NEFZ-Angaben bei Neuwagen Kunden werden verschaukelt

Dekra Technogy Center Foto: Thomas Küppers

Seit 2019 wird der Verbrauch von Neuwagen nach der recht alltagsnahen WLTP-Norm gemessen. Doch die Hersteller müssen immer noch die alten NEFZ-Werte angeben. Schuld hat die Politik.

WLTP, das ist doch ein alter Hut. Vor drei Jahren, da war das ein Thema, als unklar war, wie Car-Policys angepasst werden müssen und wie teuer die Kfz-Steuer sein wird. Doch inzwischen ist der neue Verbrauchszyklus etabliert, denn seit September 2018 gilt er verpflichtend für jedes neu zugelassene Auto, und auf seiner Basis wird die Steuer berechnet.

Nur, jetzt gibt es da noch so eine Art gallisches Dorf, eine letzte Bastion, die nicht fallen will, und das ist das Pkw-Label. Es schmückt jede Konfiguration, und an jedem Ausstellungsfahrzeug beim Händler hängt der Zettel der Deutschen Energieagentur (Dena) mit farbigen Effizienzklassen, wie wir sie auch von Kühlschränken und Waschmaschinen kennen. Kunden sollen auf einen Blick sehen können, welche laufenden Kosten ihr neues Auto verursacht und ob es sparsam ist. Deswegen weist das Label auch den Verbrauch aus. Abhängig vom Fahrzeuggewicht ergibt sich dann eine Effizienzklasse von A+ bis G. Nur, dass hier immer noch der alte NEFZ-Verbrauch zugrunde liegt, der damit bekannt wurde, besonders unrealistisch niedrige Verbrauchsangaben zu erzeugen.

Schon 2019 hätten die richtigen Werte genannt werden sollen

Die Dena sieht sich hier nicht in der Verantwortung, etwas zu ändern, und das ist wahrscheinlich richtig so. Die Schuld liegt bei der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung, kurz EnVKV. Und wer denkt sich so ein schönes Behördendeutsch aus? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, kurz BMWi. Bei unseren Recherchen vor drei Jahren waren sich Ministerium und Autohersteller sicher, dass bis 2019 die Umstellung aller publizierten Verbräuche auf die neue Norm vollzogen wäre. Zwei Jahre später immer noch keine Spur davon. Doch was sagt das BMWi, wann kommt die neue EnVKV?

Die offizielle Antwort: Wegen der Umstellung auf WLTP werde die EnVKV derzeit novelliert. "Aktuell finden hierzu Ressortabstimmungen statt, abschließende Entscheidungen wurden noch nicht getroffen." Das BMWi strebe an, dass die neue Fassung im dritten Quartal 2021 in Kraft treten könne. Drei Jahre nach der eigentlichen Umstellung auf WLTP. Da die aktuelle EnVKV erst 2011 in Kraft trat, war sie dann drei von zehn Jahren mit der falschen Verbrauchsnorm gültig. Das Finanzministerium, das bereits seit September 2018 die Steuer nach WLTP-Werten erhebt, hält als Teil der Bundesregierung "die schnellstmögliche Anpassung der Verbraucherinformationen in Deutschland an den geltenden EU-Rechtsrahmen für geboten und bemüht sich daher um die unverzügliche Novellierung der geltenden Pkw-EnVKV".

Leider ist diese Auskunft wenig vertrauenerweckend, findet auch Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher der FDP: "Dass die Pkw-Labels veraltete Daten anzeigen, obwohl neue Werte gelten, ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. Dass der Bund hier Handlungsbedarf sieht und sich um eine schnelle Lösung bemüht, scheint unwirklich, immerhin gibt es das Problem seit über zwei Jahren."

Tatsächlich sieht das EU-Recht vor, dass seit Januar 2021 der WLTP-Verbrauch bei einem Neuwagen ausgewiesen werden muss. Bei zahlreichen Herstellern sind diese Werte aber in den Tiefen der Konfiguratoren versteckt, wenn überhaupt. Da jede Ausstattungsvariante leicht unterschiedliche CO2-Werte produziert, ist es für Kunden also ziemlich kompliziert, Verbrauch und Kfz-Steuer vor dem Kauf herauszufinden.

Das findet auch Gerhard Kolbe von der Verbraucherzentrale problematisch. Die Zentrale sei seit 2017 in regelmäßigen Abständen mit dem BMWi im Austausch, im Sommer 2019 schickte sie sogar einen Brief zum Thema an Wirtschaftsminister Peter Altmaier – und es passierte: nichts. Informierte Quellen sprechen davon, dass es Probleme in der Abstimmung zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium gebe. Dem ist nämlich ein Dorn im Auge, dass das Pkw-Label schwere Autos bevorzugt – ein nur mäßig sparsamer großer SUV bekommt wegen seines hohen Leergewichts leichter die Effizienzklasse A als ein leichter Kleinwagen.

Weile weitergeht – auf den Schultern der Autokäufer. Immerhin könnte es künftig etwas leichter werden, vor dem Kauf an WLTP-Verbrauchswerte heranzukommen: Am 29. Dezember hat sich das BMWi nämlich zur Formulierung einer Übergangsregelung durchgerungen. Da ab 1. Januar 2021 das EU-Recht dazu verpflichte, neue Pkw nach WLTP zu kennzeichnen, empfehle das Ministerium, diese Informationen in einem einheitlichen Format neben dem Fahrzeug oder in unmittelbarer Nähe zur Verfügung zu stellen – aber bitte nicht zu nahe am Pkw-Label, damit es die Kunden nicht verwirre. Des Weiteren empfehle es, die WLTP-Werte auch in Konfiguratoren und Hersteller­websites und sogar in der Werbung aufzuführen.

Wer jetzt noch nicht verwirrt ist, hat gewonnen. Denn in der Autowerbung muss auch weiterhin der NEFZ-­Verbrauch stehen, da ja noch die EnVKV von 2011 gilt. Wollen wir mal hoffen, dass das Ministerium Wort hält, die Grabenkämpfe zugunsten einer besseren Verbraucherinformation aufgibt und es so schafft, dieser end­losen Hängepartie tatsächlich bis Oktober 2021 ein Ende zu bereiten.

Foto: firmenauto