Mobilität BMW sagt Trends voraus

Foto: Thomas von Salomon

Der Traum jedes Autoherstellers ist es, die Zukunft voraussagen zu können. BMW leistet sich ein Forschungsinstitut, das die Mobilitätstrends von morgen unter die Lupe nimmt.

Angeblich gehört die Zukunft denen, die Möglichkeiten erkennen, bevor sie offensichtlich werden. Bei BMW sieht es derzeit so aus, als hätten sich die Münchner mit der Baureihe BMW i von den Worten des irischen Dichters ­Oscar Wilde leiten lassen. Die Strategen des Konzerns sind jedenfalls davon überzeugt, dass dem Elektroantrieb hierzulande in den nächsten 15 bis 20 Jahren vor allem in städtischen Gebieten eine beachtliche Karriere bevorsteht.

Bis zum Jahr 2030, so ein aktuelles Szenario des Herstellers, würden technologische Durchbrüche in der Speichertechnologie die Reichweite und Ladezeiten der Fahrzeuge deutlich verbessern. Die meisten Besitzer eines vollelektrischen BMW laden demnach in Zukunft die Batterie zu Hause, beim Arbeitgeber oder im öffentlichen Parkhaus. In Ballungsräumen werde es zudem eine Ladeinfrastruktur geben.

Elektromobilität wird in Städten künftig eine große Rolle spielen

Von der nüchternen Gegenwart in Sachen Elektromobilität ist diese Zukunft aber noch meilenweit entfernt. Trotzdem steckt hinter diesem Szenario kein Wunschdenken. Die Zuversicht speist sich vor allem aus solider Wissenschaft und Forschung. Tatsächlich leistet sich BMW eine eigene Forschungseinrichtung, die den Auftrag hat, die Tür zur Zukunft stets einen Spalt weit offen zu halten.

Das Institut für Mobilitätsforschung in München (ifmo) schreibt sich eine verkehrsträgerübergreifende, interdisziplinäre und internationale Perspektive auf die Fahnen. Ein Markenzeichen sind die bis in Detail ausgearbeiteten Zukunftsbilder, die auf aufwendigen sozioökonomischen und psychologischen Forschungen beruhen. Diese Studien stellt BMW auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Allerdings steckt hinter der Offerte kaum der pure Altruismus. Dem Autohersteller geht es letztlich darum, mögliche Änderungen im Mobilitätsverhalten einer Gesellschaft zu erkennen und sich rechtzeitig darauf einzustellen.

Institut leistet keine Produktempfehlung

Bei der Entwicklung der Marke BMW i soll das Institut seine Finger aber nicht im Spiel haben. "Wir befassen uns mit vielen Facetten der Mobilität. Produktempfehlungen stehen jedoch nicht auf unserer Agenda", erklärt Leiterin Dr. Irene Feige, die auf einer Fachkonferenz in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aktuelle Forschungsergebnisse vorstellte.

Jede Menge Stoff zum Grübeln dürfte den BMW-Managern eine Studie bieten, die das Verkehrsverhalten junger Erwachsener zwischen 18 und 34 Jahren in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Japan unter die Lupe nimmt. Diese Altersgruppe kommt zwar erst auf mittlere Sicht als Kunden infrage, allerdings unterscheiden sich ihre Mobilitätsmuster von denen der vorausgehenden Generation. Besonders deutlich zeigt sich diese Entwicklung in Deutschland.

Kein Unterschied mehr zwischen Frauen und Männern

Für die sogenannte Generation Y, also alle ab 1980 geborenen Menschen, hat das Auto nicht mehr den gleichen hohen Stellenwert wie noch zur Jahrtausendwende. Entsprechend fahren junge Menschen deutlich weniger Auto. Einerseits besitzen weniger ein eigenes Fahrzeug, andererseits hat sich das Mobilitätsverhalten verändert. Vor allem das Fahrrad steht hoch im Kurs. Zudem nimmt der Anteil von Bus und Bahn im Regional- und Fernverkehr deutlich zu. Unterm Strich setzen die jungen Erwachsenen konsequent auf Multimodalität.

Aber auch bei der Nutzung des Autos ist diese Generation für eine handfeste Überraschung gut. Wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, sitzen Männer längst nicht mehr nur am Steuer, sondern treten immer öfter auch als Mitfahrer in Erscheinung. Im Hinblick auf Pkw-Besitz, Verkehrsleistung und Verkehrsmittelnutzung gibt’s nach Erkenntnissen der Forscher keine Unterschiede mehr zwischen den Geschlechtern.
Offen lässt die Studie allerdings die Frage, wie sich Multimodalität und verändertes Rollenverhalten in Zukunft auf die Bereitschaft zur Anschaffung und Nutzung eines neuen Pkw auswirkt. "Wir wissen nicht, ob diese jungen Erwachsenen diese Verhaltensmuster beibehalten. Es kann sein, dass die Generation mit der Familiengründung eher wieder auf das Verhalten der Eltern einschwenkt. Vielleicht bestimmt aber auch die Nutzung vielfältiger Verkehrsmittel weiterhin die Mobilität dieser Generation", beschreibt Dr. Irene Feige die Spannbreite der Möglichkeiten.

Zu den Zielen neuer Mobilitätslösungen zählen unter anderem, weniger Ressourcen zu verbrauchen, die Wirtschaftlichkeit zu optimieren, der Einsatz technischer Innovationen sowie eine effizientere Gestaltung des Verkehrssystems. Auf einem anderen Blatt steht jedoch, welche Schlussfolgerungen die Strategen in den Führungsetagen ziehen. Die Konturen für ein neues Selbstverständnis der BMW Group als Mobilitätsanbieter zeichnen sich schon heute ab.

In den nächsten zehn Jahren verändert sich mehr als in den letzten 100

Der Verkauf der Fahrzeuge dürfte künftig nur ein einzelner Baustein in einem sehr breit angelegten Geschäftsmodell darstellen. Eine maßgebliche Rolle wird dabei Carsharing spielen, das dann auch die Elektrofahrzeuge des Konzerns mit einbezieht.

"Die Entwicklung der Mobilität unterliegt einer enormen Dynamik. In den nächsten zehn Jahren wird es mehr Veränderungen geben als in den letzten 100. Allerdings können wir als Hersteller nicht alle Herausforderungen alleine stemmen", sagt BMW-Markenvorstand Peter Schwarzenbauer. "In Zukunft geht es nicht mehr darum, wer die Macht über den Kunden hat, sondern wie sich die Mobilität über alle Verkehrsträger hinweg gemeinsam am besten managen lässt."