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Vergleichstest kompakte E-Autos Die Stunde der Wahrheit

Hyundai Ioniq Elektro, Kia e-Niro, Tesla Model 3, VW ID3 Foto: Achim Hartmann 31 Bilder

Auf kaum ein Auto ist die Fuhrparkbranche so gespannt wie auf den VW ID.3. Nun tritt der Volks-Stromer gegen Hyundai Ioniq, Kia e-Niro und Tesla Model 3 an und muss zeigen, ob er sich als Geschäftswagen behaupten kann.

Dass man nicht immer ein Segment begründen muss, um es später mit bester Allrounder-­Qualität zu dominieren, ist keine neue Erkenntnis bei VW, sondern gelebte Praxis. Man denke an Vans oder SUV. Da waren die Wolfsburger nicht mal unter den ersten drei, die der Fuhrparkbranche eine neue Fahrzeug­gattung als Geschäftswagen schmackhaft machten. Und nun: Tiguan und Touran, wohin man blickt.

Mit dem Selbstverständnis des ganz Großen sieht VW diese Rolle auch für die ID-Familie vor, deren erster Vertreter der kompakte ID.3 ist. Golf-Klasse gewissermaßen, aber Klasse konnten erste Tests und immer wieder verschobene Liefertermine nicht in jedem Punkt attestieren. Fahren und all das? Wie erwartet gut. Doch bei Elektronik und Verarbeitung lag eben manches im Argen. Doch nun ist er da, und die ersten Modelle an die Firmenkunden sind ausgeliefert. Zeit also für einen Vergleichstest mit den etablierten Konkurrenten, die sich schon vorher im Flottengeschäft ihre Anteile gesichert haben. Drei Autos vergleichbarer Größe, aber gänzlich anderen Zuschnitts treten an. Aus dem Hyundai-Konzern der etwas futuristisch gezeichnete, aber brave Ioniq Elektro sowie die Power-Version des Kia e-Niro. Das Quartett komplettiert der Model 3 aus dem für süßen Wahnsinn und Pioniergeist bekannten Hause Tesla.

Hyundai: nur mit der Ruhe

Anders als Tesla und VW nutzt Hyundai für sein Elektroauto keine neue Plattform. Der Ioniq Elektro teilt sich den Unterbau mit einem Hybriden, mal mit und mal ohne Stecker. Das Dach neigt sich früh und kräftig dem Heck entgegen, wo eine durch eine horizontale Traverse geteilte, nach unten schmaler werdende Heckscheibe eher an eine Schießscharte erinnert. Sehr viel sieht man dadurch nicht, aber wie die Konkurrenten verfügt der in Top-Ausstattung mit Premium-Paket 41.575 Euro teure Ioniq Elektro ja nicht nur über Parksensoren, sondern auch über eine Rückfahrkamera.

Überhaupt ist er sehr üppig ausgestattet. Von LED-Licht über Abstandsregeltempomat bis zu Navigation und allerlei Assistenz hat er alles an Bord, was ein vernünftig ausgestatteter Geschäftswagen haben sollte. Für eine Rundum-sorglos-Konfiguration ist also kein Extra mehr erforderlich. Doch auch das ist kein Alleinstellungsmerkmal des eher bodenständig als beflissen federnden Hyundai. Die Wettbewerber packen ebenfalls viel Ausstattung in ihre Stromer.

Hyundai Ioniq Foto: Achim Hartmann
Hyundai Ioniq Elektro

Mit der Motorleistung geizt der Hyundai allerdings. 100 kW sind es, nach alter Währung 136 PS. Damit beschleunigt er manierlich, aber nicht erwähnenswert gut bis zur abgeregelten Spitze von 165 km/h. Wer mit 120 bis 130 km/h leise und entspannt über die Autobahn stromert, sich dabei in der ersten Reihe in beheiz- und kühlbaren Sitzen rekelt, deren Kopfstützen manchem aber unangenehm nahe kommen, erlebt dieses Auto als entspannend. Spaß in Kurven? Eher nicht. Zu entkoppelt ist die Lenkung, zu stark wogt die Karosserie, zu früh schwingt der strenge Zuchtmeister ESP seine Knute.

Zum eher passiven Charakter des Ioniq passen die Bremsen. Denen kann man zwar gute Dosierbarkeit, aber nicht höchste Entschlossenheit bescheinigen. Im logisch geordneten und konventionellen, gut bedienbaren Cockpit schweift der Blick des kritischen Fahrers über viel Hartplastik, genauso wie im gesamten Innenraum. Dem fehlt es hinten ein wenig an Bein- und ein wenig mehr an Kopffreiheit. Aber um gelegentlich zwei Kollegen mitzunehmen, reicht der Platz durchaus. Einem ausgedehnten Familienurlaub in – warum nicht? – Finnland steht der Kofferraum mit nur 357 Liter Standardvolumen aber fast so ablehnend gegenüber wie die eingeschränkte Eco-Reichweite von nur 268 Kilometern.

Kia: ein SUV, irgendwie

Da kommt der Kia mit seiner 64-kWh-Batterie (­Hyundai: 38,3 kWh) deutlich weiter: 446 Kilometer machen ihn zum Reichweitenkönig dieses Quartetts, obwohl sein 150-kW-Motor im Alltag etwas mehr verbraucht als der des Hyundai (18,7 zu 17,5 kWh). Auf unserer zurückhaltend gefahrenen Normrunde dagegen begnügte er sich wie alle Testkandidaten mit rund 16 kWh auf 100 Kilometern. Bei einem normalen Stromtarif um 30 ct/kWh brutto kosten 100 Kilometer also rund 4,80 Euro. Da kann kaum ein Diesel mithalten.

Kia e-Niro Foto: Achim Hartmann
Kia e-Niro

In der Spitze (167 zu 165 km/h) macht sich das Leistungsplus nicht großartig bemerkbar, auf dem Weg dorthin aber schon. Der e-Niro tritt immer und überall regelrecht energisch an und stellt seine Vorder­räder vor Aufgaben, die sich im ebenfalls frontgetriebenen Hyundai nie stellen. Sie pfeifen dann gern beim Herausbeschleunigen aus Kurven durch die Profilrillen, zugleich verdeutlicht ein Ziehen in der etwas rückmeldestärkeren Lenkung das Leistungsplus. Wie im Ioniq kann der Fahrer per Lenkradwippen die Stärke der Rekuperation in drei Stufen bestimmen oder fürs Rollen eine Art Freilauf wählen. Das macht Spaß, und ein aktiver, vorausschauender Fahrer kann so den Verbrauch nochmals deutlich senken. Auch stehen vier Fahrmodi bereit, von de­­nen der sparsamste namens "Eco Plus" das Tempo auf 90 km/h begrenzt.

Eher als Crossover ausgelegt, setzt der Kia seine Besatzung wie der ebenso hochbauende ID.3 ins erste Hochparterre, was ein erhabenes, lässiges Fahrgefühl befördert. Mit ihm auf große Tour zu gehen, ist dank des 451 Liter großen Kofferraums keine abschreckende Vorstellung, zumal die Federung auf der Autobahn verbindlicher anspricht als auf mittelmäßigen Landstraßen. Lust aufs Reisen macht auch der 420 Euro teure Onboard-Charger, der dreiphasiges Laden und damit kürzere Tankpausen ermöglicht. Gut zu bedienen ist der Kia, wirklich üppig ausgestattet und hochwertiger eingerichtet als der ­Hyundai. Da kann man sicher über die Formgebung hinwegsehen, die …

Tesla: genial und verspielt…

 besonders altbacken rüberkommt, wenn der Kia neben dem Tesla Model 3 steht. Flach, breit und lang, mit einem Interieur, das bekanntlich mit einer Überdosis Fortschritt abgeschmeckt wurde, wirkt der coupé­artige Tesla für die einen futuristisch und elegant. Mancher empfindet die nüchterne Einrichtung aber auch einfach nur als karg.

So findet man konventionelle Schalter nur für die elektrische Sitzverstellung oder im Lenkrad. Sonst läuft nahezu alles bis hin zur Verstellung der Lüftungsdüsen über den beeindruckend großen und brillanten Monitor. Und hier wird’s zweischneidig: Die Menüs und Untermenüs à la Smartphone und Tablet mögen cool sein und logisch und übersichtlich. Dass das Tippen und Scrollen durch Menüs mit klein beschrifteten Zeilen sowie das Auswählen und Betätigen virtueller Schieber ablenken, zeigt der Unfall des Tesla-Piloten, der einfach nur die Geschwindigkeit des Scheibenwischers verstellen wollte und im Graben landete (siehe Seite 35). Deshalb verliert der Tesla hier einige Punkte auf die Konkurrenz.

Tesla Model 3 Foto: Achim Hartmann
Tesla Model 3 Reichweite Plus

Davon abgesehen: Der Model 3 fährt begeisternd. Wie er losprescht, wie lässig er die 200er-Marke durchbricht und wie gierig er der Lenkung durch Kurven folgt, ohne Wanken, Zicken und Zucken: Das ist so große Oper, dass die poltrige Federung und das Knistern auf schlechten Strecken die Freude darüber nur wenig trüben.

Zu den Schwächen: wenig Innenhöhe hinten, ein Panoramadach ohne Jalousie und der durch die kleine Klappe nur schlecht zugängliche Kofferraum. Umständlich auch das Startprozedere: Der Scheckkartenschlüssel öffnet nur an der Fahrertür, und zum Starten muss man sich im Auto noch einmal identifizieren. Verarbeitung und Materialien sind bis auf das vegane Leder zudem recht mäßig. Damit wären die drei großen Defizite des Tesla benannt: Federungskomfort, Bedienung, Verarbeitung. Hochwertig fühlt sich anders an.

Rund ums elektrische Fahren ist aber niemand besser: Nicht nur, dass der 239 kW starke Model 3 mit 18,4 kWh Testverbrauch erstaunlich sparsam ist. Nein, das Supercharger-Netz mindert die Reichweitenangst ebenso wie die ausgefuchste Navigation: Der Zieleingabe folgt eine Liste der empfohlenen Ladepunkte entlang der Route inklusive der Info, mit wie viel Akkureserve man dort ankommt und wie schnell man maximal fahren sollte, um nicht in Not zu geraten.

VW: gute Besserung

Auch im ID.3 kann man Überraschungen erleben. Etwa, wenn dem Kollegen das Navi weismacht, die Fahrtzeit bis zur Ladesäule betrage noch zehn Minuten, er aber bereits davorsteht. Erst nach dem zehnten Tippen reagierende Direktwahltasten für die Fahrmodus­auswahl oder die Assistenten (beeindruckend viele!) nähren wie diese zeitweilige Orientierungslosigkeit den Verdacht, dass Rechnerkapazität und Elektronik des ID.3 extrem auf Kante genäht sind. Aber: 2021 soll ein großes Update diese auch beim Golf 8 auftretenden Probleme beheben. Dann soll auch das VW-Navi Ladestopps in der Routenplanung berücksichtigen oder das Head-up-Display Augmented-­Reality-Inhalte anzeigen.

Das, die kostengetriebene Materialauswahl und weggesparte Standards wie Gurthöhenverstellung vorn oder Luftausströmer und Sidebags hinten passen nicht zum über Jahrzehnte aufgebauten Image vom VW als Ingenieurauto. Immerhin: Ungenaue Passungen im Karosseriebereich gibt es bei diesem Testwagen kaum noch, die Lenksäule ist besser verkleidet, und die an stonewashed Jeans erinnernden Sitzbezüge spannen sich fester über die Sitzpolster als bei Autos der ersten Charge. Offenbar schwankt die Qualität in dieser frühen Phase des Produktionsanlaufs noch erheblich. Für Frühbesteller kann das allerdings kein Trost sein, wenn ihr ID.3 so enttäuschend montiert ist wie der erste Testwagen.

Davon abgesehen gibt sich der ID.3 als fahrdynamisch sehr erfreuliches Auto. Seine sensible Lenkung und die fein dosierte, nicht übertriebene Kurvenwilligkeit gefallen ebenso wie der 150-kW-Motor, der bis zur abgeregelten Spitze von 160 km/h kräftig beschleunigt. Blöd nur, dass die starke Rekuperationsstufe umständlich am billigen Drehregler rechts hinterm Lenkrad gewählt werden muss. Das können die Konkurrenten mit den griffgünstigen Schaltern hinterm Lenkrad besser. Außerdem verbraucht er im Test mit 21,6 kWh unangemessen viel.

VW ID.3 Foto: Achim Hartmann
VW ID.3 Pro Performance

Unter Komfortaspekten sind die harmonische Federung, die gute Schalldämmung auch in den Radhäusern und die bequemen Sitze zu loben, die im Top-Modell Max der 1st Edition sogar mit elektrischer Verstellung und Massagefunktion aufwarten. Das Hauptdisplay hinterm Lenkrad mag billig wirken und nachlässig programmiert (warum zum Beispiel bleibt die ACC-Anzeige als graue Fläche bestehen, wenn der Abstandstempomat gar nicht aktiv ist?). Doch dafür ist das serienmäßige Head-up-Display eines von der guten Sorte – wie der ID.3 im Kern auch.

Am Ende sammelt der VW aber mit seinem hohen Sicherheitsniveau, den vielen Assistenten, dem tollen Licht und seinem Fahrkomfort fleißig so viele Punkte, dass es doch noch zum verdienten Sieg des Nachzüglers reicht.

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