Schließen

Ladekarten für Elektroautos Energieversorger bremsen E-Autos aus

E-Autos

Ein Elektroauto bundesweit laden? Mit der richtigen Karte klappt‘s. Ist aber teuer und von einheitlichen Tarifen sind wir noch weit entfernt.

Laden, egal wo. Tanken mit nur einer Karte oder App. Einheitliche, zumindest aber vergleichbare Tarife. Das sind die Forderungen von Gewerbetreibenden an die Elektromobilität. Zu geringe Reichweite und hohe Anschaffungskosten mögen das eine oder andere Unternehmen noch zögern lassen. Was aber wirklich nervt, ist die fehlende Praktikabilität der Ladeabrechnungen für den Betrieb.

Solange die Mitarbeiter ihre Elektroautos nur an einer Säule laden, ist alles beherrschbar. Doch mit der steigenden Anzahl von langstreckentauglichen Plug-in Hybriden und den größeren Akkus in E-Autos wird’s auf Dienstreisen kompliziert. Welche Ladekarte gehört ins Gepäck, welche App aufs Smartphone? Die Nutzerdatenbank Going Electric führt mehr als 230 Ladekarten für Deutschland auf. Auf den Markt geworfen von Energiekon­zernen, Autoherstellern, Clubs, Umweltaktivisten, Handelsketten, Kommunen, kurz: so ziemlich von allen, die irgendein Interesse an Elektromobilität haben.

Strom kostet an der Ladesäule oft doppelt so viel wie zu Hause

"Das Chaos hierzulande an den Ladesäulen ist gewaltig", stellt Gero Lücking daher enttäuscht fest. Lücking ist Geschäftsführer Energiewirtschaft beim Hamburger Unternehmen Lichtblick (670 Millionen Euro Umsatz, 500 Mitarbeiter). "Intransparente Stromtarife und Zugangshürden an den Zapfsäulen schrecken ab", konstatiert er. Hier eine Ladekarte, dort eine App, morgen irgendwo die Kreditkarte, die Möglichkeiten, unterwegs Strom zu laden, sind zwar gegeben. Zu welchen Konditionen aber liegt oft im Dunkeln.

Lückings Unternehmen hat beim Marktforschungsinstitut Statista eine Untersuchung in Auftrag gegeben, in deren Rahmen etwa vier Fünftel aller öffentlichen Ladesäulen begutachtet wurden. Das Ergebnis ist auch für überzeugte E-Mobilisten ernüchternd. "Selbst die Experten benötigten mehrere Tage, um die Tarife und Preise der Betreiber vergleichen zu können", berichtet Lücking.

Berechnungsgrundlage waren die Kosten pro Kilowattstunde. Berücksichtigt wurden ausschließlich Tarife ohne Vertragsbindung. Ergebnis: Die meisten Ladesäulenbetreiber rechnen nicht nach Verbrauch ab, sondern nach Ladezeit. Umgerechnet auf den Preis pro Kilowattstunde ergeben sich oft deutlich höhere Preise als für Haushaltsstrom. Dessen Durchschnittspreis liegt derzeit bei 29 Cent je kWh. Teilweise betrugen die Ladestrompreise mehr als das Doppelte. Gleichermaßen ärgerlich: Je nach Betreiber und Region sind unterschiedliche Registrierungs- oder Servicegebühren zu zahlen. Eine seriöse Kalkulation von längeren Strecken ist so kaum möglich.

Für Gewerbekunden, die Mobilitätskosten ergebnissicher berechnen müssen, ein Unding. "Mit den aktuellen Lade- und Abrechnungssystemen ist die Verkehrswende zum Scheitern verurteilt", vermutet Lücking. Sein Lösungsvorschlag setzt das Bohren von ganz dicken politischen Brettern voraus. "Es muss möglich sein, dass der Kunde seinen Haushalts- oder Unternehmensstromtarif an jeder öffentlichen Ladesäule bekommt", schlägt Lücking vor.

E-Roaming-Lösung derzeit am praktikabelsten

Dafür müssten allerdings alle in Deutschland frei zugänglichen Ladepunkte generell dem öffentlichen Netz zugeordnet werden, so wie jeder Haushaltsanschluss auch. Nur so stünden sie unter Aufsicht der Bundesnetzagentur. Und bloß so ließe sich sicherstellen, dass jeder Stromanbieter seine Tarife bundesweit anbieten kann. Sprich: Je nach Sichtweise wäre der Ladestrommarkt dann genauso reguliert oder liberalisiert wie der Haushaltsstrommarkt.

Foto: Daimler AG
Es gibt etliche Apps, über die man freie Ladestationen finden und das Laden freischalten kann.

Das aber kann dauern. Bis dahin bleiben den Fahrern von Elektroautos nur die bekannten Möglichkeiten: Kreditkarten, Apps und jede Menge Ladekarten. Immerhin deuten sich ähnliche Entwicklungen an wie vor Jahrzehnten am Mobilfunkmarkt. Denn neu sind sogenannte Roaming-Lösungen (siehe Kasten vorige Seite). Prinzip: Die Vertragspartner sorgen dafür, dass Verbraucher an möglichst vielen Ladepunkten zu einheitlichen Zugangsvoraussetzungen Strom tanken und Preise vergleichen können. Die Nutzer zahlen dafür in der Regel eine Gebühr. Solche Netzwerke umfassen mittlerweile jeweils mehrere Zehntausend Ladepunkte europaweit. Woher aber jeweils der Ladestrom stammt, ob er grün ist oder nicht, lässt sich im Vorfeld einer Reise nur äußerst schwer ermitteln.

Ebenso wenig der Tarif, denn der bleibt Sache des Ladepunktbetreibers. Dennoch erscheint die E-Roaming-Lösung derzeit am praktikabelsten. Eine der bekanntesten Plattformen: Hubject mit der Marke Intercharge. "Wir verkaufen kein Endprodukt an Kunden direkt, sondern sehen uns als Makler, der über eine Plattform verschiedene Akteure der Elektromobilität miteinander verbindet", erklärt Geschäftsführer Thomas Daiber. Vergleichbar sei das Ganze mit dem System der Kreditkarten. Das entsprechende Label garantiert die Zahlungsmöglichkeit. Einfluss auf den eigentlichen Preis hat es nicht.

Allerdings sei bei Intercharge eine Preistransparenz gegeben, so Daiber. "Unsere Partner listen ihren Ladestrompreis an der jeweiligen Intercharge-­Station im Internet auf. Neben dem zu erwartenden Preis, der Adresse, dem passenden Steckertyp und der akzeptierten Freischaltmethode (App, Karte), erhalten Elektroautofahrer Echtzeitinformationen zum Status der Ladestation: frei, belegt oder defekt." Eine effiziente Tourenplanung, so Daiber, sei damit möglich. Zudem können Flottenbetreiber jederzeit einsehen, welches ihrer Autos an welcher Station zu welchem Preis geladen hat.

Mineralölkonzerne mischen mit

Vertragspartner solcher E-Roaming-Plattformen sind nicht nur Stromlieferanten, sondern zunehmend auch Unternehmen der Ölwirtschaft. Was bei Tankkarten funktioniert, sollte auch bei Ladekarten so sein. Im Klartext: Strom laden und abrechnen mit der Tankkarte. Das geht im Falle Hubject/Intercharge beispielsweise über die Karte des Netzwerkpartners DKV. Die großen Tankstellennetzbetreiber stellen sich ohnehin die Frage, ob sie selbst als Ladesäulenbetreiber agieren oder risikoärmer über eine Kooperation in den Markt einsteigen wollen.

Auch bei Shell hat man sich mit diesen Gedanken beschäftigt. Als Ergebnis erhalten Geschäftskunden seit Sommer dieses Jahres mit der Shell Card Zugang zur Ladeinfrastruktur von New Motion, einer weiteren E-Roaming-Plattform. Das Laden wird dann wie beim Kraftstofftanken über die Tankkarte abgewickelt und in Rechnung gestellt. Fuhrparkmanager erhalten somit die gleichen Verwaltungs- und Analysewerkzeuge wie für ihre Verbrenner-Flotte.

Offenbar von dem Erfolg der Sache überzeugt, hat der Petrol-Riese im Oktober New Motion kurzerhand aufgekauft und als hundertprozentige Tochter in das Geschäft integriert. Dass sich jetzt ausgerechnet die Mineralölkonzerne an dieses Thema wagen, ist beinahe schon ein Fingerzeig: Das Elektroauto kann selbst vom ollen Verbrenner etwas lernen. Denn Sprit gab es schon immer an der Tanke. Was er kostet, steht in Leuchtbuchstaben an der Straße. So – und nur so – wäre auch ein Elektroauto für jeden kalkulierbar.