Schließen

Dauertest Renault Kangoo Z.E. Vom Lkw ans Steuer des Kangoo Z.E.

Renault Kangoo Z.E., Geschichte techel Foto: Jacek Bilski

Normalerweise testet unser Kollege vom FERNFAHRER schwere Lkw. Für vier Tage tauschte er das Steuer der Dickschiffe gegen das den Elektro-Kangoo.

„Das ist alles ganz einfach und unkompliziert,“ meinte Kollege Martin Schou, als er mir den Schlüssel des Kangoo ZE in die Hand drückt. Einfach das Fahrzeug entriegeln, dann lassen sich die Stecker aus der Ladebuchse (Typ Mennekes oder war es etwa Mentekel?) und dem Stromspender ziehen. „Unsere netten Nachbarn von Lapp-Kabel haben uns heute mal andocken lassen, weil die beiden Zapfstellen bei uns vorm Haus belegt waren. Das sind etwa 300 Meter von hier, findest du, viel Spaß dann mit dem Renault!“

Einfach mal Abnabeln

Tatsächlich, das Abnabeln funktioniert wie beschrieben, das fingerdicke Kabel lege ich in den Laderaum des etwas spartanisch wirkenden City-Transporters. Blechern fällt die Tür ins Schloss. Ich drehe den Zündschlüssel bis zum Anschlag. Kein quäkender Anlasser, kein Brumm, absolute Stille, nur ein grüner Punkt im Tacho mit dem Wörtchen „go“.
Alright. Schalthebel auf „R“ und sachtes Tippen aufs Pedal. Neben mir verdeckt ein Elektro-Viano die Sicht, ganz vorsichtig taste ich mich heraus und bin schon begeistert wie unglaublich geschmeidig, direkt und exakt der Wagen auf meinen Fuß reagiert. Das passt, die Piste ist frei, Hebel auf „D“ und los geht’s, aber hallo, der hat ja richtig Bumms! Ich hatte längst vergessen, dass 60 PS, ähem natürlich 44 kW sich so stark anfühlen können. 226 Nm fallen da ab dem ersten Antippen über meine Nackenmuskeln her.
Da kommt doch Freude auf. Die Ampel am Ende der Straße schaltet auf Rot, ich gehe vom nun ja „Gas“. Aber aus dem geplanten Heranrollen wird nichts, ich muss wieder Gas geben, um nicht wenigstens 30 Meter zu früh stehen zu bleiben. Rekuperation heißt das Geheimnis hinter diesem gewöhnungsbedürftigen Verhalten. Dabei produziert der Wagen Strom. Ich frage mich später immer wieder, ob dabei eigentlich die Bremslichter aufleuchten. Denn nach einer Weile habe ich es heraus ohne Benutzung des Bremspedals von Ampelstopp zu Ampelstopp zu rollen. Sogar bergab muss man ganz leicht Gas geben. Immerhin sagt das Instrument für den momentanen Stromverbrauch, dass dies fast nichts ausmacht.

Reichweite ist relativ

Eine klitzekleine Beruhigung angesichts der Anzeige von 102 km für die Reichweite. Da denkt mein Diesel bereits darüber nach, die Reserveleuchte aufflammen zu lassen. Aber wie beim gestrig wirkenden Verbrenner hat auch der rechte Fuß des Fahrers großen Einfluss auf die Effizienz. So bin ich ziemlich stolz nach 31 echten Kilometer immer noch 89 km prognostizierte Reichweite im „Tank“ zu haben.

Und Spaß macht das Fahren wirklich. Der BMW X1-Fahrer hatte beim Ampelduell alles gegeben, seine Motorhaube hob und senkte sich beim Schalten. Aber das habe ich bereits aus dem rechten Außenspiegel gesehen. Zisch und davon, eine frische Ladung postpubertäre Energie für den Fahrer des unscheinbaren Kastenwagens. Auffällig ist auch die fast sportive Straßenlage. Offensichtlich macht E-Antrieb den Transporter nicht so frontlastig wie die üblichen Dieseltriebwerke. Er wuselt sich recht schnittig durch den Stuttgarter Kessel, das kräftige Drehmoment immer unmittelbar am Fuß.

Säule mit Weile

Am nächsten Tag bin ich laut Reichweitenanzeige exakt bei 40 km und habe es wieder rund 30 Kilometer nach Hause. Was nun? Noch mal vor dem Büro annabeln? Verflixt, beide Ladesäulen besetzt! Und Unverschämtheit, eins der beiden Fahrzeuge ist nicht mal angeschlossen! Die freundlichen Lapp-Leute sind garantiert im Feierabend. Über die Smart-to-Go-App checke ich die Ladesäulen-Situation im Raum Stuttgart. Es sind viele, aber nicht in Ludwigsburg, wo ich hin muss. Also gut, ich mache einen vorgezogenen Wochenendeinkauf, denn etwa 500 Meter von einem großen Supermarkt gibt es eine Säule. Ich habe Glück, sie ist frei und funktioniert. Beim Einkaufen lasse ich mir Zeit. Nach einer Stunde habe ich 20 km mehr im Speicher und rolle noch beim Getränkemarkt vorbei. Über Nacht will ich dann nochmals an die Säule. Ich packe das Fahrrad hinten rein. Das habe ich dann auch am anderen Tag mit im Laderaum und dazu noch das Glück im überfüllten Industriegebiet einen reservierten Elektro-Parkplatz zu ergattern. Jetzt darf er sich mal so richtig vollsaugen, der leise Flitzer.

Mobilität für die grauen Zellen

Als Erfahrung nehme ich bei allem Spaß noch mit, dass jeder Ausritt mit dem Kangoo ZE auch von einem Nachdenken begleitet ist: Reichweite? Wo Laden? Wieviel Zeit dafür einplanen? Was, wenn die Säule besetzt oder ohne Funktion ist? Plan B? Ganz klar, so ein Fahrzeug macht nur mit einer eigenen Ladestation zuhause die volle Freude. Wer wie bei Nutzfahrzeugen üblich auf die Wirtschaftlichkeit schielt, muss leider erkennen, dass der Strom zwar billiger auf den Kilometer kommt als ein Diesel, aber der Anschaffungspreis und das Renault-typische Leasingmodell für den Akku lassen den Verbrenner nicht nur in der Flexibilität besser aussehen. Schade eigentlich.