Mobilität im Unternehmen Auch Pendeln ist Reisen

Geschäftsmann hängt an Baloon Foto: AdobeStock

Wer das Mobilitätsverhalten der Mitarbeiter ändern will, braucht Zeit und langfristige Konzepte. Und er muss die An- und Abreisewege zur Arbeit berücksichtigen.

Bei beruflicher Mobilität denken die meisten Menschen an Geschäftsreisen, an Flüge, Fahrten mit Bahn oder Mietwagen. Doch berufliche Mobilität umfasst alle Wege von Beschäftigten. Also auch die Fahrt zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause. Dem sollten Unternehmen Rechnung tragen, empfiehlt Verkehrsplaner Professor André Bruns von der Hochschule Rhein Main. Ein betriebliches Mobilitätsmanagement analysiere den gesamten vom Arbeitgeber verursachten Verkehr, steuere ihn sinnvoll und verringere ihn im Optimalfall. „Bisher betrachten Unternehmen Arbeitswege und geschäftliche Wege meist getrennt“, sagt Bruns. Reise- und Flottenmanagement seien nur für die Dienstfahrten zuständig, nicht aber für die Arbeitswege.

Die 2017 vom Verkehrsministerium in Auftrag gegebene Studie „Mobilität in Deutschland“ zeige jedoch, wie sehr berufliche Mobilität das gesamte Verkehrsgeschehen präge. „An einem Werktag legen Berufstätige zwei Drittel ihrer Wege aus beruflichen Gründen zurück“, sagt Bruns Vor allem beim Pendeln kommen viele Kilometer zusammen. „Das Problem dabei ist, dass die meisten Arbeitnehmer zur gleichen Zeit zur Arbeit und wieder zurück fahren. So kommt es in den Städten zu einem hohen Verkehrsaufkommen, aus dem letztendlich Staus entstehen.“

Das Thema werde in den Unternehmen völlig unterschätzt. „Für die Arbeitgeber ist berufliche Mobilität letztendlich ein Kostentreiber und für die Gesellschaft insgesamt ein Problem.“ Betriebliches Mobilitätsmanagement dagegen bringe für die Unternehmen handfeste Vorteile. Kämen mehr Mitarbeiter mit Bus und Bahn oder schlössen sich zu Fahrgemeinschaften zusammen, so könne man Parkplätze einsparen. Außerdem können Unternehmen ihren CO2-Ausstoß reduzieren. Ein ökologisch korrekter Fußabdruck hat wiederum positive Auswirkungen aufs Firmenimage. Und passgenaue Mobilitätsangebote helfen, Fachpersonal oder Führungskräfte zu finden.

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Mobilität in Deutschland.

Tatsächlich treibt das Thema Verkehr unsere gesamte Gesellschaft um. Angesichts von Fahrverboten sorgen sich Pendler und Beschäftigte, ob sie mit ihren Autos künftig noch zur Arbeit kommen. Zusätzlich verliert der Dienstwagen als Statussymbol an Bedeutung. Firmen setzen E-Autos, Diensträder oder Pedelecs ein. Umwälzungen bringen auch die vielen innovativen, neuen Sharingkonzepte.

Angesichts der neuen Herausforderungen und Möglichkeiten rät Bruns Arbeitgebern, Mobilität in ihrer Gesamtheit zu betrachten und passgenaue Konzepte zu erarbeiten. „Unternehmen sind ein geschützter Raum, in dem die Mitarbeiter Neues ausprobieren können.“ Beispiel E-Mobilität: Entscheidet sich ein Unternehmen, Elektroautos oder Plug-in Hybriden als Firmenwagen einzusetzen, kann das dazu führen, dass Beschäftigte ihre Vorurteile gegenüber dieser Antriebstechnik verlieren.

Wie erfolgreich und nachhaltig betriebliches Mobilitätsmanagement sein kann, zeigt das Beispiel „Maastricht Bereikbaar“ (Maastricht erreichbar). Wegen des Baus eines Tunnels drohte der Verkehr zu kollabieren. „Darauf schlossen sich 50 Unternehmen mit 55.000 Mitarbeitern zusammen, damit Stadt und Arbeitsplätze weiterhin erreichbar bleiben.“ Es wurden Fahrgemeinschaften organisiert, Park-and-ride-Plätze gebaut. Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln wurden gefördert, aber auch E-Bikes und Heimarbeit. „Das Ganze hat sich über Jahre hinweg positiv entwickelt. Im Jahre 2017 verzichteten 3.000 Personen einmal in der Woche auf ihr Auto.“

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Mobilität in Deutschland.

Doch solche Angebote ändern nicht automatisch das Verhalten der Beschäftigten. Der Fahrradstellplatz in der Tiefgarage oder das Firmenticket für den öffentlichen Nahverkehr bringen wenig, wenn der Arbeitgeber nicht darüber informiert. Radelt auch der Chef ab und zu ins Büro, fällt es leichter, ebenfalls das Auto stehen zu lassen. Außerdem sollten Firmen Anreize schaffen, empfiehlt der Verkehrsplaner. Sie könnten zum Beispiel Diensträder einführen oder zumindest Gutscheine für Fahrradreparaturen ausgeben.

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„Im Mittelpunkt aller Maßnahmen sollte aber immer der Mensch stehen“, betont Bruns. Deshalb sei es sinnvoll, erst einmal nachzufragen, was die Mitarbeiter brauchten und wollten, und dann Konzepte zu erarbeiten, denn die Vielfalt möglicher Maßnahmen ist groß. Firmen können helfen, Fahrgemeinschaften zu bilden, indem sie interessierte Mitarbeiter zusammenbringen. Sie können die E-Mobilität fördern bis hin zum Einsetzen eines Mobilitätsbeauftragten und dem Nutzen von Sharingangeboten. Diensträder ohne Stellplätze, Umkleideräume oder Duschen einzuführen, heißt, die Sache nicht bis zu Ende zu denken. Bruns ist überzeugt: Sollen Managementprozesse erfolgreich sein, müssen Unternehmen sie auf Dauer anlegen. „Schnelle Erfolge sind zwar möglich, grundsätzliche Veränderungen im Mobilitätsverhalten brauchen jedoch einige Zeit.“