Mercedes Sprinter Vollgas versus Vernunft

Mercedes Sprinter 316 CDI Foto: Karl-Heinz Augustin 8 Bilder

Stimmt das: Wer schneller fährt, ist eher am Ziel? Eine Spritvergleichsfahrt mit zwei Mercedes Sprinter prüft, ob die Rechnung aufgeht.

Stefan hält Ausschau. Er trommelt mit den Fingern auf dem Lenkrad. Dann endlich sieht er es: das runde weiße Schild mit den fünf schwarzen diagonal verlaufenden Streifen. Der Freibrief für den rechten Fuß. Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben, Vollgas! Dabei sitzt er nicht etwa hinter dem Steuer eines Sportwagens, Stefan scheucht einen Transporter über die Autobahn. Einen Mercedes Sprinter 316 CDI genauer gesagt, mit langem Radstand und Hochdach. Gut 500 Kilo Gepäck auf der Ladefläche. Was der Redakteur im Auftrag unseres Vergleichstests tut, entspricht der Realität auf deutschen Straßen. Termindruck und zum Teil aberwitzig viele Lade- oder Abladestellen, die mit einer Tagestour erledigt werden wollen, zwingen Transporterfahrer vermeintlich zum Rasen. Doch bringt einen Vollgas wirklich früher ans Ziel? Und wie viel Sprit verraucht durch die Hatz unnötig in der Atmosphäre? Um diesen Fragen nachzugehen, schickt ecoFleet zwei identische Sprinter auf die Reise – insgesamt 655 Kilometer von Stuttgart nach Hohenkirchen bei Gotha und zurück.

Die Vorgabe: Stefan fährt, was das Zeug hält – im Rahmen des Erlaubten, versteht sich. Ich versuche, möglichst spritsparend unterwegs zu sein. Schnell kann jeder, damit das aber mit der verbrauchsarmen Fahrweise hinhaut, absolviere ich vorher ein Spritspartraining bei Fritz Großart. Der bringt seit 2006 Lkw-Fahrern bei, wie man den Geldbeutel des Chefs, gleichzeitig aber auch die eigenen Nerven schont. "Wer vorausschauend fährt, weiß immer, was auf ihn zukommt", erklärt er. An die 600 Fahrer zählen zu den Kunden von Großart Drive, wie seine Firma in Schleiden (Eifel) heißt. Großarts Grundregel: "Man muss einen Transporter wie einen Lkw fahren, nicht wie einen Pkw." Das Gewicht arbeiten lassen. Das heißt, frühzeitig vom Gas und das Auto rollen lassen – aber bitte niemals in den Leerlauf schalten!

Vorausschauend fahren bedeutet, drei, vier Autos nach vorne im Blick zu haben

Dass hohe Drehzahlen Sprit kosten, ist hinlänglich bekannt. Der Rat, rechtzeitig hochzuschalten, ist nicht neu. Doch geht es bergab, darf der Motor sehr wohl drehen. Schließlich hilft er so beim Bremsen und solange der rechte Fuß das rechte Pedal in Ruhe lässt, findet keine Einspritzung statt – ergo fließt kein Kraftstoff. Übrigens heißt vorausschauendes Fahren nicht nur, den direkten Vordermann zu beobachten. "Man muss drei, vier Autos nach vorne im Blick haben. Nur so bestimmt man seinen Fahrstil selbst und lässt ihn sich nicht vom Vorausfahrenden diktieren."

Um 8.14 Uhr geht unsere Sprit-Tour los. Als wir in Stuttgart-Möhringen auf die A 8 fahren, dauert es nicht lange und Stefan ist aus meinem Blickfeld verschwunden. Zwar gilt noch Tempo 120. Aber er dreht die Gänge aus, ich beschleunige sanft. Es herrscht dichter Verkehr. Auf der A 81 hinter Ludwigsburg wird es besser. Mein Tacho zeigt konstant 130. Tempomat ist verboten – die Großart'sche Schule untersagt die automatische Geschwindigkeitskontrolle, weil sie nur zwei Zustände kennt: Gas und kein Gas. Behutsam die Geschwindigkeit reduzieren oder das Pedal leicht anstellen, wie es im Fachjargon heißt, kann nur der Fahrer selbst. Der weiß zwar auch, wie man den Spritverbrauch kontrolliert, damit wir aber bei unserem Test exakte Daten bekommen, haben die beiden Sprinter das Mercedes- Telematiksystem Fleetboard an Bord.

Bleifuß zahlt sich nicht aus

Die personifizierte Karte in das Lesegerät gesteckt, funken die Transporter unentwegt Daten via GPRS ans Fleetboard-Service-Center. Dieses wiederum stellt die Daten im Internet zur Auswertung zur Verfügung: Wo befindet sich das Fahrzeug, wer fährt wie schnell und bremst wie oft. In Würzburg haben wir im Industriegebiet einen Zwischenstopp geplant. Als ich von der Autobahn abbiege, fädelt Stefan gerade wieder ein – bis hierher also kein nennenswerter Vorsprung. Am Wendepunkt in Hohenkirchen sind es gerade einmal 22 Minuten. Dabei könnte man angesichts der gähnenden Leere auf der A 70 und 71 meinen, die Fußballnationalmannschaft spiele gerade im WM-Finale.

Mein Endspiel auf der Rückfahrt vor den Toren Stuttgarts geht dann beinahe in die Verlängerung, gegen 17.15 Uhr tummeln sich Scharen von Pendlern auf der Autobahn. Stefan kommt genau 35 Minuten vor mir an. Kein großer Zeitgewinn auf dieser Distanz. Auf jeden Fall keiner, der einen Mehrverbrauch von fast vier Liter pro 100 Kilometer aufwiegt. Während er im Schnitt mit 13,9 Litern unterwegs war, brauchte ich lediglich zehn. Was bei einem Dieselpreis von 1,15 Euro netto bedeutet, dass Stefan für diesen Tagestrip 30 Euro mehr bezahlt – fast einen Euro pro eingesparter Minute. Hochgerechnet auf 40.000 Kilometer Jahresfahrleistung ergibt das die stolze Summe von 1.794 Euro. Er kratzt sich nachdenklich am Kopf. Bei diesen Zahlen sieht er für die runden weißen Schilder in Zukunft schwarz. 

Spritvergleich - So haben wir getestet

Zum Vergleich in Sachen Spritkonsum traten zwei identische Mercedes Sprinter 316 CDI (3,5 Tonnen zGG) an, jeweils mit langem Radstand und Hochdach. Beide Fahrzeuge waren mit halber Zuladung bestückt und mit dem Telematiksystem Fleetboard ausgestattet. Redakteur Thorsten Schönfeld hatte die Aufgabe, möglichst spritsparend zu fahren und absolvierte daher ein Spritspartraining. Kollege Stefan Cerchez holte alles aus dem Sprinter raus – natürlich nur dort, wo es erlaubt war.

Beide Fahrer haben sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen und Fahrzeitregelungen eingehalten. Während Schönfeld mit maximal 127 km/h unterwegs war, erreichte Cerchez 165 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 100 beziehungsweise 110 km/h. Die 655 Kilometer lange Testroute führte von Stuttgart über Würzburg nach Hohenkirchen bei Gotha und wieder zurück. Die Strecke enthielt Autobahn-, Landstra- Der Spritsparer: Thorsten Schönfeld ßen- und Stadtabschnitte.

Die Tour in Zahlen

Technische Daten Mercedes Sprinter 316 CDI
Hubraum (cm3) 2.143
Leistung (kW/PS) 120/163
NEFZ-Verbrauch (l/100 km) 8,4 D
Testergebnisse Schönfeld (spritsparend) Cerchez (schnell)
Strecke (km) 655 655
Fahrtzeit (h) 6:34 5:59
Spritverbrauch (l/100 km) 10,0 13,9
Spritverbrauch (l/absolut) 65,5 91,0
Kosten (pro 100 km/Euro) 11,50 13,90
40.000 km im Jahr/Euro 4.600 6.394
Ersparnis pro Jahr (Euro) 1.794