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Ökolabel Streit um die neue EnVKV

Der Bund plant ein Ökolabel für Autos. Entscheidend ist nicht der CO2-Ausstoß, sondern dessen Verhältnis zum Gewicht.

Anhand einer speziellen Kennzeichnung sollen Kunden künftig erkennen, in welche der sieben Ökoklassen A bis G ihr Wunschauto eingeteilt ist. Daran nimmt niemand Anstoß. Es sind die Einteilungskriterien, die für Ärger sorgen. Die Regierung hat für den Herbst eine "Novellierung der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung", kurz EnVKV, angekündigt. Allein die Wortwahl lässt Schlimmes befürchten. Das Ganze sei, so der Bund, eine "Informationspflicht, um dem Verbraucher Entscheidungshilfen zur Auswahl besonders CO2-effizienter Fahrzeuge an die Hand zu geben".

"Die Regierung fördert systematisch den Verkauf schwerer und klimaschädlicher Dickschiffe"

CO2-effizient heißt aber nicht zwangsläufig CO2-arm. Zwar unterliegt die EnVKV grundsätzlich europaweiten Vorgaben. Wer aber was und wie kennzeichnet, entscheiden die Mitgliedsstaaten. So will Deutschland anders als die meisten Nachbarländer den CO2-Ausstoß ins Verhältnis zur Fahrzeugmasse setzen, um ein Auto zu bewerten. Ein System, das natürlich die eher molligen Modelle auf den Laufstegen der Autohändler begünstigt. "Statt Verbraucheraufklärung betreibt die Bundesregierung Verkaufsförderung für schwere und klimaschädliche Dickschiffe", zürnt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der deutschen Umwelthilfe (DUH): "Es kann nicht sein, dass ein Q7 Geländewagen mit CO2-Emissionen von knapp 200 Gramm eine hellgrüne B-Kennzeichnung erhält, während ein Smart oder Polo mit weniger als 90 Gramm durch ein gelbes C abgestraft wird." Vereinfacht ausgedrückt: Je schwerer ein Auto, desto mehr CO2 darf es ausstoßen, um trotzdem noch als sauber zu gelten.

Die DUH kündigte schon mal an zu klagen. In Frankreich etwa werden CO2-Sünder mit einem Malus auf den Kaufpreis belegt. Den Kauf eines besonders emissionsarmen Vertreters versüßt der Staat mit einem Kaufzuschuss. Unabhängig davon, wie schwer, breit oder lang ein Auto ist. Aber: Die Annahme, nur einheimische Hersteller profitierten von der deutschen Regel, stimmt nicht ganz. In einer von Schwacke vorab errechneten Klassifizierung fällt auf, dass die Champions League der Saubermänner von Importautos dominiert wird. Unter den zehn aufgeführten Fahrzeugen der besten Klasse A+ sind sechs Autos von Herstellern, die keinem deutschen Konzern angehören. Die übrigen vier verteilen sich auf die Volkswagen Gruppe (unter anderem mit dem Skoda 1.2 TDI Green Line oder dem Audi A3 1.6 TDI).

Andererseits führt die deutsche Regelung dazu, dass es einige der hiesigen Fahrzeuge in ebenfalls obere Ränge schaffen, die bislang nicht unbedingt unter Verdacht standen, besonders ökologisch zu sein. Entsprechend verhalten fallen die Urteile der großen Verbände aus. "Wie die novellierte Pkw-EnVKV von privaten und gewerblichen Kunden künftig in Kaufentscheidungen einbezogen wird, unterliegt so vielen variablen Faktoren, dass mögliche Auswirkungen nicht eingeschätzt werden können", sagt Thomas Böhm, Sprecher des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK).

Die Kollegen bei den deutschen Autobauern gelten bislang als Befürworter der Regelung: "Der VDA spricht sich klar für eine Kennzeichnung aus, die unterschiedliche Fahrzeuge unterschiedlicher Segmente auch unterschiedlich behandelt. Die Differenzierung ist der beste Weg, da sie Informationen zur Kraftstoffeffizienz liefert", heißt es in einer Stellungnahme. "Der Kunde muss sofort sehen, ob ein Fahrzeug effizient ist oder ob es andere Modelle mit dem gleichen Standard gibt, die sparsamer sind. Dieser Vergleich macht eine echte Kaufentscheidung überhaupt erst möglich, denn wenn jemand ein größeres Auto benötigt, wird er sich nicht wegen des geringeren Benzinverbrauchs für einen Kleinwagen entscheiden", argumentiert der VDA.

"Die Auswirkungen für Flottenbetreiber werden sich in Grenzen halten"

Wer mit Autos sein Geld verdient, schaut derweil beunruhigt nach Berlin. "Direkte Kosten sind für die Wirtschaft nicht ersichtlich", beschwichtigt der Bund. Bedenken der Autohändler will er gleich mit zerstreuen. "Indirekte Kosten sind nicht absehbar." Schließlich sei zu erwarten, dass zugleich der Absatz von als effizient gekennzeichneten Pkw steige. Während man offenbar in Berlin davon ausgeht, dass die topklassifizierten Modelle zu Verkaufsknüllern werden, sehen Flottenbetreiber und ihre Dienstleister die Diskussion gelassener. "Die Auswirkungen werden sich in Grenzen halten", sagt Michael Velte, Vorstandsvorsitzender des Verbands markenunabhängiger Fuhrparkmanagementgesellschaften (VMF). Der Betreuungsstandard der Mitglieder gehe ohnehin bereits jetzt über die geplante Kennzeichnungserweiterung hinaus: "Jeder Kunde kann auch heute schon eine fabrikatsunabhängige und ökologische Entscheidung treffen", sagt Velte.

Der Kunde selbst also wird entscheiden, ob er sein grünes Gewissen versiegeln lässt. Wobei zumindest nach deutscher Lesart kaum noch vermeintliche Umweltferkel zu haben sind. Allenfalls apokalyptische PS-Reiter vom Schlage eines Maserati Quattroporte oder Lamborghini Aventador brechen das siebte und letzte Siegel der Klasse G. Für den Weltuntergang aber werden auch sie kaum sorgen. Sie sind zu selten.

Höhere Mathematik: Die Klassenberechnung

Die nun geplante Verordnung sieht die Klasseneinteilung anhand der Abweichungen von einem bestimmten Referenzwert (RW) vor. Der wird berechnet mit der Formel

RW = 36,59079 + 0,08987 x Masse

Der Referenzwert ist anschließend auf volle Zahlen auf- oder abzurunden. Die Abweichung der tatsächlichen CO2-Emission des Fahrzeugs vom Referenzwert ist dann wie folgt zu berechnen:

Abweichung in % = (CO2 des Pkw – RW x 100)/RW

Entsprechend der Abweichung vom Referenzwert wird das Fahrzeug dann einer der nachfolgenden Effizienzklassen zugewiesen.

  • A+ <= –37 %
  • A –36,99 % bis –28 %
  • B –27,99 % bis –19 %
  • C –18,99 % bis –10 %
  • D –9,99 % bis –1 %
  • E –0,99 % bis +8 %
  • F +8,01 % bis +17 %
  • G > +17,01 %

Beispiel: Peugeot 308 SW 1.6 e-HDI Start Stop EGS6

Referenzwert = 36,59079 + 0,08987 x 1.605 kg = 181Abweichung = (112 – 181 x 100)/181 = –38,12 %Das ergibt Effizienzklasse A+.

Gemessen anhand Leergewicht inkl. Fahrer, 112 g CO2/km gemessen mit rollwiderstandsoptimierten Reifen