Navigation Wohin geht die Reise?

Foto: Porsche

Es tut sich etwas bei den Navi-Systemen. Smartphone und Bordelektronik arbeiten enger zusammen und die Geräte werden billiger. FIRMENAUTO wagt einen Ausblick.

Noch vor wenigen Jahren war das Navi Luxus im Firmenwagen. Heute aber gehören Navigationssysteme längst zum selbstverständlichen Werkzeug der Autofahrer. Die Aufpreise beim Bestellen eines Navis als Werksoption sind moderater geworden, Nachrüstgeräte zum Festeinbau sind schon für unter 1.000 Euro zu haben. Für kleinere Budgets gibt es ein breites Angebot an portablen Navigationsgeräten oder ­Navi-Apps fürs Smartphone.

Nach einer aktuellen Studie des Branchenverbands Bitkom nutzen insgesamt 74 Prozent der Autofahrer ein Navi-System. Rund ein Drittel davon setzt auf fest eingebaute Geräte, 21 Prozent navigieren mit ihrem Smartphone, der Rest nutzt vor allem portable Geräte.
Nach dem Megaboom in den Jahren 2006 bis 2009 sind die Verkaufszahlen von portablen Navis allerdings stark rückläufig. Die Verkäufe teilen sich künftig vor allem auf Festeinbaugeräte und Smartphones mit Navi-App auf.

Die Topmodelle der verbliebenen ­Navi-Portables liebäugeln längst ebenfalls mit dem Smartphone: Waren in der vorherigen Generation der High-End-­Geräte von Anbietern wie Tom Tom oder Navigon noch Mobilfunk-Modems eingebaut, um übers mobile Internet Verkehrsinformationen abzurufen, ver­bindet sich die jüngste Generation von Navi-Portables per Bluetooth mit dem Smartphone. Der Verzicht auf den Einbau ­teurer Mobilfunktechnik hilft den Herstellern, die Verkaufspreise ihrer Geräte zu senken – der durchschnittliche Käufer eines Navi-Portables will nicht mehr als 200 Euro ausgeben.

Immer mehr Online-Dienste

Online-Verkehrsinfos stehen in allen Gerätekategorien hoch im Kurs. Denn Fahrer und Hersteller mussten erkennen, dass die Informationen aus dem TMC-System (und auch seiner Premium-Variante TMC Pro) nicht aktuell sind: Die Meldungs­kette über die Radiosender braucht einfach zu lang – so mancher Stau hat sich schon wieder aufgelöst, bevor er ­überhaupt per TMC gemeldet wurde. Tom Tom oder spezialisierte Dienstleister wie Inrix und Navteq liefern Infos über Staus, Unfälle und Umleitungen übers Internet erheblich schneller.

Davon profitieren die Topmodelle der Portables und die Smartphone-basierten Navi-Apps zunehmend. Aber auch die mit einem Autotelefon oder Smartphone vernetzten Werkseinbauten nutzen diesen Service. Dieser Trend wird sich noch verstärken: Die Zukunft der Navigation ist ganz klar online. Neben Verkehrsinfos beziehen High-End-Navis auch schon am heimischen Rechner vorbereitete ­Routenziele oder die Suchergebnisse von ­Google-Recherchen übers Internet. Audi, Mercedes und BMW bieten dies längst. Die nächste Generation von Navis wird dank schneller Datenfunkstandards wie LTE zusätzlich auch Kartenaktualisierungen und Updates ihrer Systemsoftware übers Internet beziehen.

Hardware ist in modernen Autos vorhanden

Dabei wird die Funktion "Navigation" auch auf Festeinbausystemen zunehmend zu einem reinen Software-Feature – die erforderliche Hardware wie Bildschirm, Eingabeelemente und GPS ist in modernen Autos ohnehin schon vorhanden. Sie bietet Fahrzeugherstellern die Möglichkeit, Komfortfunktionen nachträglich per Software-Update ins Auto
einzuspielen. Autofahrer können beim Fahrzeugwechsel abonnierte Dienste mitnehmen. Für die Hersteller erschließen sich damit ganz neue Geschäftsfelder. BMW beispielsweise geht diesen Weg mit Connected Drive bereits heute.

Gegenüber Navi-Portables und Smartphone-Apps profilieren sich Festeinbausysteme künftig noch stärker über die Vernetzung mit den anderen Fahrzeugsystemen. Schon längst setzen ab Werk installierte Navis nicht nur auf GPS, sondern auch auf die Radsensoren des ABS-Systems und andere Fahrzeuginformationen, um Position, Richtung und Geschwindigkeit zu ermitteln. Ein nettes Software-Gadget, das vor allem einige ­japanische Hersteller wie Toyota oder Mazda bereits anbieten, ist die Vernetzung mit Außentemperatur- und Regensensor, um die Displaydarstellung im ­Navi an die tatsächlichen Wetterverhältnisse anzupassen.

Navi steuert Schaltvorgänge von Automatikgetrieben

Auch der Informationsfluss in umgekehrter Richtung bietet interessante Mög­lichkeiten: Im Rolls-Royce Wraith passt die Getriebeautomatik ihre Schaltvorgänge an den von den Navi-Daten vorhergesagten Streckenverlauf an. Solche Ideen werden künftig auch in günstigeren Fahrzeugklassen zu finden sein. Nicht unbedingt um schneller, sondern vor allem, um sparsamer und sicherer ans Ziel zu kommen.

Denn aus der Vernetzung von Bordsensoren, Kameras und Navigationsdaten kann sich das Fahrzeug besser auf seine Umwelt einstellen und dem Fahrer bei Bedarf Rückmeldungen geben. So spielt das Head-up-Display Tempolimits oder Gefahrenmeldungen ins Blickfeld des Fahrers.

Head-up-Displays sind ein Beispiel

für Augmented Reality – übersetzt etwa "Anreicherung der Realität mit Computerinformationen". Die Idee: Durch Ein­blendung in die Windschutzscheibe oder in den Navi-Bildschirm werden Richtungspfeile, Entfernungsangaben oder Warnhinweise sichtbar. Auch hier wird sich schon in naher Zukunft einiges tun. Mitte 2013 stellte der US-Hersteller Garmin für nur 150 Euro das erste Head-up-Display zum Nachrüsten vor. Die Schrift- und Pfeildarstellungen des kleinen Kästchens sind zwar noch grob und vergleichsweise unflexibel, zudem arbeitet das Gerät nur mit Smartphone-Apps von Garmin oder der mittlerweile von den Amerikanern aufgekauften deutschen Software-Schmiede Navigon zusammen. Doch das Head-up-Display zum Nachrüsten ist schon mal ein Anfang. Leistungsstärkere Modelle dürften schnell folgen.

Kommunikation zwischen Bordsystem und Smartphone

Ohnehin werden viele clevere Ideen aus der Erstausrüstungswelt bald in die Navi-Apps auf Smartphones Einzug halten. Schließlich haben auch Telefone eine Kamera und immer leistungsfähigere ­Prozessoren, mit denen sie solche Anzeigen oder ähn­liche Funktionen realisieren können. Der An­bieter Route 66 hat schon mit "Navigate 6" eine Smart­phone-App im Angebot, die Navigations­anweisungen ins Kamerabild einblendet und den Fahrer dabei einem virtuellen Auto folgen lässt.

Auch die Integration von Smartphones in die Bordsysteme ist keine Einbahnstraße: Während das Entertainment-System im Fahrzeug die auf dem Telefon gespeicherten MP3-Musikdateien abspielt, könnte das Smartphone seinerseits Informationen von Fahrzeugsensoren oder -systemen beziehen und verarbeiten.

Technik steht bereit

Noch sperren sich vor allem die Anbieter von Oberklasse-Fahrzeugen ein wenig gegen diese Trends – sie wollen lieber ab Werk eingebaute ­Premium-Infotainmentsysteme zum Premium-Preis verkaufen. Doch technisch wäre es längst realisierbar, dass eine auf dem Smartphone laufende Navi-App ihre Kartenanzeigen drahtlos auf den Bord-Bildschirm überspielt. Angesichts immer schnel­lerer Innovationszyklen im Smartphone-Bereich ­kommen die Fahrzeughersteller in einigen Jahren möglicherweise nicht mehr umhin, ihre Konzepte dieser Entwicklung anzupassen.

Dem Kunden und Fahrer kann es recht sein, denn eine clevere Kombination der Bordsysteme mit dem Mobiltelefon brächte ihm das Beste aus beiden Welten: den Bedienkomfort und die ­Zuverlässigkeit der Automobilwelt plus die ­rapide wachsende Rechenleistung und das hohe Innovationstempo der Smartphone-Branche. ­Dar­auf darf man sich freuen.