Kaufberatung Alfa Romeo Giulia (2020) Forza Italia

Alfa Romeo Giulia 2020 Foto: Thomas Kueppers 25 Bilder

Kaufberatung: Der Alfa Romeo Giulia ist der Exot der sportlichen Mittelklasse. Mit neuen Business-Lösungen und mehr Assistenten soll das Modell jetzt aber stärker als Geschäftswagen punkten.

Armani oder Boss, Pizza oder Pommes? Das Geschmacksduell Italien – Deutschland lässt sich auch auf den Firmenwagen übertragen: BMW oder Alfa, deutsche Gründlichkeit oder "grandi emozioni"?

"Extrovertiert", "aufregend", "ein echter Alfa": Als die Giulia 2016 präsentiert wurde, applaudierte die Autowelt – und die Großkunden bestellten weiterhin fleißig BMW 3er, Audi A4 oder Mercedes C-Klasse. Mit Design und Emotionen gegen die hochgerüsteten Büromobile der Mittelklasse zu punkten, fällt einem so kleinen Importeur schwer. Im Flottenbusiness regiert schnöder Mammon, zählen Funktio­nalität, Leasingraten oder Restwerte mehr als Fahrgefühl und Leidenschaft. So konnte Alfa in Deutschland bisher gerade mal 6.500 Giulia auf die Straße bringen. Das schafft BMW mit dem 3er in einem Quartal.

Alfa Romeo Giulia 2020 Foto: Thomas Kueppers
Unten abgeflachtes Sportlenkrad mit ­griffigen Schaltern.

Doch zum Modelljahr 2020 zogen die Italiener nach. Wie man es von einem Geschäftswagen erwartet, fährt auch die Giulia jetzt mit vielen Fahrerassistenten und einem zeitgemäßen Infotainmentsystem vor. Mit aktivem Lenkeingriff nach Level 2 bleibt sie automatisch auf Kurs. Sie erkennt Verkehrszeichen, übernimmt Tempolimits, stoppt bei Stau und fährt selbstständig wieder an. Ihr Fahrer kann nach Belieben auf dem angemessen, aber nicht übergroßen Bildschirm herumtatschen, sich per Drag-and-drop ein Wunschmenü konfigurieren und bei allen Assistenten einstellen, wie sensibel sie reagieren sollen. LED-Scheinwerfer dagegen gibt’s nicht, bestenfalls Xenon-Lampen.

Bei 31.500 Euro (alle Preise netto) startet die Giulia, das sind 840 Euro mehr, als der günstigste BMW 3er kostet. Dafür gibt’s aber viel Ausstattung und mindestens 200 (Benziner) beziehungsweise 190 PS (Diesel) starke Motoren. Alfa setzt weiterhin auf Leistung, bis hin zum 510 PS starken Quadrifoglio, der in weniger als vier Sekunden auf 100 km/h sprintet. Spritspar- oder abgespeckte Einstiegsmodelle passen anscheinend nicht zum Image einer heißblütigen Italienerin, die schon im Stand so aussieht, als wolle sie nur eins: endlich losrennen.

Doch vorher werfen wir einen Blick in den Innenraum. Abgesehen von dem 8,8-Zoll-Bildschirm auf der Mittelkonsole und dem serienmäßigen, 7 Zoll großen TFT-Display zwischen den Rundinstrumenten hat der sich bei der Modellpflege nur wenig verändert. Der Alfa ist enger geschnitten als andere Business-Limousinen, speziell auf der Rückbank. Dort stoßen 1,90 Meter große Mitfahrer schon mal mit dem Kopf ans Dach oder haben mehr Probleme als in anderen Mittelklasseautos, ihre Beine unterzubringen.

Vorn passt der Begriff "Arbeitsplatz" am besten. Die gesamte Ergonomie ist auf den Piloten abgestellt. Eng geschnittene Sportsitze, riesige Schaltpaddels am Lenkrad, schmaler Fußraum: Es geht primär ums Fahren. Man sitzt tief, aber immer noch so, dass häufiges Ein- und Aussteigen nicht zur Tortur wird.

Das neue Infotainment- und Bediensystem erschließt sich auf Anhieb, schon weil man die in sogenannten Widgets zusammengefassten Bildschirmfunktionen wie in vielen anderen Autos auch über einen Dreh-Drück-Knopf in der Mittelkonsole anwählen kann. Und wie steht’s mit der Verarbeitungsqualität? Über Spaltmaße und Schludrigkeit wurde früher ja viel gemeckert. Doch anscheinend schaut die Führungsriege den Monteuren jetzt genauer auf die Finger. Viel sauber verlegtes Leder und passgenau eingebaute Schalter geben keinen Anlass zum Unmut. Der kommt erst, wenn man einen Platz für eine Wasserflasche sucht. Vernünftige Ablagen sind Mangelware, und das Handschuhfach wird seinem Namen gerecht. Wenigstens bringt das Facelift eine Ladeschale fürs Handy und zwei Cupholder in der Mittelkonsole.

Alfa Romeo Giulia 2020 Foto: Thomas Kueppers
Der Kofferraum ist zwar groß genug, doch die Luke fällt etwas klein aus.

Eng geht’s auch im Kofferraum zu. 480 Liter Fassungsvermögen, das klingt erst mal ganz gut. Aber spätestens, wenn statt des schmalen Reisegepäcks Getränkekisten oder ein Umzugskarton durch die ­schmale Luke gewuchtet werden wollen, zeigen sich die Grenzen der Alltagstauglichkeit.

All das ist aber vergessen, sobald der Startknopf auf dem Lenkrad gedrückt wird und der Diesel loswummert. In unserem Testwagen ist die stärkere Version des 2,2 Liter großen Aggregats verbaut. Wie alle Motoren kombiniert Alfa auch den 210 PS starken Vier­zylinder mit einer komfortablen Achtgangautomatik. Satte 470 Nm sind ein Wort und schieben die Giulia aus dem Stand heraus kraftvoll an. Nicht nur im Sportmodus hängt der Motor gierig am Gas. Es geht aber auch anders: Geht der Fahrer im Eco-Betrieb vom Gas, rollt der Alfa lange Strecken im Freilauf. So schafft man auch bei zügiger Fahrt Verbräuche um die sieben Liter.

Noch mehr Vergnügen bereitet die Lenkung. Der Heckantrieb bringt nicht nur einen kleineren Wendekreis, sondern Agilität. Messerscharf lässt sich der Alfa dirigieren, reagiert präzise auf jede Bewegung des kleinen Volants und pfeilt wie auf Schienen völlig neutral ums Eck, bis das ESP mit harschem Eingriff vor Übermut warnt. Schön, dass es die Italiener dabei mit dem Sport nicht übertreiben. Unser mit adaptiven Dämpfern ausgestatteter Testwagen federt straff, aber nicht wirklich hart. Langsame Fahrt über schlechte Straßen mag der Italiener allerdings weniger. Dann reichen die mit breiten Niederquerschnittsreifen kombinierten 18-Zöller Stöße fast ungefiltert an die Passagiere weiter. Insgesamt lassen sich also lange Strecken relativ entspannt zurücklegen. Zumal das knurrige Motorengeräusch ab 120 km/h in ein sanftes Summen übergeht und sich bei schneller Fahrt völlig verliert.

Alfa Romeo Giulia 2020 Foto: Thomas Kueppers
Q4 steht bei Alfa für den Allradantrieb.

Erst kürzlich hat die FCA-Bank neue Finanzierungsmodelle aufgelegt. Jetzt bestellen, Leasingraten erst 2021 bezahlen etwa soll coronagebeutelten Kunden helfen, Budgets nach hinten zu schieben. Auch erweiterte Flottenmanagementfunktionen sowie die Möglichkeit, Auto und Kosten mit Kollegen zu teilen und abzurechnen, wurden angekündigt. Mit den teils aggressiven Konditionen der großen Hersteller kann die Marke nicht mithalten, was sich auf Wertverlust und Leasingraten auswirkt. Dafür punktet der Wagen mit einem vernünftigen Verbrauch, günstigen Werkstattkosten und vier Jahren Garantie. Trotzdem bleibt das Giulia-Fahren auch in Zukunft ein exklusives Vergnügen, verbunden mit der Gewissheit, einen etwas anderen Firmenwagen zu besitzen.

Motoren

Die Giulia gibt es ausschließlich als sportliche Stufenhecklimousine. Ein Kombi war nie geplant. Wer mehr Platz will, muss zum trendigen SUV Stelvio greifen. Mit dem 2020er-Modelljahr strafften die Italiener ihr Motorenangebot und nahmen den 150-PS-Diesel aus dem Programm, das jetzt mit einer 190 PS starken Version des 2,2-Liter-Diesels startet. Wie alle Motoren kommt er mit einer ausgewogenen, schnell und ruckfrei schaltenden Achtgangautomatik samt spritsparendem Freilauf im Eco-Modus. Leistungsmäßig fährt der schwächere Diesel dem zweiten Selbstzünder mit 210 PS kaum hinterher. Er hat aber den Vorteil, dass er die unteren und mittleren Ausstattungsniveaus abdeckt und so sehr viel günstiger ist. Der 210-PS-Motor wird ausschließlich mit Allrad­antrieb in den teuren Versionen angeboten. Beide Diesel passen gut zum sportlichen Charakter des Alfa. Im Test verbrauchte der Q4 trotz Allrad bei scharfer Gangart keine acht Liter. Bei zurückhaltender Fahrweise sind auch gut Werte um die sechs Liter auf 100 Kilometern machbar.

Auch bei den Benzinern steht Leistung im Vordergrund. Analog zu den Dieseln deckt der schwächere Motor die unteren Niveaus ab, darüber rangiert dann der 280-PS-Motor. Nicht nur preislich setzt sich der V6 des Quadrifoglio ab: 510 PS sind eine Ansage, ebenso wie die fast 70.000 Euro des Top-Modells.

Multimedia

Dass Alfa immer noch mehr Wert auf Agilität als auf Entertainment und Vernetzung legt, ist auch nach dem Facelift zu spüren. Der hochauflösende Zentral­bildschirm mit den in verschiebbaren Kacheln angeordneten Untermenüs ist ein echter Fortschritt. Nur die etwas pixelige Rückfahrkamera überzeugt nicht. Echtzeit-Verkehrsinfos sind verfügbar, und mit einer Anmeldung bei Alfa Connect kann man auch einen WLAN-Hotspot aufbauen. Per App bekommt man Zugriff auf die Alfa-Dienste wie Pannen- oder Unfallhilfe, kann den Zustand des Autos abrufen und wird bei einem versuchten Diebstahl alarmiert. Flottenmanager können das Auto orten oder sich alarmieren lassen, wenn der Fahrer permanent zu schnell fährt oder ein definiertes Gebiet verlässt. Zusätzlich wollen die Italiener über die FCA-Bank eine Carsharing-Funktion auflegen, welche die Fahrtkosten ermittelt und verrechnet.

Ausstattung

Alfa bietet die Giulia in acht nicht unbedingt aufeinander aufbauenden Versionen an, wobei die Top-Ausstattung ­Quadrifoglio dem 510 PS starken V6 vorbehalten bleibt.

Die Einstiegsversion Giulia gibt es nur als 200-PS-Benziner. Wie alle Modelle bekommt sie das neue Infotainment- und Bediensystem sowie das TFT-Display zwischen den Instrumenten mit auf den Weg. Außerdem fährt die Basis-Giulia mit einer vernünftigen Grundausstattung samt Klimaautomatik, Parksensoren hinten, Kollisionswarner inklusive Bremseingriff bis 65 km/h und einem Spurhalter vor. Wer Nettigkeiten wie Sitz- oder Lenkradheizung möchte, muss sie extra bezahlen. Oder den 2.100 Euro teureren Business bestellen. Der kommt dann mit Tempomat und Bi-Xenon-Licht. LED-Scheinwerfer kann Alfa dagegen nicht bieten. Für weitere 1.092 Euro Aufpreis kann man ein Fahrerassistenzpaket ordern, unter anderem mit Totwinkelwarner, aktivem Spurhalter und Fernlichtassistent.

Der 420 Euro teurere Super bietet unter anderem ein schlüsselloses Zugangssystem, Apple Carplay/Android Auto, DAB-Radio, Sitze in Stoff-Kunstleder-Kombination und 17-Zoll-Räder.

Im Sprint (plus 2.100 Euro) sind Sitze, Lenkrad und Schalthebel dann mit Leder bezogen und elektrisch verstellbar.

"Lusso" heißt auf Italienisch "Luxus", was weitere 3.360 Euro rechtfertigen soll. Der ­Lusso Ti bringt eine Volllederausstattung und Fahrerassistenten bis hin zur Rückfahrkamera.

Als Veloce starten die stärkeren Vierzylindermotoren. Mehr Leistung, stärkere Bremsen? Jedenfalls gibt’s zusätzlich unter anderem Brembo-Stopper serienmäßig, dazu andere Stoßfänger, 18-Zöller mit Mischbereifung und schmaler geschnittene, konturierte Ledersportsitze. Mit Alu-und Lederdekor setzt sich der Innenraum von den anderen Modellen ab. Über 10.000 Euro mehr kostet der Veloce Ti, der dann fast alles serienmäßig an Bord hat, was bisher extra kostete – bis hin zu riesigen Schaltwippen am Lenkrad, Sperrdifferenzial, adaptiven Dämpfern und Kohlefaser-Heckspoiler.

Darüber rangiert nur der 510 PS starke Quadrifoglio. Erstaunlich allerdings, dass hier selbst der aktive Abstandstempomat samt Stauassistent 504 Euro ­extra kostet. Auch für Selbstverständlichkeiten wie Zurr­ösen im Kofferraum, Akustikglas oder die Handyladeschale verlangt Alfa einen Aufschlag.

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Welcher passt als Firmenwagen?