Brennstoffzellenauto Hyundai Nexo im Test Wasserstoff-Dampfer

Hyundai Nexo 2020 Foto: Thomas Kueppers 23 Bilder

Problemlose Elektromobilität: Den fürs Brennstoffzellenauto Hyundai Nexo nötigen Wasserstoff gibt’s zwar nicht an jeder Ecke. Trotzdem eignet sich das Auto auch für Vielfahrer

Mal eben von Stuttgart nach Hamburg fahren? Mit einem Diesel oder Benziner kein Problem. Besitzer von Elektroautos müssen dagegen auf der 700-Kilometer-Tour längere Ladestopps einplanen. Da haben wir es mit dem Hyundai Nexo einfacher. Dessen E-Motor wird von einer Brennstoffzelle befeuert, und die braucht Wasserstoff, um Strom zu produzieren. Den Wagen zu betanken, dauert nicht viel länger als im Verbrenner.

Allerdings gibt’s Wasserstofftankstellen nicht an jeder Straßenecke. Seit unserer letzten Brennstoffzellentour nach Oslo vor vier Jahren hat sich aber einiges getan. Damals mussten wir schon mal 200 Kilometer Umweg fahren, weil eine Station gewartet wurde. Heute listet die H2-App 84 Tankmöglichkeiten in Deutschland auf, weitere 20 stehen kurz vor der Eröffnung. Würzburg, Kassel, Hannover – allein auf unserer Route liegen vier dicht an der Autobahn.

Das ist zwar noch weit von den 200 Anlagen entfernt, die eigentlich schon seit Jahren stehen sollten. Doch der Bund hat eben erst im Corona-Konjunkturpaket neun Milliarden Euro eingeplant, um grünen Wasserstoff herzustellen. Bevorzugt für Industrieanlagen und Flugzeuge, aber ebenso für den Schwerlastverkehr. Es dürfte also in absehbarer Zeit deutlich mehr Wasserstoffzapfanlagen geben.

Hyundai Nexo 2020 Foto: Thomas Kueppers
Auch der Kofferraum ist groß genug. Wird die Lehne nach vorne geklappt, bekommt man eine ebene Ladefläche.

Also schnell das Gepäck im großzügigen Kofferabteil (461 Liter) untergebracht und die Kühlbox verstaut. Ups, kein 12-Volt-Anschluss im Heck? Zum Glück ist die Strippe lang genug, um sie durch die geteilte Rückbank nach vorne zu ziehen und dort einzustöpseln. Komisch eigentlich, denn ansonsten ist der Nexo bestens vernetzt: USB-Buchsen rundum, Ladeschale fürs Handy, Onlinezugang per WLAN-Hotspot, da fehlt nichts. Kann man ja auch erwarten von einem über 70.000 Euro teuren Auto.

Ist der Nexo deshalb solch ein Exot? Keine 100 Stück brachte Hyundai im ersten Halbjahr auf die Straße. An der Nachfrage lag’s jedenfalls nicht, eher am Nachschub. Wer sich für den Antrieb begeistert, darunter viele ökologisch orientierte Unternehmer, ist bereit, mehr zu bezahlen. Die Käufer nehmen sogar in Kauf, dass sich ihr Geschäftsfahrzeug wegen des hohen Preises weder für den Umweltbonus noch die reduzierte Dienstwagensteuer qualifiziert.

Video zum Thema
Ferngesteuert in die Lücke: So funktioniert der Parkassistent des Hyundai Nexo

Die Tanks sind voll und wir drücken die D-Taste auf dem riesigen Dashboard, das sich zwischen Fahrer und Beifahrer aufbaut. Erst mal verwirren die vielen Knöpfe. Doch dann ist die Logik erkennbar. Klima, Navigation, Fahreinstellungen – alle Funktionen sind in Blöcken zusammengefasst. Oben in der Kommandozentrale informiert der große Bildschirm, dass wir spätestens nach 543 Kilometern tanken müssen und wie weit die nächste H2-Station entfernt ist.

Glauben sollte man den Angaben aber nur, wenn sich das System per WLAN-Hotspot Onlinedaten zieht. Ansonsten nennt die Navigation auch Stationen, die längst abgebaut sind. Beispielsweise die der EnBW in Stuttgart. Da verlassen wir uns lieber auf die App von H2 Mobility.

Warum aber braucht der Nexo überhaupt Wasserstoff? Als Energiespeicher für die Brennstoffzellen, gebunkert bei 700 bar in drei Hochdruck-Gasflaschen unter dem Boden. Angetrieben wird der Wagen jedoch von einem 163 PS starken Elektromotor. Der bezieht

seinen Strom von der Brennstoffzelle, die ihn aus der Fusion von Wasserstoff und Sauerstoff herstellt. Wir erinnern uns an den Chemieunterricht: 2 H2 + O2 = 2 H2O plus lauter Knall.

Hyundai Nexo 2020 Foto: Thomas Kueppers
Entspannt rollt der Nexo.

Hier jedoch knallt nichts. Stattdessen surrt der Nexo leise Richtung Autobahn, pustet höchstens mal beim Beschleunigen kleine Wölkchen Wasserdampf hinten raus. Ganz praktisch: Beim Blinken poppt im Instrumentendisplay das Bild der Außenspiegelkameras auf, die den toten Winkel filmen. Auch die beiden Paddles am Lenkrad sind sinnvoll. Darüber regelt der Fahrer die Rekuperation in drei Stufen. Auf der Autobahn rollt der 4,67 Meter lange SUV frei, bergab oder im Stadtverkehr nutzt er die Motorbremse, um die 1,56 kWh große Pufferbatterie zu laden. Sie unterstützt die Brennstoffzelle, wenn Leistungsspitzen anstehen.

Schnell zu fahren, ist kein Problem, der Verbrauch steigt weniger stark als im E-Auto

Entspannt rollen wir mit Tempo 120 gen Norden. Der Wind säuselt leise, sonst ist nichts zu hören. Irgendwie fühlt es sich an wie in einer großen Sänfte. Beim Überfahren von Querfugen schwingt das Fahrwerk kurz nach und macht klar, dass wir nicht in einem Sportwagen sitzen.

Hinter Heilbronn dann endlich freie Fahrt ohne Tempolimit. Den nervigen Drängler hinter uns lassen wir jetzt einfach mal stehen. Wie alle Stromer reagiert der Wagen spontan auf den "Gasfuß". 150, 160 km/h sind kein Thema für dieses Auto. Und im Gegensatz zu einem batterieelektrischen Auto geht die Reichweite auch nicht gleich in die Knie, wenn man mal schneller fährt.

Da die Tankstelle in Kassel gewartet wird, müssen wir schon nach 180 Kilometern in Biebelried rechts raus. Die verwaiste Total-Station liegt direkt an der Ausfahrt. Im Schnitt zwei, drei Brennstoffzellenautos tanken hier pro Woche, erfahren wir. Kein lohnendes Geschäft. Gut eine Million Euro kostet eine Wasserstofftankstelle. Es sind also gewaltige Investitionen in eine Technologie nötig, die bisher kaum den Weg auf die Straße findet. Erst kürzlich verabschiedete sich Daimler vom Brennstoffzellen-Pkw und stellte die Produktion des GLC F-Cell ein. Damit schießt der Konzern jahrelanges Engagement und milliardenschwere Entwicklungskosten in den Wind. Auch bei VW oder BMW steht die Technik nicht auf dem Antriebsportfolio. Einzig Honda, Toyota und Hyundai halten an der Brennstoffzelle fest. Hyundai will sogar Weltmarktführer werden, bis 2030 jährlich 500.000 Zellen für Fahrzeuge bauen. Der Nexo ist schon das zweite F-Cell-Auto der Koreaner.

Hyundai Nexo 2020 Foto: Hanno Boblenz
Tankstutzen wie beim Erdgasauto. Hier strömt auf 700 bar verdichteter, eiskalter Wasserstoff in die drei Tanks.

Laut zischend strömen 2,23 Kilo des etwa minus 40 Grad kalten, hochverdichteten Wasserstoffs in die Tanks des Autos. Kostenpunkt: knapp 20 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Macht 11,70 Euro Kraftstoffkosten pro 100 Kilometer. Daran soll sich auf den insgesamt gut 2.000 Testkilometern mit dem Hyundai wenig ändern. Bei umsichtiger Fahrweise kommt man auf rund 9, bei Dauertempo 160 bis 180 km/h auf etwa 12 Euro.

Weil die Zeit drängt, lassen wir den Hyundai bis zum nächsten Tankstopp in Hannover laufen. Wie immer verliert sich der Unterschied zwischen einem Diesel und einem E-Auto ab 140 km/h in den Windgeräuschen. Und im Vorwärtsdrang, denn bei schnellem Tempo geht dem Stromer die Puste aus. Trotzdem steuert der Nexo nach 6,5 Stunden in die Hafencity Hamburg. Mit einem Diesel wären wir kaum schneller gewesen, mit einem E-Auto nicht ökologischer gefahren. Sieht so die automobile Zukunft aus? Dann bitte schon morgen, nicht erst übermorgen.

So funktioniert der Antrieb des Nexo

Der 163 PS starke E-Motor bezieht seinen Strom aus 440 im Motorraum untergebrachten Brennstoffzellen. Dort findet eine umgekehrte Elektrolyse statt. Wasserstoff und Sauerstoff verbinden sich zu Wasser. Dabei entsteht elektrische Energie. Zudem ist im Boden des Kofferraums eine 1,56 kWh fassende Batterie verbaut, die als Puffer fungiert. Sie speichert den beim Bremsen, Ausrollen oder Bergabfahren gewonnenen oder vom E-Motor nicht benötigten Strom und unterstützt den Antrieb, wenn Leistungsspitzen anstehen.

Fakten zum Wasserstoff

Herstellung

Wasserstoff lässt sich mit viel Energie per Elektrolyse aus H2O herstellen. Stammt der Strom aus erneuerbaren Energien, spricht man von grünem Wasserstoff. Dazu kann man bspw. Windenergie nutzen, anstatt Windräder wegen Überproduktion abzuschalten. Grauer Wasserstoff dagegen entsteht, wenn er aus Erdgas gewonnen wird. Dessen Produktion verstärkt den Treibhauseffekt, da für eine Tonne H2 rund 10 Tonnen CO2 frei werden.

Transport und Speicherung

Flüssiger Wasserstoff wird in der Regel per Tankwagen transportiert, mit 45 bar verdichtet und auf minus 253 Grad abgekühlt. Beim Tanken wird H2 auf 700 bar verdichtet. Teilweise wird H2 auch schon hochverdichtet transportiert und gelagert. Beim Lagern verflüchtigt sich ein Teil des H2, was aber nicht schlimm ist. Denn das Gas wird oben in den Tanks gefangen und fürs Betanken der Fahrzeuge verwendet.

Tankstellennetz

In Deutschland ist H2 Mobility für den Ausbau des Tankstellennetzes verantwortlich. Bis Ende 2020 plant das Konsortium aus Mineralölgesellschaften, Autoherstellern und H2-Produzenten 100 Stationen in sieben Ballungszentren und entlang der Autobahnen aufzubauen. Mittelfristig ist ein Netz von 400 Tankstellen geplant.

Brennstoffzellenautos

Toyota Mirai 2020 Foto: Toyota
Toyota bringt die zweite Generation des Mirai Anfang 2021 auf den Markt. Er sieht deutlich gefälliger aus als das aktuelle Modell.

Außer dem Hyundai Nexo gibt es den Honda Clarity sowie den Toyota Mirai mit Brennstoffzellenantrieb. Der Mirai war wegen seines futuristischen Designs etwas umstritten. Der hier gezeigte Nachfolger (ab Ende 2020) fährt dagegen als schickes Sportcoupé vor und soll mit einem Tank 700 Kilometer schaffen.