Telematiktarife von KfZ-Versicherungen Anfänger fahren bis zu 30 Prozent günstiger

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Allianz belohnt junge Kunden für umsichtiges Fahrverhalten. Der Tarif Bonus Drive macht die Lenker tatsächlich besser. Fahranfänger zeigen aber auch auf, was sie am Telematik-Tarif nervt.

Wer bremst, verliert. Zumindest, wenn die Fahrerin zu energisch in die Eisen steigt. Und das findet Michaela Richter nicht so gelungen. Die Fahranfängerin aus Aachen hat seit vergangenen September eine Kraftfahrtversicherung bei der Allianz und einen Stecker im Zigarettenanzünder ihres Fünfer-BMW. Der misst über eine App im Smartphone ihr Fahrverhalten. Abruptes Bremsen? Das gibt beim Bonus Drive-Tarif Abzüge. Abzüge, die Geld kosten.

Fahranfänger-Tarif um bis zu 30 Prozent günstiger

"Wenn aber vor mir jemand plötzlich in meine Spur schießt, dann muss ich ja wohl bremsen", sagt Richter jetzt bei einem Workshop dem Allianz-Vorstand Frank Sommerfeld.  Die schnelle Reaktion dürfte keinen Punktverlust in der Gesamtwertung bedeuten, sagt sie … und Sommerfeld nickt. Bonus Drive ist eben noch nicht perfekt. Den Grundgedanken findet aber jeder des halben Dutzend Kunden gut, deren Urteil sich der Vorstand und sein Projektleiter Stefan Duscha an diesem Vormittag stellen: Wer sanft bremst, beschleunigt, in Kurven nicht zu rasant einfährt, sich an die Geschwindigkeitsregeln hält und gefährliche Tageszeiten und Straßen meidet, der kann seinen sonst sündteuren Fahranfänger-Tarif um bis zu 30 Prozent drücken. Bonus statt Strafe, denn die würde das Angebot unsympathisch machen. Da sind sich die anwesenden Kunden einig.

Das Produkt ist ein Renner, so Sommerfeld: "Nach acht Monaten haben wir mit 26.000 Kunden schon die angestrebte Zahl für das volle Jahr übertroffen." Jeder fünfte neue Fahrer unter 29 Jahren wählt den Tarif inklusive Messgerät. Ein paar Dutzend Konkurrenten hat bereits ähnliche Telematik-Tarife im Einsatz. Aber Allianz-Mann Duscha legt Wert darauf, manches anders zu machen. Vor allem sind die Versicherer aus München im Gegensatz zu manchem Wettbewerber nicht datendurstig. Kundin Richter ist da wie viele Deutsche sensibel und honoriert, dass die Allianz außer der Gesamtwertung ihres Fahrverhaltens in Gold, Silber oder Bronze nichts über Strecken, Ziele oder konkretes Fahrverhalten währenddessen erfährt. Diese Daten bleiben beim App-Entwickler aus Kanada, der aber wiederum die Kundennamen nicht erfährt. Andere Anbieter würden dagegen genau solche Werte sammeln und erst daraus den Tarif festlegen.

An manchen Stelle hakt es noch

Das Lob für den Datenschutz heißt aber nicht, dass die Kunden total zufrieden sind. Sommerfeld und Duscha müssen sich vielmehr anhören, dass es noch an einigen Stellen hakt im täglichen Gebrauch der App. Die Bluetooth-Verbindung arbeitete anfangs nicht immer fehlerfrei, Start und Stopp wurde nicht korrekt erfasst oder Fahrten ganz unterschlagen. Inzwischen haben die Versicherer schon dreimal die Version nachgebessert.

Projektleiter Duscha sieht die ersten Monate in der begrenzten Zielgruppe ohnehin auch als Test. Denn mit der Telematik haben die Münchener viel mehr vor. Noch in diesem Jahrzehnt sollen solche Belohnungs-Apps für alle Versicherte angeboten werden. Und auch bei den Inhalten wollen die Allianz-Macher über das reine Fahrverhalten-Messen hinausgehen: "Ich kann mir gut vorstellen, dass die App auch vor Staus und Gefahrenstellen warnt oder dabei hilft, einen freien Parkplatz zu finden", so Duscha. Sogar, ob die rechtliche Grauzone der Blitzerwarner ebenfalls ein Inhalt für die Bonus-Drive-App sein könnte, prüft das ehrwürdige Versicherungs-Haus.

Eins aber ist bei all diesen Angeboten immer klar: Sie müssen sich rechnen lassen. Verursachen die Fahranfänger mit dem virtuellen Lehrer im Smartphone also weniger Unfälle? Da will Sommerfeld noch kein abschließendes Urteil fällen. "Die Zeit, um Schadensfälle zu vergleichen, ist noch zu kurz." Auf jedem Fall aber sind die Besitzer des Tarifs in den vergangenen Monaten nachweislich immer umsichtiger gefahren. Bonus Drive erzieht also offenbar schon zum defensiven und vorausschauenden Lenken. "Geld ist halt ein starker Anreiz", sagt Kundin Richter und lacht. Es könnte allerdings auch sein, dass eben nur jene den Besserfahrer-Tarif mit Fernüberwachung wählen, die ohnehin vorsichtiger fahren als der normale Jung-Lenker - und endlich auch dafür belohnt werden wollen. Aber auch das wäre Sommerfeld durchaus recht. "Die gefährlichen Raser dürfen sich ruhig bei einer anderen Gesellschaft versichern."