Smartphone im Straßenverkehr Abgelenkt in den Tod

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Am Steuer tippen, chatten oder Nachrichten lesen ist fatal, wie die steigenden Unfallzahlen zeigen.

Pokémon und kein Ende: Jetzt greifen auch die Unfallforscher das Thema auf. Denn seit man allerorts Menschen mit stierem Blick aufs Display durch die Straßen irren, immer auf der Suche nach virtuellen Monstern, häufen sich die Unfallzahlen. Genauer: Unfälle durch abgelenkte Verkehrsteilnehmer. In den USA gab es laut Dekra etliche Auffahr- und mindestens einen schweren Gegenverkehrsunfall. Selbst Motorradfahrer wurden von der Polizei gestoppt, weil sie ihre Handys mit laufendem Spiel auf den Lenker montierten.

Doch das ist nur der Gipfel des Eisbergs. Telefonieren, E-Mails lesen, Nachrichten schreiben oder Apps checken: Die Versuchung ist groß, das Smartphone während der Fahrt mal eben in die Hand zu nehmen. Gerade Vielfahrer nutzen lange Arbeitswege gerne, um nebenbei Büroarbeit zu erledigen oder mit der Familie Termine zu koordinieren. Doch selbst wer sich nur in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt, konzentriert sich nicht mehr völlig auf den Verkehr. Bettina Zahnd, Leiterin der Abteilung Unfallforschung & Prävention der Axa Winterthur, benennt die vier Arten der Ablenkung: die motorische, die visuelle, die akustische und die gedankliche. "Bei der Smartphone-Nutzung im Straßenverkehr kommen alle vier Arten zusammen."

Zahl der Verkehrstoten steigt wieder

Deshalb rückte Axa Winterthur bei den diesjährigen Crashtests auf dem Flugplatz in Dübendorf nahe Zürich die Folgen der Ablenkung in den Fokus. "Alles klar zum Crash? Crash!" Wenn Bettina Zahnd diese Worte ausspricht, wird es auf einmal mucksmäuschenstill. Doch sobald sich die Autos dann wie berechnet nach wenigen Sekunden ineinander bohren, wird die angespannte Stille schlagartig unterbrochen: Es knallt mächtig, wenn Blech auf Blech trifft. Glas splittert, Karosserieteile fliegen durch die Gegend. Erst wenn dann noch der angefahrene Dummy nach einem langen Flug auf die Straße knallt, rührt sich auch das Publikum wieder. Kaum einer, den diese Versuche unberührt lassen.

Im realen Leben haben solche Auffahr- oder Kollisionsunfälle noch viel dramatischere Folgen. Sie enden häufig sogar tödlich. 2015 starben 3.459 Menschen auf deutschen Straßen, 82 Menschen mehr als im Vorjahr. Erstmals seit Jahren steigt die Zahl der Todesopfer. Unfallforscher machen dafür vor allem Verkehrsteilnehmer verantwortlich, die sich zu sehr mit ihrem Smartphone beschäftigen. Der Durchschnittsschweizer schaltet es täglich 88 Mal an, nutzt es drei Stunden am Tag, telefoniert aber in der Regel nicht mehr als sieben Minuten damit. Die Deutschen, davon ist auszugehen, pflegen ein vergleichbar inniges Verhältnis zu ihrem Smartphone.

Doch nicht nur Autofahrer lassen sich im Straßenverkehr ablenken. Das gleiche gilt auch für Fußgänger, die ihre Nachrichten checken, per Kopfhörer Musik hören und dabei die Straße queren. Nicht selten kommt es so zu schweren Unfällen. Wer überlebt, muss nicht nur mit den Unfallfolgen klar kommen, sondern trägt oft ein Leben lang an den finanziellen Folgen des Unfalls. Hat er nämlich keine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen, muss er die Unfallkosten selbst übernehmen. Junge Erwachsene, die nicht mehr in der elterlichen Haftpflicht integriert sind, haben selten eine eigene private Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Dabei ist die nicht mal teuer. Ein Single zahlt kaum mehr als 25 Euro pro Jahr. Nicht viel, wenn man bedingt, dass die Folgen eines Unfalls in die Millionenhöhe gehen können.

Zwar entwickeln alle Kfz-Hersteller Systeme, die Unfälle durch Ablenkung zu vermeiden helfen. Der Kollisionswarner mit Bremseingriff etwa verhindert häufig schlimmeres. "Sicherlich können solche Systeme zu einem gewissen Maß schützen", sagt auch die Unfallforscherin. Dennoch bleibt sie skeptisch: "Die Technik kann auch kontraproduktiv sein". Dann nämlich, wenn der Mensch sich blind darauf verlässt. Frei nach dem Motto: "Ich laufe auf die Straße, das Auto wird schon bremsen."

Die Stimmen mehren sich, die schärfere Sanktionen für Smartphone-Nutzer im Straßenverkehr fordern. "Es nützt offensichtlich nicht, an die Vernunft der Verkehrsteilnehmer zu appellieren", glaubt Zahnd. Es braucht wohl doch empfindliche Geldbußen, um vom Handy für den Verkehr ausgehenden Risiken zu reduzieren.