Mit dem 500L baut Fiat eine ganze Modellfamilie rund um den erfolgreichen Cinquecento auf. Im Flottengeschäft versprechen sich die Italiener besonders viel vom 20 Zentimeter längeren Fiat 500L Living.
Mach mal Pause – Außendienstler im Fiat 500L werden diese Einladung gerne annehmen, denn auf Wunsch lässt sich der kleine Van mit einer Kaffeemaschine bestellen. Einer Lavazza selbstverständlich, schließlich soll der 500L ebenso viel italienische Lebensfreude versprühen wie der kleine 500.
Der Cinquecento bietet allerdings nur die optische, nicht aber die technische Basis für die neue Modellfamilie, die Fiat seit Herbst 2012 rund um den erfolgreichen Stadtflitzer aufbaut. Der 4,14 lange und 1,66 Meter hohe 500L baut auf dem größeren Punto auf und soll Kunden ansprechen, die mit einem Mini Countryman liebäugeln, aber das Raumangebot eines Opel Meriva oder Citroen C3 Picasso brauchen. Beides, also Lifestyle und hohe Funktionalität, bietet der 500L auf kleinstem Raum.
Auf Wunsch zwei Extra-Sitze im Heck
Wenn es etwas rustikaler sein soll, fährt der 500L als Trekking im verplankten Offroad-Look vor. Auf Allradantrieb müssen Asphalt-Cowboys aber auch dann verzichten. Dienstwagenfahrer mit größerem Familienanhang können Kind und Kegel zudem in den um 20,5 Zentimeter verlängerten Fiat 500L Living packen, der auf Wunsch mit zwei weiteren Sitzen im Heck zu bekommen ist.
Optisch haben sich die Designer am Cinquecento orientiert. Seine Kulleraugen ähnlichen Scheinwerfer, die fließenden runden Formen und die peppige Farbgebung bis hin zum zweifarbigen Lackierung mit schwarzem oder weißem Dach versetzen bevorzugt Frauen in Verzückung.
Dass der 500L kein Auto von der Stange ist, zeigen die 33 Farbkombinationen für die Karosserie. Stahl- und Aluräder in unterschiedlichster Optik, Lenkräder in Schwarz, Beige oder Grau sowie diverse Farben fürs Armaturenbrett lassen weiteren Spielraum für Individualisierung.
1.000 Euro günstiger als europäische Konkurrenz
Abgesehen von seinem niedlichen Aussehen sprechen für den Fiat auch handfeste Argumente. Vorneweg der günstige Preis: Schon für 13.403 Euro bekommt man den 500L mit dem 95 PS starken Benziner. Der günstigste Diesel (85 PS) rangiert schon ein Ausstattungsniveau darüber und ist ab 16.428 Euro zu bekommen. Ein vergleichbarer Hyundai ix20 kostet ein paar Hunderter, europäische Konkurrenten wie Opel Meriva oder Peugeot 2008 gleich einen Tausender mehr.
Schon wegen des größeren Kofferraums wählen Fahrer eines Firmenwagens aber besser den größeren Living, selbst wenn sie keine Großfamilie im Schlepptau haben. Die im Boden versenkten Mini-Sitzchen (672 Euro) brauchen sie ja nicht zu bestellen.
Ab 17.689 Euro geht’s los. Dafür bekommt man einen Fünfsitzer mit fürstlichem Raumangebot für die Passagiere sowie einem stattlichen (560 bis 1.704 Liter) und variablen Heckabteil. Dank gerader Seitenwände, des in zwei Höhen verstellbaren Ladebodens, serienmäßig umklappbarer Lehne des Beifahrersitzes und beachtlichen 485 Kilo Zuladung ist er für alle Einsatzzwecke geeignet.
Sehr variabler Innenraum
Besonders praktisch ist seine asymmetrisch geteilte Rückbank. Jede Seite lässt sich separat verschieben, umklappen oder nach vorne wickeln, was eine sehr flexible Nutzung ermöglicht. Selbst in der vordersten Stellung mit maximalem Kofferraumvolumen sitzen Erwachsene hinten noch gut. Ist die Bank ganz nach hinten geschoben, können sie sogar die Beine gemütlich ausstrecken und genießen ein Raumangebot, mit dem kaum ein anderer Minivan mithalten kann.
Umso erstaunlicher, dass Fiat Fahrer und Beifahrer vernünftige Sitze verwehrt. Viel zu kurze Sitzflächen ohne vernünftige Oberschenkelabstützung sowie mangelhafter Seitenhalt nehmen jede Lust, lange Strecken zu fahren. Außerdem ist die Armauflage in der Tür für kleinere Menschen kaum erreichbar. Deshalb sollte man nicht den Aufpreis für eine Mittelarmlehne scheuen, sonst wird auch der rechte Arm schon nach kurzer Zeit schwer. Die Lehne gibt es im Paket mit elektrischer Lordosenstütze (327 Euro).
Unbequeme Sitze vorne
Fiat hat das Problem aber bereits erkannt. Fürs erste Facelift versprechen die Italiener bessere Sitze. Gut so, denn sonst gibt es wenig am Fahrkomfort des 500L Living auszusetzen. Der komfortabel abgestimmte Fiat nimmt Schlaglöcher mit italienischer Gelassenheit und fühlt sich am wohlsten, wenn man ihn nicht allzu sehr triezt. Im Stadtbetrieb lässt sich die Lenkung in den City-Mode versetzen. Das macht sie leichtgängiger, aber noch gefühlloser, als sie ohnehin schon ist, so dass der entsprechende Schalter getrost in Vergessenheit geraten kann.
Allzu viele andere Schalter finden sich sowieso nicht im aufgeräumten Cockpit. Zwar fährt der umfangreich ausgestattete 500L Living Pop Star mit Klimaanlage, Tempomat sowie bluetoothfähigem Touchscreen-Radio samt USB- und Aux-Anschlüssen vor. Interessanter ist aber die Version Lounge: Für nur 924 Euro Aufpreis bekommt man Klimaautomatik, Rückfahrkamera, Parksensoren und andere elektrische Helfer – ein richtiges Schnäppchen.
Viel mehr geht nicht, zumal Fiat sich in Sachen Assistenzsysteme knauserig gibt. In der Preisliste finden sich weder Spurhaltehelfer noch Totwinkelwarner oder Verkehrsschilderfassung. Lediglich einen bis 30 km/h aktiven Notbremsassistenten bietet Fiat im Paket mit dem Knieairbag für den Fahrer an.
Der neue 120-PS-Diesel überzeugt
Bei den Motoren enthält Fiat dem Käufer des langen 500L Basisbenziner und Erdgasversion vor (siehe Datenkasten Seite 50). Angesichts eines zulässigen Gesamtgewichts von fast 1,9 Tonnen lässt sich das aber leicht verschmerzen. Die beste Wahl ist sowieso der neue Diesel mit 1,6 Liter Hubraum. Laufruhig, leise und mit 320 Nm Drehmoment richtig antrittsstark ist er der passende Begleiter für lange Strecken. Kaum zu glauben, dass nur 120 Pferde unter der Haube mit den Hufen scharren. Auf feuchter Straße hat die Antriebsschlupfregelung allerhand damit zu tun, deren Kräfte zu zügeln. Das Euro-5-Aggregat begnügt sich bei normaler Fahrt mit rund sechs Litern und selbst Vollgasfetischisten bringen den langen Fiat 1.6 Multijet kaum über sieben Liter.
Mit besseren Sitzen könnte man also locker 700 Kilometer am Stück runterreißen, nach Italien beispielsweise. Aber eigentlich muss der Weg nicht mal über die Alpen führen. Mit der Lavazza-Espressomaschine (209 Euro) holt man sich Italien einfach an Bord.