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Sonderwünsche bei Rolls-Royce Alles ist machbar

Rolls-Royce, dawn, Foto: Rolls-Royce, Montage: firmenauto 30 Bilder

Diamanten im Lenkrad, Sterne im Dachhimmel: die teuersten Geschäftswagen stammen von Rolls-Royce. Ein Besuch der Individualabteilung in der Rolls-Royce-Manufaktur in Goodwood.

Der Weg ins Paradies führt betuchte Auto-Enthusiasten aus aller Welt von London über idyllische Landstraßen nach Goodwood an der Südküste Englands. In einem beschaulichen Weiler verbirgt sich hinter einer hohen Hecke ein moderner Glasbau mit begrüntem Flachdach, akkurat würfelförmig geschnittenen Bäumen und einer breiten Auffahrt. Dort residiert Rolls-Royce und dort rollen jeden Tag 20 der Edelkarossen vom Band. Dort werden zudem die sowieso schon sündhaft teuren Autos vom Typ Phantom, Wraith, Ghost oder Dawn individuell veredelt. Wer einen Rolls-Royce als Unikat fahren will, wird in Goodwood von der sogenannten Bespoke-Abteilung betreut.

Neun von zehn Kunden wollen kein Auto von der Stange

Individualisierung ist für die Marke ebenso wichtig wie für die Kunden. Gut 90 Prozent der Käufer wollen ihrem Auto eine eigene Note geben, die sich so nicht in der Preisliste findet. Und wenn es nur eine andere Lackierung oder farbige Ledernähte sind. Für die spezielleren Anforderungen aber sollte man ins Werk nach Goodwood reisen, zu den Spezialisten der »Bespoke«-Abteilung. Mit den Designern und Künstlern reden zu können, sei ein einzigartiges Erlebnis und eine Dienstleistung, die so nur Rolls-Royce biete, sagt Firmensprecherin Sarah Pelling.

Kunden, die mehr wollen als einen Rolls-Royce von der Stange, werden im heimelig eingerichteten Rolls-Room empfangen. Zwei blaue Sofas verströmen sanften Duft von Leder, an der Wand steht ein mit Bildbänden, einer Büste des Firmengründers Charles Rolls, einer E-Gitarre und anderen Kuriositäten vollgestelltes Regal. »Bevor wir Vorschläge machen, wollen wir herausfinden, wie der Käufer sein Auto nutzt. Fährt er selbst, sitzt er im Fond?«, erklärt Michael Bryden.

Michael Bryden, Rolls-Royce Foto: Rolls-Royce
Der Designer Michael Brydon leitet die Individualisierungsabteilung bei Rolls-Royce.

Der Designchef und sein 22-köpfiges Team von Farbexperten, technischen Beratern und Designern haben sich zum Ziel gesetzt, jeden Sonderwunsch zu erfüllen. Das kann ein komplett neu ausgestatteter Innenraum, nur das Familienwappen auf den Kopfstützen oder ins Armaturenbrett eingearbeitete Diamanten sein. Der Preis? Nebensache. Über Geld redet man hier nicht, wer im Rolls-Room sitzt, hat genug davon.

Ein Cabrio in grellem Pink? Kein Problem

Manche Käufer wissen genau, was sie wollen. Der exzentrische amerikanische Möbelfabrikant, Multimillionär und Autosammler Michael Fux beispielsweise liebt schrille Farben. Die 44.000 Farbtöne des Firmenkatalogs genügen ihm nicht. 2017 bestellte er seinen zwölften Rolls-Royce im grellen Pink einer Fuchsienblüte, die er am Strand fand. Auch die Amerikanerin, die das Interieur exakt aufs Rotbraun ihres Setters abstimmen wollte, stellte Brydens Team zufrieden. Um die Farbe zu mischen, rückte ein Chemiker an, der den Hund mit einem Farbspektrometer scannte.

Rolls-Royce, Dawn Foto: Rolls-Royce
Schön bunt hier, jede individuelle Lackierung ist machbar

Andere Kunden sind unentschlossen, wissen nicht, was machbar ist. »Wir fragen sie nach ihren Hobbies und Vorlieben, nach Dingen oder Daten, die wichtig in ihrem Leben sind«, sagt Bryden. »Sammeln sie Kunst? Könnte man das mit dem Design des Fahrzeugs verbinden? Wir bauen eine Geschichte um das Auto, so wird das Auto Teil der Geschichte des Käufers.« Da wird schon mal ein Astronom beauftragt, den Sternenhimmel für Geburtsdatum und -ort der Tochter zu recherchieren. Um die Konstellation mit LED im Dachhimmel des Autos nachzustellen.

In der Individualabteilung geht es fast immer um Design, Optik, Farbe, Oberfläche und Wirkung. Selten um Technik und schon gar nicht um Tuning. 2017 jedoch verpasste das Bespoke-Team in vierjähriger Arbeit einem Phantom Coupé eine Art Bootsheck. Der Sweptail soll rund 13 Millionen gekostet haben und wäre damit das teuerste Auto der Neuzeit. Wenigstens schließt ihn sein Besitzer, ein britischer Geschäftsmann, nicht in einer Garage weg. »Wir haben Fotos des Autos auf den Straßen von Buenos Aires, Abu Dhabi und London gesehen. Das Auto ist ein Kunstwerk, aber eben auch ein Gebrauchsgegenstand«, freut sich die Firmensprecherin.

Rolls-Royce, Fabrik, Lichtleiter, Dachhimmel Foto: Hanno Boblenz
Auf Wunsch leuchten Sterne im Dachhimmel. dazu werden von Hand hunderte von Lichtleiter verlegt.

13 Kuhhäute sind im langen Phantom verarbeitet

Nach Tee, Gebäck und Schnittchen werden die Besucher ins Royce-Atelier geleitet. An der Wand eine Galerie hochglanzpolierter handlicher Fahrzeugmodelle, die sich in sämtlichen Farbkombinationen zusammensetzen lassen. Daneben ein Sammelsurium an Spindeln mit bunten Fäden. In den Schubladen eines riesigen Holztischs stapeln sich Stoff- und Ledermuster. Häute vom Alligator, pro Stück 3.000 US-Dollar teuer, Krokodil, Hai, Stachelrochen, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. »Leder gilt immer noch als das Luxusprodukt schlechthin«, sagt Brian Staite, Leiter der Lederabteilung. 13 Kuhhäute sind nötig, um die 460 Einzelteile des Innenraums eines langen Phantom zu beziehen. Es wird maschinell per Laser geschnitten. Doch die Qualitätskontrolle bleibe immer Aufgabe der Experten, sagt der Chef der Lederabteilung. »Das Auge ist einfach besser als jede Kamera.«

»Können wir andere Materialien verarbeiten? Klar. Wird’s gefragt? Überhaupt nicht.« Oder nur selten, wie vom Käufer eines Phantom Coupés. Er ließ die Rückbank in dicker Schafswolle beziehen, damit sein Hund bequem liegt, während Herrchen kutschiert.

Eine der größten Herausforderungen war allerdings der Auftrag für Dachhimmel und Türverkleidungen aus chinesischer Seide und weißen Ledersitzen. Für den Phantom Serenity (auf Deutsch: Gelassenheit) galt es, Hunderte von Blüten so akkurat aufzumalen und einzusticken, dass alles wie aus einem Stück wirkt. »Wir konnten Leder nicht einfach durch Seide ersetzen, denn sie reagiert völlig anders auf Belastung. Mein Team musste die ganze Art neu erfinden, wie wir sonst ein Auto auskleiden. Das klappte nur, weil unsere Handwerker die Materialien verstehen«, sagt Staite. »Ihre Erfahrung ist unser größter Schatz.«

Handgefertigte Holzintarsien mit Tiefenwirkung

So sieht das auch Phil Turner. Er leitet die Holzabteilung. Deren Spezialität sind dreidimensional wirkende Oberflächen. Für die Intarsien werden Hölzer in verschiedenen Winkeln gesägt und in unterschiedlichen Maserungen wie ein Puzzle zusammengesetzt. Turner zeigt Türverkleidungen, auf denen Schiffe ihre Segel blähen. Ein Musikliebhaber ließ sich ein Armaturenbrett mit Alu-Noten einer Komposition von Johannes Brahms anfertigen. Der neueste Clou aber sind feine, im Holz verlegte Leuchtdioden, damit Cockpit oder Seitenverkleidungen wie von hinten beleuchtet wirken.

Rolls-Royce, Armaturenbrett, Holz, Intarsien Foto: Rolls-Royce
Auf die Maserung kommt's an, dann bekommen die Intarsien Tiefenwirkung.

Im Royce-Atelier entstand auch die Idee, das riesige Armaturenbrett eines Phantom zwischen Lenkrad und A-Säule mit Glas zu verkleiden und in eine Galerie zu verwandeln. »A Moment in Time« nannte man den Wagen, in dessen 25 Zentimeter tiefer Glasvitrine eine gewellte Aluminium-Skulptur wie ein Stück Stoff durch saphirblaues Wasser zu gleiten scheint. Mittlerweile werden die versiegelten Kunstwerke in einem extra gebauten staubfreien Produktionsraum nach Kundenwünschen zusammengefügt.

Kaum ein Hersteller leistet sich so viele Holz-, Lack- oder Leder­experten. Der Markt ist klein, also zieht man Nachwuchs heran und bindet die Kollegen ans Unternehmen. Gearbeitet wird in kleinen Teams, es herrscht eine familiäre Atmosphäre. Natürlich bleibt der Traum vom eigenen Rolls für die meisten Mitarbeiter unerfüllbar. Aber wenigstens können sie ab und zu Autos aus dem Fuhrpark fahren. »So bekommen sie ein Gespür fürs fertige Produkt«, erklärt Staite. »Jeder Mitarbeiter sollte das Auto kennen, um sich mit der Marke zu identifizieren.« Deshalb werden die lackierten Rohkarossen vier Stunden von Hand poliert, bevor sie ihren Weg durch die Produktion antreten. Sauber rein, sauber raus, so das Motto. Die Mechaniker hätten dann mehr Respekt für das Auto und für ihre Arbeit.

Bei der Übergabe treffen sich Designer und Kunden wieder. Wenn Michael Bryden im Rolls-Room den alten Safe an der Wand öffnet, den Kunden Fahrzeugpapiere, Schlüssel und Dokumentation der Umbauarbeiten übergibt, dann haben sie ihr automobiles Paradies wirklich erreicht.

Porsche Exclusive Manufaktur
Kunde König