Das Ende der Saugmotoren: Im Porsche 911 gibt es künftig nur noch Turbos. Und eine für den Geschäftswagen standesgemäße Ausstattung.
Porsche blies Sportwagen zu SUV auf, verpasste ihnen Dieselmotoren und schaffte die Luftkühlung ab: Aus Sicht der Hardcore-Fans hat die Marke schon etliche heilige Kühe geschlachtet. Und jetzt ist der Sauger fällig, diese letzte Bastion puristischen Motorenbaus. Statt der 3,8-Liter-Boliden sitzen im Heck der überarbeiteten 991-Baureihe kleinere, zwangsbeatmete Sechszylinder mit nur noch drei Litern Hubraum. Doch alles halb so schlimm. Zum einen verbrauchen die neuen Motoren gut zehn Prozent weniger, was in der heutigen Zeit auch einem Sportwagen gut steht. Zum anderen bringt der Turbo mehr Power. Um 20 PS steigt die Leistung, 370 PS sind es beim Carrera und 420 PS beim Carrera S. Als Nebeneffekt türmt der Boxer nun schon bei 1.700 Umdrehungen ein Drehmomentgebirge von 450 Nm (Carrera) beziehungsweise 500 Nm (Carrera S) auf.
5.000 Euro Preisaufschlag
Ganz nüchtern betrachtet bringt der Turbo also nur Vorteile. Abgesehen vom Preis, der um 5.000 Euro (alle Preise netto) auf etwas über 81.000 Euro (Carrera) beziehungsweise 93.000 Euro (Carrera S) schnalzt, allerdings bei entsprechend besserer Ausstattung. Der Sound jedenfalls passt immer noch, speziell mit der optionalen Sportabgasanlage (2.100 Euro): Je nach Gasstellung schnorcheln, röcheln und röhren die Motoren immer noch nach Herzenslust, untermalt von einem durchdringenden Turbopfeifen. Und sie schieben an, als gäbe es kein Morgen, gleichmäßig und druckvoll, aber ohne den Passagieren einen Turbokick zu verpassen.
In Kombination mit Doppelkupplungsgetriebe fliegt der Carrera S in 3,9 Sekunden auf 100 und in knapp 13 Sekunden auf 200 km/h. Gleichzeitig klebt der Wagen wie warmer Kaugummi auf dem Asphalt, lässt sich weder von Bodenwellen noch von Schlaglöchern beeindrucken. Wären da nicht die enormen Sicherheitsreserven. Das Auto erlaubt Kurvengeschwindigkeiten, die dem ungeübten Fahrer den Angstschweiß auf die Stirn treiben, weicht dabei keinen Millimeter von der optimalen Linie ab. Das mag an den adaptiven Dämpfern liegen, die im 911 erstmals serienmäßig verbaut werde, am Torque Vectoring System, das in schnellen Kurven die Hinterräder gezielt anbremst (1.100 Euro), oder an der optionalen Hinterachslenkung (1.890 Euro).
Modernes Multimediasystem
Die Liste der Fahrwerks- und Antriebsoptionen lässt sich munter fortsetzen. Doch der 911 Modelljahr 2016 ist mehr als reine Sportmaschine. Sein serienmäßiges Multimediasystem samt großem farbigem Touchscreen macht ihn fit für die Anforderungen an einen Geschäftswagen. Die Anlage verbindet iPhones über Apple Car Play, lädt Smartphones induktiv auf, erkennt bei der Zieleingabe die Handschrift des Fahrers und beschallt auf Wunsch über ein 821 Watt starkes Soundsystem der High-End-Schmiede Burmester (3.690 Euro) den Innenraum wie einen Konzertsaal. Echtzeit-Verkehrsdaten, Google Earth-Karten, Apps und Fahrzeugfernbedienung übers Smartphone: Auch Porsche spielt nun die Klaviatur moderner Connectivity-Systeme, ohne aber dabei das Cockpit mit kunterbunten virtuellen Spielereien zu überfrachten.
All das macht den Reiz aus, diesen Zweitürer als Geschäftswagen zu fahren. Der 911 mag so heißblütig sein wie ein wilder Stier, im Alltag benimmt er sich wie ein zahmes Kätzchen. Wer sich unnötige Extras wie Sportsitze und die optionale Tieferlegung verkneift , ist kommod untergebracht, genießt einen Federungskomfort wie in einer sportlichen Limousine. In jedem Fall sollte man das 2.950 Euro teure Doppelkupplungs- getriebe bestellen. Das erledigt die unnötige Schaltarbeit (wer braucht eigentlich eine Handschaltung mit sieben Gängen?) und lässt den Wagen im Kolonnenverkehr spritsparend im Leerlauf mitsegeln. Nur der Ordnung halber erwähnen wir noch die neuen Fahrhilfen wie Spurhalteassistenten, Radartempomat, LED-Scheinwerfer. Auch sie tragen ihren Teil dazu bei, dass man in diesem Porsche so souverän unterwegs ist. Alleine dieses Gefühl ist es doch wert, gelegentlich Traditionen über Bord zu werfen.