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Stromproduktion in Deutschland Die Mär vom sauberen E-Auto

Windenergie, Elektroauto, kinderzeichnung, stromproduktion, energie Foto: Adobe Stock

Der Strom in Deutschland wird in den nächsten Jahren nicht viel grüner. Elektrofahrzeuge sind daher nicht so sauber, wie viele vermuten, und bislang auch kein Gewinn für das Klima.

Kohle ist in Deutschland die bedeutendste Quelle der Stromerzeugung. Dafür wird Stein- oder Braunkohle in Kraftwerken verbrannt. Mit der entstehenden Hitze wird Wasser verdampft, der Dampf treibt eine Turbine an. So entsteht Strom, aber leider auch das klimaschädliche CO2. Die Europäische Union hat sich aus Gründen des Klimaschutzes zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das gelingt in Privathaushalten, in der Energiewirtschaft und in der Industrie. In diesen Sektoren sind die Emissionen zwischen 1990 und 2017 um 25, 26 und 37 Prozent zurückgegangen. Im Verkehr haben die Emissionen dagegen um 23 Prozent zugenommen. Die Zahlen stammen von der Europäischen Umweltagentur. Der Grund für steigende Emissionen im Verkehr: Es wird viel mehr gefahren und der Ausstoß der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ist seit Jahren konstant.

Um den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen zu reduzieren, hat die EU einen Grenzwert für Flotten fest­gelegt. Der bestimmt, wie viel CO2 ein Auto eines Herstellers durchschnittlich in die Luft blasen darf. Aktuell sind das 130 g/km. Ab 2021 müssen es weniger als 95 g/km sein, was einem durchschnittlichen Verbrauch von 3,6 Liter Diesel beziehungsweise 4,1 Liter Benzin entspricht. Jetzt folgen weitere Reduzierungen, denn nach dem Willen der EU-Staaten soll der Kohlendioxidausstoß von Neuwagen bis 2030 um 35 Prozent sinken. Um künftig geltende Werte einzuhalten, müssen sie entweder den Verkauf emissionsfreier Autos ankurbeln – oder hohe Strafen riskieren.

Dass die Gesamtrechnung der CO2-Reduktion mittels Elektromobilität aber nicht aufgeht, liegt in diesem Fall nicht an der Automobilindustrie, sondern an der Energiewende. Die funktioniert zwar, allerdings in die falsche Richtung.

Beim heutigen Strommix haben E-Autos nur einen marginalen CO2-Vorteile

Der Strommix in Deutschland setzt sich aus unterschiedlichen Energieträgern zusammen. Kohle, Atomenergie und erneuerbare Energien sind die wichtigsten. Vor Jahren hat die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Eine gleichzeitige Steigerung der Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen soll den wegfallenden Atomstrom kompensieren. Beides funktioniert ganz gut.

Der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung lag 2017 bei 11,7 Prozent, der von erneuerbaren Energien bei 33 Prozent. Zum Vergleich: 2010 waren die Anteile 22 und 17 Prozent. Der Anteil des Atomstroms hat sich halbiert, der der erneuerbaren Energien
verdoppelt. Bei Braun- und Steinkohle fand im selben Zeitraum lediglich ein Rückgang von 42 auf 36 Prozent statt. Weil auch Atomkraftwerke nahezu CO2-frei arbeiten, hat sich also unterm Strich an der CO2-Emissionsmenge nicht viel geändert.

Strommix in Deutschland Foto: firmenauto
Der Strommix in Deutschland

Bei der Berechnung der Flottengrenzwerte wird der CO2-Ausstoß von Elektroautos stets mit null Gramm gewertet. Das ist nur zum Teil richtig, denn im Betrieb wird von den Autos zwar kein CO2 freigesetzt, aber bei der Erzeugung elektrischer Energie, mit der die Batterie geladen wird. Und die Quelle dieser Energieerzeugung ist häufig ein dreckiges Kohlekraftwerk. Ist das saubere Elektroauto nur ein Märchen? Dieser Frage ging auch das Umwelt- und Prognose-Institut UPI in Heidelberg in einer Studie nach. Es wollte herausfinden, ob der Umstieg auf die Elektromobilität tatsächlich so hilfreich für die Umwelt ist, wie er überall propagiert wird. "Der Ausstieg aus der Atomkraft ist zwar sinnvoll, dem Klimaschutz aber hilft er nicht", so Dieter Teufel, Leiter des UPI. Wenn es in dem bisherigen Tempo weitergehe, werde die Stromerzeugung erst ab etwa 2035 klimafreundlicher. Ein nennenswerter Rückgang an CO2 findet bis dahin nicht statt, denn grüner Strom ersetzt weiterhin nur den ebenso CO2-neutralen Atomstrom. Teufels Fazit: "Aktuell hilft es der Umwelt nicht, den Antrieb von Autos auf Elektro umzustellen." Dieses Ergebnis hat auch die Forscher des Instituts überrascht.

Erst mit der Energiewende werden E-Autos wirklich sauber

Klar ist: Das Gelingen der Mobilitätswende hängt vom Erfolg der Energiewende ab. Die beiden Ansätze waren bislang nicht miteinander verknüpft, "weil der Verkehr überwiegend auf Rohöl basiert und das spielt in der Stromerzeugung keine Rolle", sagt Peter Kasten, der am Berliner Öko-Institut zu den Themen­ Ressourcen und Mobilität forscht. Weil jetzt der Straßenverkehr elektrisch werden soll, werden die Sektoren in Kombination betrachtet. Kasten plädiert für einen massiven Kapazitätsausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor. Den Mehrbedarf an Strom, wenn alle Fahrzeuge durch Elektroautos ersetzt würden, beziffert er auf 20 bis 25 Prozent.

Das wären 85 bis 100 Terawattstunden Strom mehr, als wir heute verbrauchen. Allein diese Menge entspricht dem Strom, der 2016 mit Windrädern in Deutschland erzeugt wurde – dafür drehten sich an 28.217 Windenergieanlagen die Naben. Soll der gesamte Strom aus regenerativen Quellen stammen, müssen viele neue Windräder und Fotovoltaikanlagen errichtet werden, die große Flächen benötigen. Unsere Welt sähe dann nicht mehr aus wie heute. Aber: "Wenn Wind und Sonne vollständig unseren Strom liefern, ist der CO2-Ausstoß eines Elektroautos im Betrieb quasi null", so Kasten.

Ökobilanz Autos Kompaktklasse Foto: firmenauto
Ökobilanz von Autos der Kompaktklasse

Immerhin: Selbst beim heutigen Strommix haben Elektrofahrzeuge gegenüber Verbrennern einen marginalen Vorteil in der Ökobilanz, hat Eckard Helmers ausgerechnet. Er ist Professor an der Hochschule Trier mit Schwerpunkt auf zukunftsfähiger Mobilität. Bei konventionellen Fahrzeugen ist der CO2-Ausstoß im Vergleich zum Stromer in der Produktion zwar geringer, aber im Betrieb höher. Genau umgekehrt verhält es sich bei Elektroautos: mehr CO2 in der Produktion, viel weniger im Betrieb. "Schon nach wenigen Jahren ist die Öko­bilanz des Elektroautos insgesamt besser, und je mehr Grünstrom verwendet wird, umso besser wird die Bilanz", sagt Helmers. Auch der ADAC hat sich mit dem Thema beschäftigt und kommt zu dem Ergebnis: Je größer die Batterie, desto mehr CO2 wird bei deren Herstellung freigesetzt, desto länger muss das Auto fahren, um die Bilanz auszugleichen.

CO2-Bilanz Kompaktklasse Foto: firmenauto