HDI-Gerling "Telematik führt zu weniger Schäden"

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Dr. Edgar Puls, Vorstandsmitglied der HDI-Gerling Industrie Versicherung, über den Einsatz von Telematik und die Auswirkungen auf den Versicherungsmarkt.

Die deutschen Kfz-Versicherer nahmen im vergangenen Jahr rund 24 Milliarden Euro Prämien ein. Davon entfielen rund 3,2 Milliarden ­Euro auf Flottenversicherungen. Doch die Versicherungen stehen unter Druck. Vor allem im Flottengeschäft zahlt die Branche trotz steigender Vertragszahlen drauf. Ein Ausweg könnte der Einsatz von Telematik sein.

Ein Blick auf die Zahlen der Versicherungen zeigt: Die Fuhrparkbranche ist derzeit ein Minusgeschäft. Warum ist das so?

Edgar Puls: Im Jahr 2014 haben die Flottenversicherer auf dem deutschen Markt je 100 Euro Prämieneinnahmen 107 ­Euro für Schäden und Kosten ausgegeben. Das Segment bleibt somit defizitär. Als Ursachen sehen wir zwei Aspekte: Zum einen ist der Bereich Kasko ein großer Treiber. Die Fahrzeuge werden hochwertiger, daher steigt trotz sinkender Schadenhäufigkeit die Schadenhöhe an. Bei einem normalen Blechschaden wurden vor zehn Jahren noch Karosseriearbeiten durchgeführt, wo heute Bauteile mit hochmoderner Technik ersetzt werden, beispielsweise Parksensoren, Abstandsradar, Kameras. Somit steigen im Schadenfall die Reparaturkosten.

Könnte sich das künftig durch entsprechende Telematiksysteme ändern?

Der richtige Einsatz von Telematik sowie allen anderen Fahrerassistenzsystemen in Fahrzeugen kann im Idealfall dazu führen, dass sich die Schadenquoten infolge sinkender Schadenhäufigkeiten reduzieren. Doch allein der Einbau dieser Technik reicht nicht aus. Telematiksysteme beispielsweise liefern lediglich Daten zum Fahrverhalten. Erst der intelligente und kontinuierliche Umgang mit den Informationen und die daraus gezogenen Konsequenzen führen zum Erfolg. Wenn diese in ein ganzheitliches Risikomanagement einfließen, können die Schadenquoten langfristig gesenkt werden.

Wie schätzen Sie mittelfristig die Entwicklung dieser Systeme ein?

Der langfristige Trend geht sicherlich zum vollautomatisierten Fahren. Bis es so weit ist, wird es allerdings noch einige Jahre dauern. Deswegen sehen wir die mittelfristige Entwicklung erst einmal hin zum teilautomatisierten Fahren.

Können Telematiksysteme die Effektivität einer Flotte steigern? Und wie wirken sie sich auf das Fahrverhalten aus?

Der Einsatz von Telematik in einer ­Flotte ist dann sinnvoll, wenn wir damit das Verhalten von Fahrern positiv beeinflussen können: weg von risikoreichen Überholmanövern oder abrupten Bremsvorgängen hin zu vorausschauendem Fahrverhalten. Das verringert nicht nur Verschleiß und Spritverbrauch, sondern erhöht auch die Sicherheit. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Schadenfrequenzen durch Telematiksysteme um 10 bis
20 Prozent gesenkt werden können.

Sind Telematiktarife in deutschen Unternehmensflotten durchsetzbar? Wie könnte ein solcher Telematiktarif aussehen, wie kalkuliert der Versicherer?

Ein reiner Telematiktarif für Flotten ist aus unserer Sicht derzeit nicht zielführend. Jede Flotte ist ja bereits ein überschaubarer Kreis von Fahrzeugen, für den wir die Prämie individuell kalkulieren. Vielmehr geht es um einen ganzheitlichen Ansatz, in den Telematik integriert ist. Das alleinige Ziel der Gegenfinanzierung von Telematik über reduzierte Versicherungsbeiträge wird unseres Erachtens nicht funktionieren.

Der "gläserne" Autofahrer rückt näher. Ist der Datenschutz in Gefahr?

Vor dem Einsatz von Telematik steht für Unternehmen die Auseinandersetzung mit den geltenden Datenschutzbestimmungen, was zunächst zu einigem Aufwand führen kann. Diese Hausaufgaben muss jedes Unternehmen im Einvernehmen mit allen Beteiligten, in der Regel mit den Betriebsräten und alle betroffenen Mitarbeitern, erledigen. Wir als Versicherer tun alles, um die Sicherheit von den zu uns gelangten Kundendaten zu gewährleisten.

Welche Daten werden erfasst?

Zur Minderung der Schadenfrequenz ist im Wesentlichen das Beschleunigungsverhalten relevant. Die Standortdaten mit Uhrzeiten sind dafür beispielsweise nicht von Bedeutung. In Logistikunternehmen spielen diese aber zur Disposition eine wesentliche Rolle.

Gibt es schon Erfahrungen aus dem ­europäischen Ausland?

Seit 2003 bietet unsere Londoner Niederlassung ein aus unserer Sicht wirkungsvolles Telematik-basiertes Riskmanagement an. Solche Produkte werden nur Flottenbetreibern angeboten, die dafür bereit sind. Das bedeutet aber nicht, dass das Versicherungsprodukt oder der Tarif von telematischen Daten abhängt. Es ist also kein Telematiktarif. In diese Richtung kann es auch in Deutschland gehen: Telematik zur Optimierung des Risk­managements. Das setzt aber immer die Bereitschaft des Kunden voraus, sich mit dem Thema Schadenverhütung und Fuhrparksteuerung intensiv zu beschäftigen.

Vernetzung, autonomes Fahren – wie sieht die Zukunft der Kfz-Versicherung aus? Beginnt ein neuer Abschnitt?

Die Inbetriebnahme eines Autos wird ­unserer Meinung nach immer mit einem gewissen Risiko einhergehen – egal ob es autonom fährt oder nicht. Ebenso bleibt der Bedarf an Versicherungsschutz bestehen – schließlich schützt die Technik nicht vor Hagel oder Diebstahl. Der Trend zum autonomen Fahren fordert ­eine Anpassung des Versicherungsbedarfs und unserer Produkte.