Navigationskarten Warum Autohersteller Kartendienste kaufen

Foto: Nokia

Audi, BMW und Mercedes haben Here von Nokia gekauft. Doch warum investiert die Autoindustrie in teure Kartenanbieter? Weil deren Daten fürs autonome Fahren unerlässlich sind.

Daimler, BMW und Audi haben gemeinsam 2,8 Milliarden Euro investiert und Nokias Kartendienst Here übernommen. Denn wenn es nach den Vorstellungen der Ingenieure geht, dann ist der Autofahrer ein Auslaufmodell. Künftig soll das Auto die Fahraufgaben übernehmen, während die Insassen sich anderen Dingen widmen. Autonomes Fahren lautet das entsprechende Stichwort. Damit das allerdings immer und überall funktioniert, muss die Elektronik auch immer und überall wissen, was auf den Straßen los ist, und welche Richtung die Richtige ist. Entscheidend dafür ist extrem genaues Kartenmaterial – und das unterscheidet sich in vielen Bereichen von dem, was wir von aktuellen Navigationsgeräten kennen.

Nahezu jeder Hersteller arbeitet an Technologien für das autonome Fahren

Wenn es um die Kartografierung der Welt geht, ist das US-Unternehmen Google sicher der Vorreiter. Auch beim autonomen Fahren spielt man ganz vorne mit: Seit 2012 ist eine wachsende Versuchsflotte fahrerloser Autos unterwegs. Doch ein Vorreiter hat immer auch Konkurrenz, die ihn nachahmen oder letztendlich auch überflügeln will. Inzwischen arbeitet nahezu jeder Hersteller an Technologien für das autonome Fahren, und auch andere Kartendienste bereiten sich auf diese Mobilitäts-Zukunft vor. Etwa Nokia mit dem Dienst Here oder der niederländische Navigations-Anbieter TomTom.

Letzterer hat vor wenigen Tagen nun eine Zusammenarbeit mit Zulieferer Bosch verkündet, und dabei auch erklärt, wie sich die autonome Navigation der Zukunft von der heutigen unterscheiden wird. Wie heute wird es auch morgen eine sogenannte Basis-Navigationsschicht geben – also die Berechnung einer Route von A nach B inklusive der auf dem Weg liegenden Straßen. Hinzu kommen aber künftig weitere Schichten des Navigierens. Das automatisierte Fahrzeug muss aktuelle seine Position auf der Fahrspur kennen, es muss über Abstände zu anderen Objekten informiert sein, es muss Verkehrszeichen erkennen und natürlich auch über Kurvenradien oder Gefälle Bescheid wissen.

Navigationsdaten sind auf Meter genau

All das aber muss nicht nur ungefähr funktionieren, sondern extrem genau. Aktuelle Navigationsdaten allerdings haben Genauigkeiten, die im Meterbereich liegen. Man kennt also die Position mit einem Spielraum von einem oder mehr Metern. Damit künftig der Verkehr autonom laufen kann, ist jedoch eine Genauigkeit im Bereich von Dezimetern erforderlich – ein Dezimeter entspricht zehn Zentimetern. Wo nun eben die Kartenanbieter ins Spiel kommen, die solche sogenannten hochgenauen Daten liefern sollen. Nach Bosch-Angaben wird TomTom noch im Jahr 2015 derart hochgenaue Daten für die deutschen Autobahnen erfasst haben. Bis das für das gesamte Straßennetz der Fall ist, wird es allerdings noch eine ganze Weile dauern.

Außerdem reicht es natürlich nicht aus, wenn diese Daten ein einziges Mal erfasst werden. Damit das Auto wirklich autonom fahren kann, muss es immer auf dem neuesten Stand sein. Also müssen die Daten regelmäßig aktualisiert werden. „Man muss auch wissen, wo etwa eine Tagesbaustelle eingerichtet ist“, so Christian Buric vom ADAC. Die Anbieter planen unter anderem eigene Flotten von Fahrzeugen einzusetzen, die regelmäßig Daten aktualisieren. Außerdem sollen auch die autonomen Fahrzeuge selber Daten sammeln und weitergeben. Denn im Grunde geht es um jedes Detail: Es könnte beispielsweise schon fatal enden, wenn das fahrerlose Auto nicht über einen kaputten Gullideckel informiert ist.

Autohersteller brauchen zuverlässige Daten

Bei all dem ist es natürlich vor allem wichtig, dass Hersteller und Insassen sich auf die Daten verlassen können. Genau das ist auch ein weiterer Grund, dass sich etwa BMW, Audi und Mercedes zum Kauf von Nokia Here entschlossen haben. „Kommen die Daten von einem externen Anbieter, dann besteht immer auch die Frage, wie aktuell sie wirklich sind“, so Constantin Hack vom Auto Club Europa (ACE). Diese Aktualität wiederum ist aber auch im Zusammenhang mit Haftungsfragen wichtig. Die Autohersteller wollen zuverlässige Daten, und sie wollen bei etwaigen Eventualitäten nicht durch Zulieferer in Haftungsprobleme geraten.

Ein Thema sind dabei auch mögliche Hackerangriffe, gegen die man sich mit einem eigenen System besser abgesichert fühlt. Gerade erst haben Hacker schließlich wieder bewiesen, dass es durchaus möglich ist, von außen die Kontrolle über ein Auto zu übernehmen. In diesem Fall allerdings handelte es sich nicht um ein feindliches Eindringen. Die Sicherheitsexperten veröffentlichten vielmehr ihre Arbeit, und machten so ein Schließen der Sicherheitslücken überhaupt möglich: Sie waren über das Unterhaltungssystem des Wagens in die Elektronik eingedrungen, konnten von außen die Lenkung und auch die Bremsen betätigen.

Facebook nutzt die Here Maps für mobile Version

Und es gibt noch weitere Gründe, warum für einen Dienst wie Nokia Here Milliardensummen ausgegeben werden – und warum neben den Autobauern auch Apple, Samsung, Yahoo und Fahrdienstvermittler Uber zu den Interessenten zählten. So weist ACE-Sprecher Hack daraufhin, dass es bei Nokia Here nicht allein um Kartenmaterial, sondern auch um Patente geht. Laut Berichten amerikanischer Medien hat Nokia in den frühen 2000ern zahlreiche Technologie-Unternehmen akquiriert und in Here integriert. Damit verbunden sollen fast 700 US-Patente rund um digitale Karten und Mobilität sein – von Methoden zur Berechnung der Ankunftszeit bis hin zur Feststellung von Abweichungen der Position. Alles sehr wertvolle Informationen, wenn es um das Umsetzen des wirklich autonomen Fahrens geht, und darum, der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein.

Es gibt aber noch etwas, das gerade Nokia Here so wertvoll macht. Ohne dass es offiziell groß verkündet wurde und durch die Medien ging, hat man nämlich im Frühjahr einen ganz besonderen Coup gelandet: Facebook nutzt die Here Maps inzwischen für die mobile Version des sozialen Netzwerks, und sorgt so schon lange vor dem Siegeszug des autonomen Fahren bei Millionen von Menschen für eine Bekanntheit und auch Verbundenheit mit dem Kartendienst. Und wer dem Dienst schon jetzt vertraut, dem fällt es später vielleicht auch leichter, dieses Vertrauen auf das Steuern des Autos zu übertragen.