Mercedes E-Sprinter im Fahrbericht Elektro-Transporter unter Druck

Mercedes-Benz eSprinter Foto: Daimler 6 Bilder

Zur Markteinführung des eSprinter setzt Mercedes-Benz Vans auf smarte Tools und hohe Flexibilität. Gut so – denn um die (noch) wenigen Elektrotransporter-Kunden wird regelrecht gebuhlt.

Das Segment der vollelektrischen Transporter ist eine Nische. Die Verkaufszahlen wachsen zwar stetig – und prozentual betrachtet auch kräftig. In absoluten Zahlen aber dominieren die Diesel hochsouverän. Um ein lokal emissionsfreies Nutzfahrzeug an den Mann zu bringen, braucht es also gute Argumente. Am besten welche, die in der Kostenanalyse unten rechts stehen.

Vergünstigte Konkurrenz

Mit ihren Schwestermodellen eTGE und e-Crafter haben MAN und VW Nutzfahrzeuge genau hier und (oh Wunder) genau einige Wochen vor der Markteinführung des Mercedes eSprinter einen großen Schritt getan. Ab 53.900 Euro netto sind deren Elektrotransporter jetzt nämlich zu haben, zu Beginn waren es noch satte 69.500 Euro. Und weil sie damit unter die magische Marke von 60.000 Euro fallen, erfüllen sie dazu die Förderkriterien des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Im Klartext: Interessenten können on top eine Prämie in Höhe von 4.000 Euro beantragen. Unter Berücksichtigung dieses Zuschusses sinkt der Preis für eTGE und e-Crafter insgesamt um fast 30 Prozent – was MAN zum Anlass nimmt, mitzuteilen, dass der eTGE in puncto Total Cost of Ownership (TCO) nun tatsächlich mit seinem Dieselpendant gleichziehen kann.

Ob Mercedes diesen Preislimbo mit dem eSprinter mitgehen kann und will? Noch steht das in den Sternen, einen konkreten Preis für ihren neuen Elektrotransporter haben die Schwaben bis dato nicht kommuniziert. Der Druck aber dürfte groß sein, denn auch wenn sich die Kundschaft kaum wegen der Kosten für einen batterieelektrischen statt eines dieselbetriebenen Transporters entscheidet, schadet es nicht, wenn das lokal emissionsfreie Aushängeschild der Flotte wirtschaftlich gefahren werden kann.

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Mit den Paddles am Lenkrad lässt sich die Stärke der Bremsenergie-Rückgewinnung beeinflussen – und das klar spürbar.

Bremsen war gestern

Klammert man die noch unbekannten Anschaffungskosten aus, überzeugt der eSprinter am Steuer allemal. Über Paddles am Lenkrad lässt sich die Rekuperation – also die Rückgewinnung der Bremsenergie – einstellen. Mit D-, D, D+ und D++ stehen dem Fahrer vier Stufen zur Verfügung, mit denen er den eSprinter nach Lust und Laune frei segeln lassen oder an der kurzen Leine halten kann. Gerade in der Stadt ergibt dabei die kräftigste Rekuperationsstufe Sinn und Spaß, denn so lässt sich der Elektrotransporter mit einem Pedal steuern. Auch wenn man auf der Ebene oder im leichten Gefälle die Geschwindigkeit nur halten will, muss man in diesem Modus noch deutlich auf dem Gas stehen. Dafür verzögert der eSprinter beim Lupfen des Fußes aber so stark, dass er auch bei wenig vorausschauender Fahrweise locker vor langsameren Verkehrsteilnehmern oder engen Kurven ohne Zuhilfenahme der Betriebsbremse wieder eingefangen werden kann. Allein vor roten Ampeln muss das Bremspedal noch leicht angetippt werden – das war's.

Belohnt wird der Fahrer für diese intelligente und zugleich entspannende Fahrweise ganz unmittelbar im Feld der Reichweitenanzeige. Anders als im Dieseltransporter wollen die Restkilometer hier nämlich gerade im Stop-and-go-Verkehr kaum zusammenschrumpfen. Der laut Hersteller maximal mögliche Aktionsradius von bis zu 168 Kilometern verliert so schnell seinen Schrecken – auch wenn sich der Fahrer, was die zusätzlichen Fahrprogramme E+, E und C angeht, zurückhält und beispielsweise mit einer auf voller Leistung laufenden Klimaanlage fährt. Wobei hier kurz erwähnt sei, dass der eSprinter ganz unabhängig vom auch die Gaspedalkennlinie beeinflussenden Programm weder zum Verkehrshindernis degradiert noch zum Sportwagen geadelt werden kann.

In Sachen Fahrdynamik schützt Mercedes damit so manchen Fahrer vor der eigenen Unvernunft, unter deren Einsatz sich das sofort anliegende Drehmoment von 295 Nm vom Start weg für Muskelspiele zweckentfremden ließe. Der Komfort steht im eSprinter im Vordergrund, neben der niedrigen Geräuschkulisse zahlt hier auch die sanfte, zu jeder Zeit völlig ruckfreie Abstimmung des Antriebs ein.

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Je nach Ladeleistung hängt der ­eSprinter nur 30 Minuten oder ganze sechs ­Stunden am Netz, bis die Batterien zumindest zu 80 Prozent wieder aufgeladen sind.

Zeitmanagement nach Kundenwunsch

Aus Sicht des Betreibers aber mindestens ebenso spannend wie die Zeit, die der eSprinter auf der Straße verbringt, ist auch jene Zeit, während der er am Netz hängen muss. Am AC-Anschluss mit 7,4 kW Leistung können das schon mal sechs Stunden sein, mit den maximal möglichen 80 kW und DC-Technik dagegen ist die Batterie bereits nach rund 30 Minuten wieder zu 80 Prozent geladen. 120 bis 168 Kilometer kann der eSprinter mit komplett vollem Energiespeicher im Anschluss wieder zurücklegen, wobei die reale Reichweite von zahlreichen Faktoren abhängig ist. Nicht nur die Topografie, die Außentemperatur und der Verkehrsfluss spielen hier eine entscheidende Rolle, sondern auch die Höchstgeschwindigkeit. Auf 80, 100 oder 120 km/h beschränkt Mercedes den eSprinter je nach Kundenwunsch – und lässt den Interessenten auch in Sachen Batteriekapazität und Nutzlast die Wahl. Wer sich für das Akkupaket mit einer nutzbaren Kapazität von 35 kWh entscheidet, kann bis zu 1.045 Kilogramm zuladen; Betreiber der 47-kWh-Sprinter wiederum müssen mit 891 Kilogramm Zuladung leben.

Doch damit nicht genug. Auch in Bezug auf die passende Ladeinfrastruktur gibt Mercedes Hilfestellung. Mit dem neuen, online zu findenden eCharging Planner werden alle relevanten Bedingungen für das Energiemanagement erfasst, und daraus wiederum wird der sinnvolle Einsatz der Mercedes-Wallbox, der Mercedes-Pro-Services und des intelligenten Lademanagements abgeleitet. In einem weiteren Schritt kann das Programm dann gar die notwendigen baulichen Maßnahmen am Betriebshof bestimmen und im Ergebnis die Investitionskosten der Umstellung hin zur E-Mobilität kalkulieren. Am Ende stellt die Software den Mehrkosten die Einsparungen, die mit dem eSprinter zu erwarten sind, gegenüber – und liefert damit ein starkes (betriebswirtschaftliches) Argument für oder gegen die lokal emissionsfreie Mobilität.