Nachhaltigkeit E-Autos Problemkind Batterie

EV charging station for electric car in concept of green energy and eco power Foto: Adobe Stock/Blue Planet Studio

Ob E-Autos nachhaltiger als Verbrenner sind, bestimmt vor allem ihre Batterie. Noch besteht sie aus umweltschädlich abgebauten und um die halbe Welt transportierten Rohstoffen. Hersteller versuchen aber, die Klimabilanz der Akkuproduktion zu verbessern.

Mit nur einer Batterieladung von Berlin nach Paris fahren: Der Vision EQXX schlägt der Reichweitenangst ein Schnippchen. Der E-Mercedes ist zwar ein Konzeptfahrzeug, aber er soll zeigen, was künftig möglich ist, denn die Sorge vor dem Liegenbleiben hält immer noch viele Fuhrparkentscheider und User-Chooser vom Umstieg auf einen Stromer ab.

Hürden sind aber nicht nur praktische Fragen wie Reichweite und Lademöglichkeiten. Diskutiert wird auch, wie nachhaltig Elektroautos wirklich sind. Zwar sind sie klimafreundlich unterwegs, zumindest, wenn der Fahrstrom aus erneuerbaren Energien stammt. Doch die Batterie verringert den Klimavorteil eines Stromers gegenüber einem Verbrenner massiv. Zum einen ist ihre Herstellung energieintensiv. Zum anderen werden Akkus hauptsächlich in Asien mit vornehmlich fossil erzeugtem Strom produziert. Deshalb startet ein Elektroauto mit einer schlechteren Ökobilanz als ein Verbrenner. Ein Nachteil, den es erst nach mehreren Zehntausend Kilometern aufholt.

Außerdem steckt in jeder Autobatterie eine kleine Rohstoffmine. Viele Materialien stammen aus Ländern, in denen der Abbau die Umwelt belastet und Menschenrechte verletzt. Noch sind für den Elektroantrieb Metalle unverzichtbar. Je nach Größe werden in einem Akku zwischen sechs und elf Kilogramm Lithium oder neun bis dreizehn Kilogramm Kobalt verbaut.

Foto: Mercedes
Auf einer 300 Meter langen Produktions-linie mit mehr als 70 Stationen baut Mercedes in Stuttgart-Hedelfingen Batterien für den EQS. Laut Mercedes ist die Produktion der Zellen CO2-neutral.

Lithium kommt vor allem aus Südamerika und wird dort aus Salzseen gewonnen. Das verbraucht große Mengen an Wasser und lässt in den regenarmen Re­gionen den Grundwasserspiegel absinken – zum Nachteil der Ökosysteme und der indigenen Völker, kritisieren Umweltschützer. "Immer wieder werden Menschenrechtsverletzungen beim Rohstoffabbau in der Lieferkette der Automobilindustrie dokumentiert", sagt Armin Paasch von Misereor. Besonders kritisch: Kobalt. 60 Prozent davon stammen aus dem Kongo, 15 bis 20 Prozent aus dem Kleinbergbau. Das Land steht im Human-Development-Index auf Rang 175 von 189 gelisteten Staaten, weniger als zehn Prozent der Menschen sind regulär beschäftigt.

Die Deutsche Rohstoffagentur (Dera) schätzt, dass die Energie- und Antriebswende bis zum Jahr 2040 die Nachfrage nach den edlen Metallen noch weiter anheizen wird. Lithium zum Beispiel könnte den aktuellen Bedarf um das 5,9-Fache übertreffen. "Für die Automobilindustrie ist daher ein gutes Rohstoff­risikomanagement wichtig", sagt Dera-Leiter Peter Buchholz. Denn der Boom der E-Autos stellt die Hersteller vor schwer kalkulierbare Risiken: Preisschwankungen, Verfügbarkeiten, Abhängigkeiten von Konfliktländern, begleitet vom kritischen Blick immer nachhaltigkeitsbewussterer Kunden und Investoren. "Allein für Kobalt rechnen wir bis 2025 etwa mit dem Dreifachen unseres heutigen Bedarfs", sagt Andreas Wendt, BMW-Vorstand für Einkauf.

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Darauf reagieren die Autohersteller mit vielfältigen Strategien, etwa bei der Beschaffung. BMW strukturierte bereits die Lieferketten um und kauft Kobalt in Australien und Marokko direkt ein, um es an den Batterieproduzenten weiterzureichen. So habe man vollständige Transparenz über die Herkunft der Rohstoffe.

Daimler wählt einen anderen Ansatz und verzichtet bewusst nicht auf den Bezug aus kritischen Herkunftsländern. Stattdessen wolle man die lokale Wirtschaft fördern und die Situation vor Ort für die Menschen verbessern. "Wir haben die Lieferketten bis zur Mine nach OECD-Leitlinien auditieren lassen", sagt Daimler-Vorstandsmitglied Markus Schäfer. Künftig verpflichte man die Lieferanten der Batteriezellen, Kobalt und Lithium nur noch aus zertifiziertem Abbau zu beziehen. "So lassen sich neben Kinderarbeit und anderen sozialen Belangen auch Umweltrisiken beim Abbau der Rohstoffe minimieren."

Ein anderer Ansatz ist, den Anteil kritischer Rohstoffe in Lithium-Ionen-Batterien zu senken. "Bei den kommenden Generationen von Batteriezellen wird der Kobaltanteil bereits auf weniger als zehn Prozent reduziert", sagt ­Schäfer. Volkswagen dagegen will irgendwann bei zwei bis drei Prozent landen.

Renault Mégane E-Tech (2022) Test
Vom Kombi zum Crossover

Längst schon läuft die Entwicklung neuer Batterie­typen und Materialzusammensetzungen, für die andere und weniger kritische Rohstoffe benötigt werden. Renault etwa verbaut im neuen Mégane E-Tech einen flüssigkeitsgekühlten Stromspeicher mit einer um 20 Prozent höheren Energiedichte als in den aktuellen E-Autos. Möglich wird das durch die geänderte chemische Zusammensetzung der Lithium-Ionen-NMC-Batterie (Nickel, Mangan, Kobalt), die mehr Nickel und weniger Kobalt enthält.

Nachhaltigkeitsaktivitäten für Lithium

Das branchenübergreifende Projekt Responsible Lithium Partnership etwa will in Chile mit lokalen Interessengruppen einen verantwortungsvollen Umgang mit Lithium entwickeln. Gegründet wurde die Initiative im Frühjahr 2021 von BASF, Mercedes-Benz, Daimler Truck, Fairphone und dem Volkswagen Konzern. Nun ist auch BMW beigetreten. Sie fördere weder die Lithiumbeschaffung noch den Ein- bzw. Verkauf von mineralischen Rohstoffen. Ziel der Studie sei, die Wechselwirkungen zwischen den Süßwasser- und den Lithium-Sole-Schichten wissenschaftlich besser zu verstehen, verschiedene Technologien zu bewerten und damit eine Kompetenz zur Beurteilung eines nachhaltigen Lithiumabbaus zu erreichen. So wollen die Partner eine wissenschaftliche Grundlage für künftige Entscheidungen zum Bezug von Lithium bekommen.

Atacama Wüste Chile, Lithium-Vorräte Foto: Getty Images/Santiago Urquijo
In der Atacama-Wüste in Chile liegen gewaltige Lithium-Vorräte.

Nickelfreie Batterie von Tesla

Teslas chinesischer Zulieferer Contemporary Amperex Technology (CATL), der auch BMW, Daimler und VW beliefert, hat eine nickel- und kobaltfreie Batterie entwickelt. Noch aber hat diese Lithium-Eisenphosphat-Technologie einen Nachteil: Die Batterien sind schwerer als die aktuell verbauten Akkutypen, was zulasten der Reichweite geht.

Parallel arbeiten die Autohersteller in Pilotprojekten daran, Altbatterien als Rohstoff­minen auszuschlachten. Über 90 Prozent des Nickels und Kobalts können zurückgewonnen werden. Verfahren dafür existieren schon, müssen aber verfeinert werden, um die Primärrohstoffe möglichst rein zurückzugewinnen. Daimler etwa plant dafür den Bau einer eigenen Recyclingfabrik in Kuppenheim. Die meisten Autohersteller verfolgen sogenannte Secondary-first-Strategien, mit denen sie wiedergewonnene Materialien ein zweites Mal verwerten. So teilt BMW mit, den Sekundär­nickelanteil "sogar auf bis zu 50 Prozent" angehoben zu haben.

Erprobt wird auch, wie Autobatterien ein zweites Leben führen können. Wenn ihre Kapazität schwindet, werden sie ausgetauscht. Einmal ausgedient, haben sie laut der Forschung oft noch zwei Drittel ihrer ursprünglichen Leistungsfähigkeit. Das ist genug, um in einem Verbund als Stromspeicher dienen zu können. Daimler und VW nutzen solche Batteriefarmen nur in ihren Werken, um Lastspitzen im Netz abzufedern.

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Ford wiederum tüftelt in Köln mit den Verkehrs­betrieben und dem lokalen Versorger daran, in ausrangierten Autoakkus Ökostrom für E-Stadtbusse zwischenzuspeichern. Und Renault testet momentan in mehreren Regionen Europas, wie ausgediente Akkus in lokale Stromnetze eingebunden werden können. Solange Forschung und Erprobung noch keine nachhaltigeren Lösungen auf die Straße bringen, dienen Altbatterien am Ende wenigstens der Energiewende.

Ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit wäre zudem, Batterien hierzulande zu produzieren. "Grundsätzlich ist eine inländische Batterieproduktion positiv, weil sie die Abhängigkeit von China und anderen asiatischen Ländern reduziert", sagt Katja Filzek, Nachhaltigkeitsanalystin für den Autosektor bei Union Investment. Zudem ließen sich so Nachhaltigkeitsstandards leichter durchsetzen und kontrollieren. Allerdings gilt auch dann: Wirklich grün werden hierzulande hergestellte Batterien nur dann, wenn sie mit erneuerbaren Energien produziert wurden.

Klimabilanz Verbrenner und E-Auto 2022 Foto: International Council on Clean Transportation
Klimabilanz Verbrenner und E-Autos

Klimabilanz Verbrenner und E-Autos

Seit Jahren streiten Experten, ob E-Autos ­nachhaltiger als Verbrenner sind. Eine Analyse des International Council on Clean Transportation vom Juli 2021 sieht das E-Auto vorn. Die Experten betrachteten verschiedene Antriebsarten in der Kompaktwagenklasse über den kompletten Lebenszyklus hinweg, von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung, bezogen auf Europa, die USA, China und Indien. Ihre Erkenntnis: Beim heutigen Strommix ist die CO2-Bilanz von neuen Elektroautos in Europa um 66 bis 69 Prozent niedriger als für vergleichbare neue Benziner oder Diesel. Selbst in Indien, das Strom überwiegend in Kohlekraftwerken erzeugt, kommt ein Stromer auf bis zu 34 Prozent weniger Emissionen als ein Verbrenner. Rechne man den steigenden Anteil erneuerbarer Energien im Strommix ein, werde sich der Klima­vorteil für Neufahrzeuge bis zum Jahr 2030 auf etwa 74 bis 77 Prozent erhöhen. Fahren sie gänzlich mit Grünstrom, klettert der Vorteil auf bis zu 81 Prozent.

Lithium aus Deutschland

Geologen vermuten große Vorkommen an Lithium in Deutschland. In Bruchsal erprobt das Karlsruher Institut für Technologie, wie sich das "weiße Gold" CO2-frei mithilfe von Geothermie unter dem Rhein fördern lässt. Im heißen Thermalwasser in bis zu vier Kilometer Tiefe sind große Mengen an Lithium bereits natürlich gelöst. In einer Testanlage werden bis zu 70 Liter Wasser pro Sekunde nach oben gepumpt, und das Metall wird herausgefiltert. In 40 Minuten wäre genügend Lithium für eine Batterie, im Laufe eines Jahres für etwa 20.000 Akkus gewonnen. Auch im Oberrheingraben, im Erzgebirge und im Ruhrgebiet werden Vorkommen vermutet. Allerdings ist noch unklar, wie wirtschaftlich die Gewinnung in Deutschland sein würde.