Klimaneutrale Geschäftsreisen Spuren einer Dienstreise

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Über 187 Millionen Geschäftsreisen fanden 2017 in Deutschland statt, 20 Millionen mehr als zehn Jahre zuvor. Die unverzichtbaren davon kann man mittels Kompensationszahlungen CO2-bilanziell ausgleichen. So geht’s!

Für viele Unternehmen sind Dienstreisen überlebensnotwendig. Ob mit dem Auto, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Flugzeug, eines haben mobile Mitarbeiter immer gemeinsam: Sie verursachen CO2. Bei Dienstleistern ohne eigene Produktion sind die Reisen häufig der größte Verursacher von Treibhausgasen.

Kompensationsdienstleister machen ein vielversprechendes Angebot: Wer Treibhausgase ausstößt, spendet im Gegenzug an sie und fördert damit Projekte, bei denen die gleiche Menge an CO2 eingespart wird. Der Markt für solche Kompensationen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, knapp 30 Anbieter gibt es im deutschsprachigen Raum.

Viele Kompensationsanbieter liefern die Berechnung der ausgestoßenen Treibhausgase gleich mit – und da beginnen die Unterschiede. Für einen Flug in der Economyklasse von Berlin nach London und zurück berechnet etwa South Pole 336 Kilogramm CO2-Äquivalente, bei Atmosfair sind es 421 und bei Klima-Kollekte 493. Grund dafür sind unterschiedliche Rechenmethoden. Das liegt vor allem an den verwendeten Faktoren für den Radiative Forcing Index (RFI).

"Ab einem RFI-Faktor von 2 ist das eine halbwegs seriöse Rechnung", sagt Frank Wolke vom Umweltbundesamt. Die Behörde rechnet mit 3, für den Flug nach London kommen so 490 Kilogramm CO2-Äquivalente zustande. Ob Anbieter die Emissionen von Flügen und Autofahrten seriös ausrechnen, lässt sich über den CO2-Rechner des Umweltbundesamts schnell abgleichen. Doch auf einer Dienstreise fallen nicht nur durch den Transport Treibhausgase an, auch Hotelübernachtungen, Tagungsräume oder Bewirtungen sind relevante Größen. Um sie erfassen zu können, hat der Verband Deutsches Reisemanagement in Zusammenarbeit mit Atmosfair den VDR-Standard entwickelt. Darin werden all diese Parameter detailliert aufgeführt, vom Wasserverbrauch im Hotel bis zum Motor des Mietwagens. Genauigkeit sei hier wichtig, sagt Julia Zhu von Atmosfair, denn "bei Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich können Geschäftsreisen 70 oder auch 80 Prozent der gesamten Emissionen ausmachen".

Peter Schneider, Geschäftsführer von Futurecamp und deren Marke Klimamanufaktur, sagt hingegen: "Eine Dienstreise hat zu viele Parameter, da muss man ohnehin pauschalisieren." Gehe man ins Detail, beeinflusse die Frage, ob die Mitarbeiter vegetarisch gegessen oder sich ein Rindersteak gegönnt hätten, die Bilanz massiv. Und Hotels böten häufig auch Buffets an; der Verzehr der Mitarbeiter sei nicht zu überblicken. Eine spezielle CO2-Bilanz für Dienstreisen erstellt die Klimamanufaktur daher nicht, stattdessen werden die Pkw-Kilometer oder Flüge und die Zahl der Übernachtungen separat erfasst. "Wenn man am Ende diese Emissionen mit 1,5 multipliziert, ist man auf der sicheren Seite", sagt Schneider.

Achten Sie auf die Transparenz der Anbieter

Frank Wolke vom Umweltbundesamt empfiehlt, vor allem auf Transparenz zu achten. Anbieter sollten klar darlegen, was sie berechnen. Und Transparenz ist auch der Schlüssel, wenn es an die Kompensation geht, denn eine Tonne CO2 kann auf sehr unterschiedliche Arten ausgeglichen werden – und zu sehr unterschiedlichen Preisen. Die Klimamanufaktur bietet die Kompensation einer Tonne bereits ab gut 6 Euro an, South Pole startet mit 9 Euro, bei Primaklima zahlt man 15 Euro und bei Atmosfair oder der Klima-Kollekte 23 Euro. Anbieter sollten über die Zusammensetzung der Kosten präzise informieren, findet deshalb Wolke vom Umweltbundesamt. »Der Großteil der Preisunterschiede hängt mit der Auswahl der Projekte zusammen«, sagt er.

Fast alle Projekte arbeiten in Entwicklungsländern. Zum einen sind dort die Kosten zur Einsparung einer Tonne CO2 geringer, zum anderen leisten die Anbieter häufig parallel Entwicklungshilfe. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn effiziente Öfen oder Solarlampen an Haushalte verteilt werden.

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Über 187 Millionen Geschäftsreisen fanden 2017 in Deutschland statt. Die unverzichtbaren davon kann man mittels Kompensationszahlungen CO2-bilanziell ausgleichen.

Auch Windkraftanlagen oder große Wasserkraftwerke können Kompensationsprojekte sein. Als Faustregel gilt, dass kleinteilige Projekte teurer sind, doch viele Anbieter setzen trotzdem auf sie. Bei Atmosfair etwa flössen die Gelder zu 90 Prozent in solche Haushaltsprojekte, konkret in Öfen und Biogasanlagen, sagt Julia Zhu. Großprojekte sieht sie kritisch, weil sie häufig auch ohne das zusätzliche Geld aus CO2-Zertifikaten wirtschaftlich seien. Die Kompensationszahlungen führten dann lediglich zu Mehreinnahmen für die Betreiber, aber nicht zu zusätzlich eingesparten Treibhausgasen. »Wenn die Haushalte hingegen den Ofen nicht bekommen, dann verwenden sie weiterhin zu viel Holz zum Kochen«, sagt Zhu.

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Bei einigen Anbietern kann man sich die Projekte gezielt aussuchen, zum Beispiel bei der Klimamanufaktur oder South Pole, und zahlt dann bei Großprojekten auch meist weniger. Großprojekte könne man jedoch auch nicht pauschal als schlechter bezeichnen, sagt Frank Wolke. Man solle sie aber besonders kritisch anschauen und stärker auf Siegel achten. Der Verified Carbon Standard, der Gold-Standard oder das Siegel des Clean Development Mechanism sind viel genutzte Zertifizierungen. Sie garantieren die Wirksamkeit der Projekte und eine unabhängige Prüfung. Manche Anbieter nutzen zudem Siegel, die auch soziale Aspekte der Projekte beurteilen und zum Beispiel fairen Handel fördern. Welchen Schwerpunkt man hier setzen möchte und was die Kompensation kosten darf, muss am Ende jedes Unternehmen selbst entscheiden.