Hybridtechnik bei Bosch Doppelherz für die Kompaktklasse

Beim Segeln meldet sich der Verbrennungsmotor reibungslos ab und schaltet sich ohne jedes Rucken wieder zu, wenn der Fahrer auf das Kupplung- oder Gaspedal tritt. Foto: Bosch

Vor einem Jahrhundert brachte Robert Bosch mit dem von ihm optimierten Generator (auch Lichtmaschine genannt) Licht und Strom in die automobile Welt und ermöglichte so überhaupt erst elektrische Anwendungen vom Scheibenwischer bis zum Fensterheber.

Heute arbeiten seine Nachkommen an einem preiswerten Hybridsystem, das wahrscheinlich in rund drei Jahren den Antrieb in der Kompakt- und Mittelklasse elektrisieren wird. Mit ihrem "Boost Recuperation System" wollen die Bosch-Ingenieure die Lücke zwischen den einfachen Start-Stopp-Systemen und den aufwendigen Vollhybridantrieben schließen und setzen dabei auf eine sparsame Lösung.

Technik steht für preiswerte Elektrifizierung der Mittelklasse

"Diese Technik", so Wolf-Henning Scheider, Mitglied der Geschäftsführung bei Bosch, "steht für die preiswerte Elektrifizierung der Mittelklasse". Der Antrieb vereint vier Funktionen: Nutzung der Bremsenergie, die ansonsten nur die Umwelt aufheizt, Drehmomentunterstützung (+ 150 Newtonmeter) durch den zum Elektromotor mutierten Generator, eine reibungslose Start-Stopp-Funktion, wenn der Fahrer den Fuß vom Gaspedal nimmt, und die Möglichkeit des "Segelns". 

Als Basis dient ein Generator

Als Basis für den Hybridantrieb dient ein Generator, der über eine Leistungselektronik von zwölf auf 48 Volt aufgerüstet wurde und die Leistung der elektrischen Maschine vervierfacht. Die Energiespeicherung übernimmt eine Lithium-Ionen-Batterie, die 0,25 Kilowatt pro Stunde leistet. Insgesamt unterstützen die elektrischen Komponenten den Verbrennungsmotor mit bis zu 10 zusätzlichen Kilowatt.  Dadurch ist die rein elektrische Reichweite zwar stark eingeschränkt, doch eine größere Batterie würde die Technik deutlich teurer werden lassen.

Das neue 48-Volt-Bordnetz ist nach Angaben der Bosch-Ingenieure wesentlich leichter zu warten als die bei Vollhybridmodellen eingesetzte Hochvolt-Technik und kann außerdem auch für zusätzliche Sicherheits- und Komfortsysteme eingesetzt werden. Zudem soll jeder Mechaniker auch ohne spezielle Hochvolt-Ausbildung an dem System arbeiten können. Das Zwölf-Volt-Netz bleibt weiter parallel in Betrieb, weil so nicht  jedes Lämpchen auf 48 Volt umgerüstet werden muss. Deshalb arbeitet ein DC-DC-Wandler als Verbindung zum konventionellen Bordnetz.

Eingebaut in einen VW Passat zeigt sich der Bosch-Hybridantrieb in der Praxis von seiner problemlosen Seite. Beim Segeln meldet sich der Verbrennungsmotor reibungslos ab und schaltet sich ohne jedes Rucken wieder zu, wenn der Fahrer auf das Kupplung- oder Gaspedal tritt. Start-Stopp erfolgt ohne Anfahrschwäche, und wenn die zusätzlichen 150 Newtonmeter der elektrischen Fraktion mit einem deutlichen Tritt auf das Gaspedal abgerufen werden, kommt Dynamik ins Spiel. Tatsächlich arbeiten die einzelnen Elemente so harmonisch, dass man sich fragt, warum noch mindestens drei Jahre vergehen werden, bis die Technik in Serie gehen wird.

Doppelherz-Antriebskonzept

Dank des Doppelherz-Antriebkonzepts allein lassen sich nach Berechnungen der Stuttgarter bis zu 15 Prozent Treibstoff und damit auch CO2 einsparen, und wenn das Auto über den Asphalt „segelt“ kommen weitere zehn Prozent Reduktion hinzu, die allerdings im amtlichen europäischen Prüfzyklus nicht erfasst werden.

Die Bosch-Hybridtechnik lässt sich mit allen Motor- und Getriebevarianten -  Benzin und Diesel, Automatik oder Handschaltung -  kombinieren.  Das gilt auch für die zweite Neuentwicklung, den e-Clutch oder E-Kupplung, mit der die Bosch-Techniker eine weitere Lücke schließen. Hier geht es um das Ende des ständigen Wechselspiels zwischen Kupplung, Gas und Bremse, das vor allem im Stau unangenehm sein kann. Gleichzeitig gehört die Segelfunktion auch bei der elektronischen Kupplung zum Inventar. Der Motor wird abgeschaltet, wenn die Elektronik erkennt, dass der Fahrer den Fuß vom Gaspedal lupft. Der Spritverbrauch sinkt nach Berechnungen von Bosch um rund zehn Prozent. Rechnerisch ergibt sich bei einer Kombination von Hybrid und elektronischer Kupplung eine Einsparung von etwa 25 Prozent.

Im Stau oder beim Ampelstopp entfällt das Ein- und Auskuppeln, wenigstens so lange der erste oder zweite Gang eingelegt ist. Dann reichen Bremse und Gaspedal, um anzufahren und zu stoppen. Die schon jetzt seriennahe Technik ist wie der Hybridantrieb für die Kompakt- und Mittelklasse entwickelt worden und der Serie schon näher als die Hybridtechnik. Wann und in welchem Modell sie demnächst eingesetzt wird, wird von den Bosch-Verantwortlichen allerdings nicht verraten.

Der kombinierte Antrieb aus Verbrennungs- und Elektromotor ist für den Zulieferer kein Neuland: Bereits 1973 hatte das Unternehmen einen Ford Escort mit einem Hybridantrieb ausgestattet und Fachjournalisten vorgestellt. Danach verlief das Projekt jedoch im Sande, und der immerhin rund 1.400 Kilo wiegende Escort rollte ins Deutsche Museum.