Als Vorbote einer neuen, eigenständigen Designlinie soll Ladas neue Kompaktlimousine Vesta mit großzügiger Ausstattung und guter Preis-Leistung das Billig-Image des einzigen russischen Autobauers aufpolieren.
Ein Lada auf der Einkaufsliste der Flotten- und Fuhrparkbetreiber ist ungefähr genauso wahrscheinlich wie ein Dschungelcamp-Teilnehmer im Vorstandsmeeting. Doch die Russen wollen ihr Billigimage mit einer Reihe neuer Modelle und einheitlichem Design aufpolieren. Den Anfang macht die kompakte Stufenhecklimousine Vesta, die zu nach wie vor günstigen Preisen ab 10.496 Euro (alle Preise netto) viel Platz und eine ordentliche Grundausstattung bietet.
Alle neuen Lada-Modelle mit gleichem Markengesicht
Steve Mattin heißt der Mann, der Lada eine neue "Sichtbarkeit und Begehrlichkeit" geben will. Der ehemalige Mercedes-Designer und Volvo-Chefgestalter weiß, dass die Marke "ein paar Jahre nachholen muss". Folgten bisherige Modelle wie Niva, Granta oder Kalina keiner einheitlichen Linie, entwickelte der Brite nun das "X-Design" als neues, eigenständiges Kennzeichen aller künftigen Lada. Erstes Serienmodell ist der Vesta.
Weiß man es, ist das stilisierte X in der 4,41 Meter langen Stufenheck-Limousine auch irgendwie zu entziffern: an der Front in den beiden sichelförmigen Chromspangen, die Kühlergrill und Stoßfänger verbinden, in den zulaufenden Rücklichtern am Heck, in den Innenseiten der Türen oder den etwas willkürlichen Vertiefungen in den Karosserieflanken, die plötzlich einen – wenn auch nicht schöneren – Sinn ergeben.
Geräumig im Innenraum, großer Kofferraum
Vor allem aber erscheint der Vesta auf den ersten Blick als wohlproportionierte Limousine – was angesichts der bisherigen Modelle aus der Wolga-Stadt Togliatti schon bemerkenswert genug ist. Kaum weniger erstaunlich die Geräumigkeit. Vor allem im Fond bietet der Viertürer viel Beinfreiheit, die man so nur von Skoda-Limousinen kennt. Dazu kommt ein 480 Liter großer Kofferraum.
"Das Auto ist eigentlich viel zu billig", sagt Lada-Deutschland-Geschäftsführer Dieter Trzaska, womit der langjährige Statthalter der einzigen russischen Automarke mit Firmensitz in Buxtehude vor den Toren Hamburgs gleich zweifach Recht hat. Denn schon die Basisversion hat erstaunlich viel Ausstattung an Bord: von der Klimaanlage über Sitzheizung und Alufelgen bis zu Licht-, Regen- und Parksensoren hinten sowie Metalliclackierung. In der Top-Ausstattung Luxus (plus 840 Euro) gibt’s auch noch Klimaautomatik, Frontscheibenheizung, Multimedia-Touchscreen mit Rückfahrkamera und Smartphone-Anbindung dazu.
Viel Ausstattung aber schlecht verarbeitet
Andererseits zeichnen sich Materialien und Verarbeitung nicht gerade durch Hochwertigkeit aus. In der Frontscheibe spiegelt sich der Dämmstoff und der Fühl- und Klopftest offenbart viel billigen und wenig kratzfesten Kunststoff. Auch sicherheitstechnisch ist der Vesta nicht auf der Höhe der Zeit. Hinten gibt’s nur Trommelbremsen, statt der inzwischen üblichen sechs sind nur vier Airbags verbaut und Assistenzsysteme gibt es weder für Geld noch gute Worte.
Auch der erste Fahreindruck erinnert sehr an vergangene Zeiten. Ein 1,6-Liter-Benziner mit 106 PS verrichtet ohne Turbo nur widerwillig seinen Dienst. Die Eigenentwicklung von Lada kommt nur schwer auf Trab. Lange 12,8 Sekunden vergehen, bis der Vesta Landstraßentempo erreicht. Zumindest mit der automatisierten Version des Fünfgang-Schaltgetriebes (638 Euro), das dazu noch bei forciertem Einsatz bei jedem Schaltvorgang zum lästigen Kopfnicken nötigt und im Standardsprint eine ganze Sekunde raubt. Das Fahrwerk ist russisch-rustikal ausgelegt, schubbert locker über größere Schlaglöcher hinweg. Passend dazu die 17,8 Zentimeter Bodenfreiheit und die großen Radausschnitte, die offenbar den Straßenverhältnissen im Heimatland geschuldet sind.
Dort ist der Vesta schon seit letztem Jahr auf dem Markt und mit 55.000 Verkäufen für den angeschlagenen Lada-Konzern Avtovaz ein großer Erfolg. Auch in Deutschland, nach Kasachstan und Weißrussland immerhin drittgrößter Exportmarkt der Russen, rechnet Dieter Trzaska rechnet Dieter Trzaska noch mit 1.200 Fahrzeugen in 2017 – was immerhin schon mehr als eine Verdoppelung wäre. Zugleich würde der Vesta nach Jahrzehnten endlich den kleinen knorrigen Geländewagen Niva als meist verkauftes Lada-Modell in Deutschland ablösen. Für 2018, wenn die Kombiversion folgt, traut sich Trzaska sogar insgesamt 9.000 Autos zu.