Luca de Meo, CEO Renault "Renault ist Pop"

RENAULT MEGANE E-TECH ELECTRIC (BCB) Foto: Renautl/ GREG

Renault soll attraktiver und wieder profitabel werden. CEO Luca de Meo erklärt, welche Rolle E-Autos wie der neue Mégane dabei spielen und wie sich die Sparmaßnahmen auf die Modellpolitik auswirken.

Herr de Meo, Sie traten im Juli 2020 als CEO von Renault an. In welchem Zustand fanden Sie das Unternehmen vor?

Das war eine sehr ungewöhnliche Situation damals, verursacht durch Covid-19. Im ersten Quartal schrieb Renault gewaltige Verluste. Aber mittlerweile sind wir wieder auf einem guten Weg.

Wie andere Autohersteller kämpft auch Renault mit dem Wandel zur Elektromobilität. Dieser Prozess wird vorwiegend über den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungs­motoren finanziert. Wie lange noch?

Wir waren in den letzten zehn Jahren kein sehr profitables Unternehmen, mit zu vielen kleinen Modellen. Wir reagierten zu spät auf den Trend zum kompakten SUV und verkauften zu viele Autos in die falschen Kanäle. Renault hat begonnen, verstärkt in profitable Märkte und Techniken zu investieren.

Also in E-Autos?

Unsere Verbrenner spielten in den letzten Jahren verhältnismäßig wenig Gewinne ein. Insofern haben wir möglicherweise weniger zu verlieren als andere Hersteller. Aber wir haben eine sehr lange Elektro­erfahrung sowie zwei flexible Plattformen, die 80 Prozent unserer Kundenanforderungen bedienen. Damit werden wir beweisen, dass man mit Elektroautos mehr Geld als mit Verbrennern verdienen kann.

Luca de Meo, CEO Renault Foto: Renault
Der Italiener Luca de Meo begann seine Karriere bei Renault, bevor er zu Toyota Europe und dann zum Fiat-Konzern wechselte. Dort leitete er Lancia, Fiat und Alfa Romeo, war CEO von Abarth und Marketingchef des Gesamtkonzerns. 2009 wurde er erst Marketingleiter des VW-Konzerns, dann Vertriebs- und Marketingvorstand bei Audi. 2015 ernannte ihn Seat zum CEO. Seit Juli 2020 leitet er als CEO Renault.
Helfen dabei auch die strengen Abgasregelungen?

Mit Sicherheit. Die Kosten steigen rapide, Verbrennungsmotoren werden in absehbarer Zeit vielleicht doppelt so teuer wie heute. Auf der anderen Seite sinken die Produktionskosten für Elektrofahrzeuge um rund sieben Prozent pro Jahr. Bis 2025 oder 2026 werden sich die Kostenkurven von E-Autos und Verbrennern kreuzen.

Wie sieht das heute aus?

Schon heute verdienen wir absolut gesehen mehr an einem Zoe als an einem Clio. Klar, ein Zoe kostet 34.000 Euro, der Clio nur 20.000. Und natürlich schauen die Analysten vorwiegend auf die prozentuale Profitabilität der Modelle.

Haben Sie deshalb bereits Modelle gestrichen?

Ja, beispielsweise einige sehr günstige Kleinwagen für Indien oder Brasilien. Ich habe auch einen großen elektrischen SUV verschoben, der zu teuer für Renault-Kunden gewesen wäre. Stattdessen werden wir das Kompaktwagen­segment stärken und uns auf unsere E-Tech-Hybridtechnologie konzentrieren. Das System kommt ohne Getriebe aus und lässt sich über die Größe der Batterie und des E-Motors skalieren. Ein Motorblock mit drei Zylindern und 1,2 Liter Hubraum erlaubt uns, Leistungen zwischen 90 und 300 PS zu realisieren. Das wird Renault einen extremen Schub in Richtung E-Mobilität geben.

Was ist aus der Idee geworden, Renault zum Hersteller von Premiummodellen umzubauen?

Renault ist und bleibt Pop, also eine populäre Marke. So wie bei Dacia immer der Fokus auf erschwinglichen Modellen liegt. Aber die beiden Marken dürfen sich nicht ins Gehege kommen.

Wie soll das funktionieren?

Dacia hat Kunden, die nur wollen, dass alles gut funktioniert. Genau das liefert die Marke. Renault-Käufer dagegen stellen andere Ansprüche, was Elektrifizierung, Design, Konnektivität oder Technologie angeht. Das werden wir ihnen geben.

Lassen Sie uns über Stückzahlen reden.

Die letzten Pläne von Renault gingen davon aus, dass wir bis 2020 rund 5,5 Millionen Autos pro Jahr verkaufen. Deshalb wurden über Jahre hinweg immense Produk­tionskapazitäten aufgebaut, Leute eingestellt, investiert. Tatsächlich verkauften wir in den besten Jahren nur 3,9 Millionen Autos. Um bildlich zu sprechen: Die Company setzte Fett an, das wir nun über eine Diät mühsam verbrennen müssen.

Renault 5 Prototype 2021 Foto: Renault
Der kleine Renault 5 soll 2024 auf den Markt kommen und könnte den Zoe beerben.
Mithilfe Ihres Renaulution genannten Strategieplans, der drastische Sparmaßnahmen vorsieht?

Genau. Ich gehe davon aus, dass wir wie in normalen Zeiten rund drei Millionen Autos pro Jahr verkaufen werden. Auf der anderen Seite müssen wir die Produktionskosten drastisch senken. Ich versuche, das Unternehmen mit solider Planung zu stabilisieren.

Wie läuft denn die Kooperation mit Nissan derzeit?

Sehr gut. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass Renault-Ingenieure öfter Ideen für neue Technologien hatten, sie dann aber von Nissan fertig entwickeln ließen. Das ist der falsche Ansatz. Innerhalb der Allianz von Re­nault, Nissan und Mitsubishi muss jeder das Beste geben in seinem Bereich. Statt über Politik zu reden und Gerüchte zu streuen, müssen wir Projekte, Pläne und Fakten in den Vordergrund stellen. Ohne Animositäten, nur auf Basis von Zahlen.

War das also der Anstoß für Renaulution?

Unter anderem. 80 Prozent der künftigen Renault-Modelle werden auf gemeinsamen Plattformen entstehen. Das gab es in den knapp 20 Jahren der Kooperation nicht. Wir werden auf die gleiche Batterietechnik zurückgreifen, auf eine gemeinsame Elektronikarchitektur. Außerdem haben wir einen Weg gefunden, dass Mitsubishi weiterhin in Europa Autos verkaufen kann.

Renault Megane Electric 2022 Foto: Renault
Der Verkauf des elektrischen Mégane startet jetzt.
Sie geben der Allianz also eine Zukunft?

Auf jeden Fall. Auf der einen Seite muss die Allianz Geld verdienen, auf der anderen Renault ein konkurrenz­fähiges Unternehmen werden. Aber ich mache hier keine Kompromisse, beides muss klappen.

Die drei Unternehmen wollen die Elektrifizierung gemeinsam vorantreiben, als separates Projekt. Wie geht das?

Lassen Sie uns auf Korea und Samsung schauen. Dort haben wir nur sieben Prozent Marktanteil. Korea ist ein harter, von Hyundai und Kia dominierter Markt, auf dem sich Renault mit relativ kleinen Elektro­modellen schwertut. Die Menschen dort lieben größere Autos im Format eines VW Passat. Hier kommt Geely mit Lynk-&-Co-Plattformen ins Spiel. Die chinesische Marke hat die passende Plattform, wir die Kapazitäten bei Re­nault Samsung Motors, wo wir auch weiterhin den Arkana und andere Modelle bauen. So kam diese Zusammenarbeit zustande.

Aber nur für Korea.

Genau. Aber im Gegenzug bat uns Geely, sie mit unserer Expertise in China zu unterstützen. Dort ist geplant, dass für uns Hybridfahrzeuge entwickelt werden, auf energieeffizienten Fahrzeugplattformen von Geely. Solche Projekte werden uns ebenfalls helfen, Renault finanziell zu stabilisieren. Ein anderes Beispiel: Für Alpine brauchen wir einen kleinen, sportlichen Elektro­zweisitzer. Lotus hat die gleiche Idee. In einem so kleinen Segment ist es also sinnvoll, sich zusammenzutun und die Plattform gemeinsam zu entwickeln.

Lesen Sie auch Fastned 2022 Alle Elektroautos in Deutschland Preise, Reichweite, Verbrauch Und in Europa?

Meiner Ansicht nach treffen im europäischen Automobilmarkt mehrere Denkweisen aufeinander. Da wäre die technologieorientierte Kultur, dominiert vorwiegend von den Deutschen. Auf der anderen Seite die stark kostenorientierten Unternehmen, die möglichst viel vereinheitlichen. Da frage ich mich: Ist es das eine oder das andere, was die Kunden wollen? Da kommt bei Renault wieder der Begriff der Pop-Marke ins Spiel, die nah am Kunden ist. Unsere Aufgabe wird sein, vorherzusehen, was die Käufer in ein paar Jahren verlangen, und die passenden Autos zu entwickeln. Stehen sie auf gemeinsamen Plattformen mit gleichen Komponenten – umso besser.

Welche Rolle wird Dacia dabei spielen?

Dacia trifft den Zeitgeist wie kaum eine andere Marke. Dacia-Kunden lieben ihre Autos, weil sie genau das liefern, was sie verlangen. Ich be­­fürchte ein wenig, dass Renault manchmal die Magie des Automobils aus dem Blick verloren hat. Diese Magie will ich unserem Unternehmen wieder zurückgeben.

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Vom Kombi zum Crossover