Pkw-Maut Unausweichlich?

Mautstelle Foto: Volker Hammermeister

Kommt die Pkw-Maut? Die Politik scheint es ernst zu meinen. Große Finanzierungslücken und notwendige Investitionen könnten diesen Schritt erfordern.

Noch nie hing das Thema Pkw-Maut so drohend über den deutschen Autofahrern wie jetzt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wurde beauftragt, bis Anfang 2012 ein Konzept vorzulegen, wie eine solche Maut aussehen könnte. Dass dieses Projekt so schnell auf dem Tisch des Verkehrsministers landet und dieser um schnelle Bearbeitung gebeten wird, ist neu. Wenn in früheren Jahren dieses Thema aufkam, sorgte es kurz für Wirbel und war dann schnell wieder vergessen.

In diesem Jahr ist das anders. So verwies der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer als Erster auf den maroden Zustand der Straßen und erklärte, er halte die Einführung einer Pkw-Maut für zwingend notwendig. Gegner der Maut stuften den Vorstoß als Sommertheater ein. Aber Seehofers Initiative fand Zuspruch, selbst aus den Reihen anderer Parteien. Auch Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) erklärte: "Überall in Europa müssen Autofahrer Pkw-Maut bezahlen. Es ist nicht mehr zu verstehen, dass sie hierzulande nicht zur Kasse gebeten werden."

Im Herbst stimmten die CSU-Delegierten für einen Leitantrag unter dem Titel "Pkw-Vignette - für eine faire Straßenfinanzierung". Das Papier sagt gleich im ersten Satz, worum es geht: "Die CSU fordert die Einführung einer Pkw-Vignette." Es folgen konkrete Zahlen: "Im Bundesfernstraßenbau besteht ein Finanzbedarf von acht Milliarden Euro jährlich. Der Finanzplan für den Bundesfernstraßenhaushalt sieht ab 2012 jährlich 5,9 Milliarden Euro vor. Es klafft also eine Finanzierungslücke von zwei Milliarden Euro."

Während Seehofer im Sommer noch von einer Maut sprach, ist im Leitantrag der CSU nun von einer Vignette die Rede. Das ist kein Widerspruch, denn es hat sich eingebürgert, bei der Zusatzabgabe kurzerhand von einer Maut zu reden. Technisch gesehen verbergen sich hinter den beiden Begriffen völlig unterschiedliche Konzepte und Verfahren. "Wir favorisieren im Augenblick die Vignette nach dem österreichischen Modell", erklärt Hans Michael Strepp, Sprecher der CSU. Die Jahresvignette kostet dort 77,80 Euro. Mit einem Betrag in dieser Größenordnung würden die deutschen Autofahrer also künftig zusätzlich belastet.

Was ist mit der Mineralölsteuer?

Manche Argumente in dem CSU-Papier scheinen auf den ersten Blick plausibel, etwa der Gedanke, ausländische Autofahrer für die Autobahnnutzung in Deutschland zahlen zu lassen. Auch der Hinweis auf die drohende Finanzierungslücke von mehr als zwei Milliarden Euro scheint ernst zu sein. "Aber wenn man sich genauer mit der Materie beschäftigt und Statistiken und Bilanzen zurate zieht, was wir beim ADAC gemacht haben, dann erweist sich das Ganze als verkehrspolitischer Unsinn", sagt ADAC-Sprecher Andreas Hölzel (siehe Kurzinterview unten).

Allein die Aussage: Wer die Autobahn nutzt, soll auch dafür zahlen. Bisher ist die Nutzung also kostenlos? Schön wäre es. Die Autofahrer zahlen bereits heute horrende Summen dafür. Durch die Mineralölsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer fließen jährlich etwa 53 Milliarden Euro in die Staatskasse. Das ist fast das Zehnfache dessen, was der Bund für die Fernstraßen bewilligt. ADAC-Präsident Peter Meyer bringt es auf den Punkt: "Das Geld ist da. Es liegt an den maßgeblichen politischen Kräften, von dieser gewaltigen Summe mehr für die Straßen bereitzustellen."

Seit den 50er-Jahren breitete sich immer mehr die Unsitte aus, die Einnahmen aus der Mineral- und Kraftfahrzeugsteuer zum Stopfen von Haushaltlöchern zu benutzen. Unter der rot-grünen Koalition wuchs die Mineralölsteuer in fünf Stufen um insgesamt 18 Cent. Und die sogenannte Ökosteuer wurde in großen Teilen zur Stützung der Sozialabgaben benutzt. Der Staat ließ keine Chance ungenutzt, den Steueranteil permanent zu erhöhen. Dazu gehört auch die bizarre Praxis, auf die Mineralölsteuer die Mehrwertsteuer aufzuschlagen. Eine Steuer auf die Steuer. Insgesamt hat sie sich die Spritsteuer seit 1950 fast verdreißigfacht.

Übrigens: Die Mineralölsteuer wurde nie gesenkt. Zwar hat sich die jeweilige Opposition immer in der Rolle gefallen, die Regierung für die Erhöhungen schwer unter Beschuss zu nehmen. Aber wenn sie dann selbst ans Ruder kam, kassierte sie die erhöhte Steuer weiter. Alle Kritik schien vergessen. Man darf gespannt sein, was sich beim Thema Maut oder Vignette in nächster Zeit tun wird. Auf jeden Fall werden jetzt die Weichen gestellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte stets erklärt, mit ihr würde es keine Vignette geben. Heute formuliert sie das etwas anders: "Zu meinen Projekten gehört sie nicht." Eine strikte Zurückweisung hört sich anders an.

Maut oder Vignette?

Zwar stehen beide Begriffe für eine Straßennutzungsgebühr, doch damit hören die Gemeinsamkeiten schon auf.

Vignette

Das ist die Bezeichnung für eine zeitlich definierte Nutzungsgebühr, wie sie zum Beispiel in Österreich üblich ist. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und bedeutet eigentlich "Verzierung". Heute steht das Wort eher für "Aufkleber". In Österreich sind die Vignetten in drei Zeit-Gruppen unterteilt, für die 2012 folgende Gebühren anfallen:

  • zehn Tage: 8,00 Euro
  • zwei Monate: 23,40 Euro
  • ein Jahr: 77,80 Euro

Diese Vignetten sind in Österreich für Autobahnen und Schnellstraßen vorgeschrieben.

Maut

Unter Maut versteht man eine Gebühr, die abhängig von der gefahrenen Strecke zu zahlen ist. Dieses Prinzip ist zum Beispiel aus Italien bekannt. Das Wort geht auf mota zurück, ein Begriff aus dem Gotischen, einer ostgermanischen Sprache. Es bedeutete Zoll, worunter man damals auch einen Wegzoll verstand. Es wird genau erfasst, wo und wann man auf die Mautstrecke rauf gefahren ist. Beim Verlassen der gebührenpflichtigen Strecke ist dann die angefallene Maut zu zahlen. Da die Erfassungstechnik sehr aufwendig ist, ist das Mautsystem schließlich sehr teuer.

Das sagt der ADAC zur Pkw-Maut

ADAC-Sprecher Andreas Hölzel fasst den Standpunkt des ADAC zur Diskussion um die Pkw-Maut zusammen.

FIRMENAUTO: Fast alle EU-Länder erheben Straßennutzungsgebühren. Warum stemmt sich der ADAC so dagegen?

Hölzel: Weil diese nur dazu führen würde, zusätzlich abzukassieren. Bei vielen unserer EU-Nachbarn wurden Autobahnen sehr häufig privat finanziert. Bei uns erfolgt der Straßenbau aus Steuermitteln. Die Autofahrer haben also die Straßen und Autobahnen bereits bezahlt. Mit einer Vignette würden sie für die gleiche Sache zwei Mal zur Kasse gebeten.

Aber es gibt doch Überlegungen, die deutschen Autofahrer dafür bei der Kfz- oder Mineralölsteuer zu entlasten.

Hölzel: Diese Argumentation ist unglaubwürdig. Was soll das, eine Abgabe einzuführen und dafür eine andere zu senken? Wir bekämen eine zusätzliche Bürokratie und hätten enorme Verwaltungs- und Erhebungskosten. Und das alles für ein Nullsummenspiel? Das ergibt doch keinen Sinn!

Dafür müssten ausländische Autofahrer Nutzungsgebühren bezahlen.

Hölzel: Die machen gerade mal fünf Prozent aus. Diese Einnahmen würden nicht einmal die entstehenden Verwaltungskosten decken. Rechtsexperten sagen zudem, dass es nach EU-Recht gar nicht zulässig ist, Ausländer voll zur Kasse zu bitten, während den Deutschen die Vignetten-Kosten an anderer Stelle verrechnet würden. Man darf auch nicht vergessen, dass die ausländischen Autofahrer schon heute über die Mineralölsteuer, die von ihnen verursachten Infrastrukturkosten voll und ganz abdecken.