt das Design in sich stimmig. Tür auf und rein in die gute Stube. Es dauert ein bisschen länger als normal, bis wir eine passende Sitzposition auf den weichen Ledersitzen finden. Das mag auch an der kurzen Sitzfläche liegen. Die Mittelkonsole verläuft leicht diagonal und die Armaturentafel ist zum Fahrer geneigt.
Alfa hat sich sichtlich viel Mühe gegeben, dem Fahrer einen ordentlichen Arbeitsplatz zu bieten. Auf Tasten und Knöpfe verzichten die Italiener weitestgehend. Hauptbedienelement ist ein Drehdrücksteller vor der Schaltkulisse, wie wir ihn von den deutschen Herstellern her kennen. Über den steuert der Fahrer das Menü auf dem 8,8 Zoll großen Bildschirm, welchen Alfa geschickt ins geschwungene Armaturenbrette eingearbeitet hat. Alternativ setzt das System Kommandos per Sprachansage um. Auf einen Touchscreen verzichtete Alfa hingegen. Alfistis werden es verschmerzen, aber die Digital Natives? Zumal sich auch Smartphone-Inhalte nicht spiegeln lassen.
2.100 Euro für Connect 3D Nav mit 8,8-Zoll-Bildschirm
Ein Lob gibt es für die leicht verständliche Menüstruktur. Und der Bildschirm ist breit genug, um als Splitscreen zwei Inhalte gleichzeitig anzuzeigen. Mit 2.100 Euro ruft Alfa für das Infotainmentsystem Connect 3D Nav samt TomTom-Navigation aber auch einen stolzen Preis auf. Gut gelöst und simpel zu handhaben ist ebenfalls der Drehregler für das Radio neben dem Drehdrücksteller.
Und wie sieht es mit der Materialanmutung aus? Tasten und Knöpfe sind griffig und auch optisch einwandfrei. Armaturenträger, Türverkleidung, Mitteltunnel: Überall dort, wo die Hand öfters hingeht, ist auch geschäumter Kunststoff eingebaut. Zwischen zwei Ausstattungslinien kann der Kunde wählen: Giulia und Super. Wobei sich die Linie Super im Interieur im Großen und Ganzen nur durch eine Stoff-/Ledersitzgarnitur unterscheidet. Der große Premium-Sprung gelingt der Giulia erst mit dem Lusso-Paket (3.949 Euro). Dann ersetzt sie weite Teile des Kunststoffs durch feines Leder und spickt Details mit edlen Holzdekorleisten. Wie bei einem Rennwagen platziert Alfa die schwarze Motor-Startaste auf dem kleinen Sportlenkkrad.
Giulia mag es sportlich
Kurz angetippt und schon erwacht unser 180 PS starker Diesel. Zu Beginn noch leise säuselnd, zeigt sich der Selbstzünder nach einigen Metern von seiner ruhigen Seite. Stille war den Italienern ohnehin wichtig. Von Motor, Wind und Reifen dringen selbst bei Autobahnfahrten kaum Geräusche nach innen. Zuhause fühlt sich die Giulia auf der Landstraße, sie mag es sportlich. Das dünne Sportlenkrad lässt sich zwar sanft drehen und dennoch taucht die Mittelklasse punktgenau in Kurven ein. Die harten Dämpfer des Sportfahrwerks verstärken die enge Verbundenheit zum Asphalt. Harmonisch bewegt sich die Giulia. Trotz kilometerlanger Serpentinen macht sich bei uns Gelassenheit breit.
Zwei, drei, vier, zwei: Den knubbeligen Schaltknauf drücken wir bei jeder Kehre durch die kurzen Gassen. Stets wissend, dass die Giulia mit ihren 380 Nm Drehmoment am Kurvenausgang kraftvoll herausbeschleunigt. Dienstwagenfahrern, die reichlich Kilometer abspulen, sei die Achtgang-Automatik ans Herz gelegt. Sie schaltet flüssig und bringt mit 450 Nm sogar mehr Dampf auf die Hinterachse. Einziger Kompromiss: Hinterm Lenkrad schauen riesige Schaltwippen hervor, die gehören nun mal leider dazu. Die Carabinieri jedenfalls scheinen sich damit anfreunden zu können. Und Sie wissen ja nun auch wer gemeint ist, wenn demnächst der ein oder andere Mitarbeiter bei Ihnen auf der Matte steht und von einer Giulia schwärmt.