Weniger Gewicht und eine revolutionäre Technik lautet die Devise für den neuen Range Rover Velar. Was das schicke Midsize-SUV kann, klärt der Fahrbericht.
Mit dem neuen Range Rover Velar schließen die Briten eine Lücke im Modellprogramm. Der Midsize-SUV ist 4,80 Meter lang und reiht sich oberhalb des kompakten Evoque und unterhalb des Range Rover Sport ein. Trotzdem lässt sich der Velar nur schwer in eine Klasse einordnen. Einen direkten Gegner hat er nicht. Er liegt eher zwischen einem Audi Q5 und Q7 oder einem BMW X3 und X5. Technisch basiert der Range Rover Velar auf der weiterentwickelten Plattform des Schwestermodells Jaguar F-Pace. Die dynamisch gezeichnete Karosserie besteht zu 80 Prozent aus Aluminium. Mit einem selbstbewussten Einstiegspreis von 47.395 Euro (alle Preise netto) für den kleinsten Diesel ist der schicke Brite wohl nur was für User-Chooser aus dem gehobenen Management. Die vielen Extras sind da noch nicht mit einberechnet.
Der Velar kann auch Gelände
Sein Haupteinsatzgebiet ist die asphaltierte Straße, doch abseits befestigter Wege beweist der Allradler das technische Know-how der Engländer in Sachen Geländegängigkeit. Der Velar wühlt sich prächtig durch mittelschweres Terrain, zwei Sperrdifferentiale und viele Fahrerassistenten unterstützen hierbei den Fahrer. Angefangen beim Kamerasystem mit 360 Grad Rundumsicht, einer Lenkwinkel-Darstellung im kontrastreichen Head-up-Display oder der Bergabfahrhilfe, mit der sich der Velar an einem Hang mit konstant niedrigem Tempo herunter hangelt. Für den richtig harten Offroad-Einsatz fehlt dem SUV jedoch eine Getriebeuntersetzung. Das ist aber bewusst so gewollt. Für solche Extremfälle weisen die Briten gerne auf den großen Ranger Rover hin, der die anspruchsvollen Aufgaben über Stock und Stein wesentlich besser erledigt.
Man sieht es den schmalen Scheinwerfern nicht an, sie sind aber mehr als nur ein markantes Designelement. Auf Wunsch steckt in ihnen eine geballte Ladung Technik. Bei den Matrix-LED-Scheinwerfern kommen zwei zusätzliche Laser für das Fernlicht zum Einsatz, die 550 Meter weit die Fahrbahn erhellen. Auch das Entern in den Velar ist außergewöhnlich. Beim Klick auf die Fernbedienung fahren die Türöffner elektrisch heraus und ziehen sich beim Anfahren wieder bündig ins Blech zurück. Das sieht noch lässiger aus als beim Jaguar F-Pace und schindet gewiss Eindruck vor Großstadt-Cafés. Beim kritisch eingestellten Tester wirft dieses aber Fragen auf. Was passiert nach einem schweren Unfall oder im Winter bei Gefriertemperaturen? Beides, so beruhigen die Briten, sei überhaupt kein Anlass zur Sorge. Nach einem Crash schießen die Griffe zusammen mit den Airbags pyrotechnisch hervor, so dass Rettungskräfte den Velar von außen öffnen können. Und bei bisherigen Winter-Tests sind solche Probleme nicht aufgetaucht. Die Türen sollen sich selbst bei eisigen Minusgraden noch mühelos öffnen lassen.
Revolution oder britisches Understatement?
Mit verschwenderisch viel Leder und einem aufs Wichtigste reduzierten Cockpit geht es im Innenraum edel zu. Die Verarbeitung ist bis in die kleinste Naht penibel und sauber. Die analogen Instrumente lassen sich im Velar auf Wunsch gegen ein hochauflösendes virtuelles Cockpit austauschen. Wer will, kann sich die Kartenansicht des Navis über die gesamte Breite des Instrumenten-Displays – ähnlich wie bei Audi – formatfüllend anzeigen lassen. Wenn dann noch der Navi-Bildschirm aus seiner Ruheposition herausschert, um sich dezent und leise in die Blickrichtung des Fahrers zu positionieren, klappt einem spätestens jetzt die Kinnlade herunter.
Allerdings ist dies nur der Beginn einer großen Show. Die geht weiter, wenn die glänzend-schwarze Mittelkonsole per Starterknopf zu einem zweiten, 10,2 Zoll großen Farb-Touchscreen erwacht. Über den berührungsempfindlichen Monitor, der den kompletten unteren Teil der Konsole einnimmt, lassen sich die Klimaautomatik, die beheizbaren Sitze samt diverser Massageeinstellungen oder die Audio- und Telefonfunktionen vornehmen.
Durchs Programm klicken und wischen, ist genauso einfach wie bei einem Smartphone. Da unterhalb des Displays nur noch sehr wenige Schalter übrig geblieben sind, übernehmen zwei analoge Drehregler die weiteren Fahrzeugeinstellungen. Und zwar mit jeweils unterschiedlicher Zuordnung. Je nachdem ob gerade die vielzähligen Allradoptionen oder die höhenverstellbare Luftfederung angeklickt wurde. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. An die logische Menüstruktur gewöhnt man sich schnell und möchte sie nicht mehr missen. Über kurz oder lang werden wir dieses Bedienkonzept bestimmt bald in ähnlicher Form auch bei anderen Premium-Herstellern vorfinden.
Recycling-Textilien zum Aufpreis von Leder
Das Raumangebot fällt um einiges größer aus als im Evoque. Vorne wie hinten stellt der Velar ein ordentliches Platzangebot bereit und packt in seinen Kofferraum mit 673 bis maximal 1.731 Litern ordentlich viel Gepäck rein. Wahlweise kann der Kunde anstelle von handschuhweichem Leder für das Interieur nun ebenso nachhaltige Textil-Materialien bekommen. Bei den Sitzpolstern im Flaggendesign des Union Jack erhalten beispielsweise alte Plastik-Getränkeflaschen eine neue Aufgabe und ein weiteres Leben.
Dass es sich um recyclte PET-Behälter handelt, sieht man den Velours-Sitzflächen nicht an. Gleiches gilt für die nachhaltigen Materialien an Cockpit, Armlehnen und den Türverkleidungen. Die extravaganten Stoffe in dezent gehaltenem Grau (Dapple-Grey) entwickelten die Briten zusammen mit den dänischen Textil-Designern von Kvadrat. Allerdings ist das extravagante Öko-Material nicht gerade günstig und liegt auf dem gleich hohen Preis-Level von allerfeinstem Windsor-Leder: In der Basisausführung sind dafür fast 2.600 Euro netto fällig.
Umfangreiche Motorenpalette
Drei Benziner und drei Diesel stehen für das Allrad-SUV zur Wahl. Alternative Antriebe wie einen Hybriden bietet Range Rover erst ab 2019 an. Dafür sind die Selbstzünder mit einer Leistung von 180, 240 und 300 PS so sauber wie es derzeit nur möglich ist und haben zur Senkung der Stickoxide eine Abgasnachbehandlung mit AdBlue und NOx-Speicherkat an Bord.
Der gefahrene Sechszylinder-Topdiesel gefällt mit einem seidenweichen Klang und bleibt auch unter Last angenehm leise. Vor allem aber sorgt der laufruhige Motor mit 300 PS und gewaltigen 700 Nm an Drehmoment für souveräne Fahrleistungen. Schon aus dem Drehzahlkeller geht der Velar D300 äußerst kraftvoll zur Sache. Bei Bedarf spurtet er in 6,5 Sekunden auf die 100er-Marke und rennt 241 km/h schnell. Doch bei all dem Fahrspaß dürfte der Normverbrauch von 6,4 Litern nur schwer zu schaffen sein. Nach unserer ausgiebigen Runde mit dem V6 quittierte der Bordcomputer eine Acht vor dem Komma.
Aber auch sonst überzeugt der Brite. Die Lenkung spricht präzise an und die Achtstufen-Automatik hat immer die passende Fahrstufe parat. Das adaptive Luftfahrwerk bietet mit seinen Verstellmöglichkeiten von Komfort bis Sport einen guten Kompromiss aus Federungssystem und Handlichkeit. Sensible Gemüter sollten jedoch die breiten 22-Zöller meiden. Mit den ausladend großen Reifen spricht der Velar ziemlich steif auf derbe Unebenheiten an – aber nur dann. Wesentlich besser sind dagegen die kaum kleineren Aluräder im 21er-Format. Sie bringen spürbar mehr Geschmeidigkeit und Ruhe ins Auto.
Wo wir schon bei den Extras sind. Ob exquisites Soundsystem, Panorama-Glasschiebedach oder adaptiver Tempomat mit Frontkollisionswarner: Der Range Rover Velar lässt sich umfangreich sowie individuell gestalten. Der gefahrene Topdiesel D300 beginnt bei 55.798 Euro. In der Grundversion ist das Leder oder gar die Recycling-Polsterung noch nicht inbegriffen. Hinzu kommen fünf Ausstattungslinien. Sie merken, zum hohen Grundpreis gesellen sich noch viele verlockende Details, die den Preis weiter in die Höhe treiben. Aber das ist bei den deutschen Premium-Herstellern wiederum nicht anders.