Kraftstoffverbrauch Tatsache und Theorie klaffen auseinander

VW Caddy, Flotte, Fuhrpark, Dummy Foto: Foto: VW, Montage: firmenauto

Der reale Spritverbrauch von Pkw und die Herstellerangaben klaffen immer weiter auseinander.

Im Schnitt benötigen Autos im Alltag 38 Prozent mehr Kraftstoff als versprochen, wie aus einer aktuellen Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) hervor geht. Im Jahr 2001 betrug die Differenz zwischen Theorie und Praxis lediglich acht Prozent.


Die Experten des Forschungsinstituts machen verschiedene Faktoren für das Anwachsen der Kluft verantwortlich. Zu einen seien in den vergangenen Jahren neue Spritspartechnologien hinzugekommen, deren Effekt im normierten NEFZ-Test stärker ausfiele als auf der Straße. Zudem gebe es Veränderungen in der Fahrzeugnutzung, etwa den stärkeren Einsatz der verbrauchsintensiven Klimaanlage. Nicht zuletzt würden die Hersteller vor dem Hintergrund der strenger werdenden CO2-Vorgaben der EU Testtoleranzen und Lücken in den Vorschriften mittlerweile konsequenter ausnutzen als zuvor.

Realfahrt oder Rollenprüfstand?

Für die Autohersteller gibt es beim NEFZ-Test zwei grundsätzliche Arten, das Ergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen. Zum einen bei der vor dem eigentlichen Test angesetzten Realfahrt auf offener Strecke, zum anderen bei der anschließenden Laborprüfung durch ein nominell unabhängiges Institut. Die Fahrt im Freien dient vor allem dazu, Roll- und Luftwiderstand zu ermitteln. Diese werden später benötigt, um den Rollenprüfstand im Labor entsprechend zu programmieren.

Hohe Temperaturen und niedriger Luftdruck

Um möglichst niedrige Werte zu erreichen wählen die Tester einen Ort mit möglichst hohen Temperaturen und niedrigem Luftdruck. Vor Fahrtantritt wird jedes überflüssige Gewicht im Fahrzeug entfernt, spezielle Leichtlauföle werden eingefüllt und die ebenfalls eigens montierten Leichtlaufreifen stärker als empfohlen aufgepumpt, um den Rollwiderstand zu verringern. Gewitzte Tester kleben zudem sämtliche Karosseriefugen mit Klebeband ab, um die Aerodynamik zu verbessern. Auch Fahrwerk und Bremsen werden beim Testkandidaten für möglichst geringen Verbrauch optimiert – Fahrkomfort und Sicherheit spielen bei dem getesteten Vorserienmodell eine geringere Rolle als beim fertigen Auto, das anschließend in den Verkauf geht. Eingriffe in die Motorsteuerung, um einen besonders sparsamen Betrieb zu erzwingen, sind legal.

Zweites Feld für Tricks ist der Labortest. Auch der wird von einem unabhängigen Institut durchgeführt. Allerdings wird dieses vom Autohersteller engagiert und auch bezahlt – ein klassischer Konflikt. So dürfte die Bereitschaft, die Lücken in der Prüfungsordnung gewissenhaft auszunutzen, durchaus groß sein. Zu den beliebtesten Möglichkeiten zählt das Abkoppeln des spritfressenden Stromgenerators vom Motor. Im Alltag würde das zu einem Entladen der Batterie und irgendwann zum Triebwerksstopp führen. Für die kurze Fahrt auf dem Prüfstand reicht allerdings der Vorrat des Akkus. Auch ein Eingriff in die Motorsteuerung, um einen besonders sparsamen Betrieb zu erzwingen, ist legal. Genauso der Einsatz von nicht serienmäßigen Leichtlaufölen oder das Manipulieren des Bremssattels. Zudem spielt auch hier die Umgebungstemperatur eine Rolle. Beim Test wird sie natürlich optimiert. Nicht zuletzt sind Messtoleranzen erlaubt, die sich kreativ nutzen lassen. Der Hersteller kann beispielsweise den gemessenen CO2-Wert pauschal um vier Prozent kürzen, bevor er ihn der Zulassungsbehörde meldet.

Alle diese Eingriffe haben für sich genommen nur geringen Einfluss. Dadurch, dass die Realfahrt-Ergebnisse in den Laborversuch einfließen und dessen Daten mit einem komplizierten Algorithmus auf den Normverbrauch hochgerechnet werden, können aber auch kleine Spareffekte das Endergebnis stark beeinflussen.

Die Differenz zwischen kostet im Schnitt 450 Euro pro Jahr

Für den Verbraucher ist die Entwicklung kostspielig. Die Differenz zwischen Prospekt- und Realverbrauch kostet ihn im Schnitt 450 Euro pro Jahr, so das ICCT. Gesamtgesellschaft und Umwelt leiden natürlich ebenfalls unter den geschönten Werten. Staaten etwa, in denen sich die Kfz-Steuer am CO2-Ausstoß bemisst, erhalten weniger Einnahmen. Selbst in Deutschland mit seiner im internationalen Vergleich geringen Steuer führen die falschen Werte laut der Studie zu Verlusten von 240 Millionen Euro pro Jahr – allein bei den in diesem Zeitraum vorgenommenen Neuzulassungen. Nicht zuletzt leide aber auch die Fahrzeugindustrie, so die Verfasser der Studie. Und zwar unter sinkender Glaubwürdigkeit. Vor allem die deutschen Premiummarken reizen die Möglichkeiten des Normzyklus offenbar aus. Der Studie zufolge schluckt etwa ein Audi A6 50 Prozent mehr als vom Hersteller angegeben. Bei der Mercedes E-Klasse liegt die Differenz bei 45 Prozent, beim BMW! 5er bei 40 Prozent.

Die Autoindustrie verweist bei Abweichungen zwischen Norm- und Alltagsverbrauch darauf, dass die Laborwerte vor allem eine Vergleichbarkeit unterschiedlicher Autos gewährleisten sollen, nicht aber den individuellen Alltagsverbrauch darstellen können. Besserung soll ein neuer weltweiter Verbrauchs-Messzyklus bringen. Der sogenannte WLTP ist von den Vereinten Nationen bereits verabschiedet und soll ab dem Herbst kommenden Jahres in den ersten Staaten eingeführt werden. In Deutschland wird er aber wohl nicht von 2016 oder 2017 wirksam. Der neue Test soll sich stärker am Alltag auf den Straßen orientieren und unter anderem bei höheren Geschwindigkeiten gefahren werden. Ermessensspielräume und rechtliche Lücken wird aber wohl auch das neue Messverfahren haben.