Praxis-Test: Dienstrad statt Dienstwagen Eine Woche mit dem Rad pendeln

Foto: Hans-Dieter Seufert

Es muss nicht immer ein Dienstwagen sein. firmenauto macht den Selbsttest: Ein Kollege fährt eine Woche mit dem Rad in die Arbeit.

Auf der Suche nach Gründen für ein Dienstrad-Modell wird man sehr schnell fündig: Radelnde Mitarbeiter sind seltener krank, zudem motiviert ein hochwertiges Rad die Mitarbeiter. Die Rad-Leasing-Anbieter machen es den Unternehmen zudem immer leichter, einzusteigen. Company Bike Solutions beispielsweise bietet ein Online-Portal, über das nicht nur Räder bestellt, sondern auch Vor-Ort-Service-Termine vereinbart werden können. Konkurrent Jobrad ist bereits mit 7.500 Unternehmen im Geschäft.

Doch gibt es nach wie vor einiges zu beachten. In der Vergangenheit setzten manche Leasinggesellschaften den Restwert zu niedrig an. Da spielt das Finanzamt jetzt nicht mehr mit und verlangt anstelle der veranschlagten zehn Prozent nun 40 Prozent Restwert nach drei Jahren Nutzung. Die Differenz ist ein zu versteuernder geldwerter Vorteil. Gleichwohl ­rentiert sich das Dienstrad für die meisten Mitarbeiter. Und wenn einfach nur die Strecke in das Büro ­dauernd verstopft ist oder es keine vernünftige ÖPNV-­Verbindung gibt.

So geht es mir selbst auf meinem Weg von Tübingen in die firmenauto-Redaktion nach Stuttgart-Vaihingen. Jeden Tag kilometerlang im Stau zu stehen, das ist Gift für die Motivation. Ich fahre wirklich gern Auto, aber da vergeht selbst mir der Spaß. Es muss also eine Alternative her. Glücklicherweise zeigt ein Blick in die Garage eine mögliche Lösung: das Fahrrad. Ich bin sowieso gern auf zwei Rädern unterwegs und vermisse oft die Zeit für dieses Hobby. Beides zu verbinden, den Sport mit der Pendelei zur Arbeit, erscheint mir optimal. Der erste Versuch ernüchtert mich aber. 30 Kilometer weit radeln, das geht ja noch. Aber 500 Höhenmeter pro Strecke sind mir dann doch zu anstrengend. Selbstversuch missglückt? Würde das Modell Dienstrad bei mir nicht funktionieren?

Zum Glück gibt es Fahrräder mit E-Motor. Damit meine ich natürlich nicht das normale Pedelec, das wäre mir für die lange Strecke zu langsam. Als Alternative bietet sich das S-Pedelec an. Damit geht’s mit bis zu 45 km/h elektrisch vorwärts. So eines soll es also sein. Den Geschwindigkeitsrausch im Radformat gibt es freilich nicht zum Spartarif, 3.000 Euro sind mindestens nötig. Viel Geld, aber mit einem geleasten Firmenrad ließe sich das stemmen. Damit liegen S-Pedelecs voll im Bereich der Dienstrad-Zielgruppe. Ob sich das Konzept für mich bewähren würde, soll ein zweiwöchiger Versuch zeigen.

Auf dem Radweg verboten

Schon bei der Routenplanung wartet die nächste Herausforderung. S-Pedelecs gelten als Kleinkrafträder und müssen haftpflichtversichert sein. Das merke ich nicht nur an Kennzeichen und Rückspiegel, sondern vor allem daran, dass ich keine Radwege benutzen darf. Zu Beginn ist das kein Problem, von meiner Haustür aus führt eine Straße bergauf bis zum Tübinger Stadtteil Waldhäuser Ost. Schon auf den ersten Metern begeistert die Kraft des Motors, die Steigung ist im Nu überwunden. Dann geht’s steil runter nach Bebenhausen. Spätestens jetzt weckt mich die schöne Aussicht auf die altehrwürdige Klosteranlage auf, wenn es der kalte Fahrtwind nicht schon getan hat. Unten angekommen, stoße ich auf eine viel befahrene Landstraße, parallel dazu verläuft ein breiter Radweg.

Das Dilemma: Bei den Radlern darf ich nicht fahren, und auf der Straße rauschen die Autos mit knapp 100 Sachen an mir vorbei. Richtig wohl fühle ich mich so nicht, hier wären neue Regelungen zur Nutzung von Radwegen sinnvoll. Zumindest auf gut ausgebauten Wegen außerhalb von Ortschaften sollten S-Pedelecs fahren dürfen. Dann ließen sich vielleicht mehr Pendler in den Sattel bringen. Ich aber kann auf meiner Route zum Glück bald in den Wald abbiegen. Je näher ich dem Ziel komme, desto mehr Spaß macht die Sache. Statt mich zäh durch den Stau zu quälen, radele ich entspannt über gut ausgebaute Feldwege und bin nur fünf Minuten später im Büro als sonst.
Das hohe Tempo fordert dem Akku einiges ab. Zwar lade ich ihn über Nacht in der heimischen Garage, doch das reicht nur für eine Strecke. Im Büro muss die Batterie an die Steckdose, und das schwere Lade­gerät fährt immer im Rucksack mit. Wenn mehrere Kollegen radeln würden, könnten wir ein Ladegerät teilen. Wann die Akkukapazität darunter leidet, bleibt ungewiss. Einige Hersteller gewähren 700 Lade­zyklen oder zwei Jahre Garantie. Danach kostet Ersatz zwischen 500 und 1.000 Euro. Jetzt aber genehmige ich mir erst einmal eine warme Dusche und starte gut gelaunt mit der Arbeit

Wechselklamotten sind Pflicht

Wenn es regnet, schneit und stürmt, gewährt ein S-Pedelec genauso gut Schutz vor Nässe wie ein normales Fahrrad: gar nicht. Wechselklamotten sind Pflicht, die Büro­klei­dung muss in den Rucksack passen. Bei gutem Wetter hingegen ist ein S-Pedelec eine prima Alternative zum Auto, und zumindest in meinem Fall auch bei der Fahrzeit vollkommen konkurrenzfähig. Für mich würde also das Prinzip Dienstfahrrad prima funktionieren.