Verkehrsfunk So kommt der Stau ins Radio

Stau 2021 Foto: Adobe Savvapanf Photo

Wie schaffen es eigentlich die Verkehrsmeldungen in den Rundfunk? Wir haben die Verkehrsredaktion von SWR 1 Baden-Württemberg in Stuttgart besucht.

"Achtung, ein Falschfahrer auf der A 8 zwischen ­Esslingen und Stuttgart-Flughafen/Messe!" Radiomeldungen wie diese lassen jeden zusammenzucken, der sich auf der genannten Strecke befindet. Auch am Moderationspult von Birgit Wächter, Leiterin der Verkehrsredaktion von SWR 1, schaltet die Ampel auf Rot: Mikrofon an. Die Information muss sofort zu den Hörern. "Bei Falschfahrern unterbrechen wir das laufende Programm – egal, ob gerade ein Musikstück läuft oder die Nachrichten gesprochen werden", erklärt Wächter. Dies gilt auch bei Steinewerfern und Kindern auf der Fahrbahn.

Solche Meldungen lassen nicht nur die Ampel neben dem Moderationspult auf Rot springen, sondern erscheinen auch in Rot auf dem Bildschirm. Weniger dring­liche Meldungen wie etwa Gegenstände auf der Fahrbahn erscheinen in Gelb und können warten, bis das gerade noch spielende Musikstück zu Ende ist. Halbstündlich sind die regulären Verkehrsmeldungen zu hören: welche Staus es gerade gibt, wo der Verkehr stockt und welche Straßen gesperrt sind.

Janet Pollok, Moderatorin SWR1 BW Der Nachmittag Foto: Ralf Lanzinger
Janet Pollok, beim Besuch im Stuttgarter Funkhaus.

Janet Pollok, beim Besuch im Stuttgarter Funkhaus die Moderatorin von "SWR 1 – der Nachmittag", übergibt für die Verkehrs­meldungen die Moderation an Birgit Wächter. "Die Verkehrsmeldungen dürfen maximal zweieinhalb Minuten dauern", erzählt Wächter. Das ist die Vorgabe des Senders, weil sonst das Verhältnis von Wort und Musik nicht mehr ausgewogen wäre. Fallen mehr Meldungen an, sortiert Wächter kleinere Verkehrsbehinderungen aus. Dann heißt es: "Ab jetzt nur noch alle Staus über fünf Kilometer."

Doch wie kommen die Verkehrsnachrichten ins Radio? "Unsere Basisquellen sind Polizei und Feuerwehr", erklärt Wächter. Polizisten und Feuerwehrleute senden ihre Informationen an die Landesmeldestellen der Polizei. Diese beliefern die jeweiligen ­Radiostationen, darunter auch die zentrale Verkehrsredaktion des Südwestrundfunks (SWR) in Baden-Baden.

Kameras entlang der wichtigen Strecken im Land

Der SWR-1-Verkehrsfunk arbeitet zudem mit Kameras entlang wichtiger Strecken. Auf die Bilder kann der jeweilige Verkehrsredakteur über das Traffic Information Center (TIC) zugreifen. Auch Navigationssysteme etwa von Tomtom liefern der Redaktion wichtige Informationen. Vor allem bei schweren Unfällen recherchiert die Verkehrsredaktion bei den jeweiligen Autobahnpolizeidienststellen sowie über Google Maps und Tomtom, um über die Größe der Behinderung zu informieren.

Auch Lkw-Fahrer melden bisweilen Staus und Behinderungen, erzählt SWR-1-Moderator Matthias Sziedat. Informationen über Geisterfahrer kommen jedoch so gut wie immer von der Polizei. Sziedat ist es auch schon passiert, dass er zunächst einen Geisterfahrer vermelden musste und wenig später den Folgeunfall. "Solche Situationen lassen den Moderator im Sendestudio nicht kalt", erklärt der Radiojournalist. Allerdings: "Bei den Verkehrsmeldungen halten wir die eigene Emotionalität zurück, denn da geht die Information vor."

Birgit Wächter SWR 1 Baden-Württemberg, Verkehrsredaktion Foto: SWR1 Baden-Württemberg
Birgit Wächter hat in der Redaktion vier Bildschirme vor sich

Wächter hat in der Redaktion vier Bildschirme vor sich. Auf zwei Bildschirmen zeigt TIC das Aktuellste der Landesmeldestelle und eine Karte von Google Maps. Auf einem weiteren ist das laufende Programm samt Musiktiteln zu sehen. Der vierte Monitor dient unter anderem zum Schreiben der nächsten Moderation. Denn erst einmal sind die Meldungen noch nicht radiogerecht. Und auch Dialoge für die Überleitung der Moderationen wollen vorbereitet sein.Im Sender arbeitet ein Team von mehreren Redakteuren im Schichtdienst. Wenn es am Wochenende oder nachts ruhiger auf den Straßen ist, übernimmt die zentrale Verkehrsredaktion in Baden-Baden den Verkehrs­service für alle SWR-Radiosender. Dann tragen die Moderatoren der jeweiligen Sendung Verkehrsmeldungen selbst vor.

Braucht es in Zeiten von Realtime-Traffic und Google Maps überhaupt noch einen Verkehrsfunk? "Wir senden in Echtzeit«, erklärt Birgit Wächter. "Navi-Infos muss der Lkw-­Fahrer ablesen, bei den Verkehrsmeldungen bleiben die Augen auf der Straße."

Ganz ähnlich sieht das auch der Baye­rische Rundfunk (BR). Das bloße Wissen um einen Stau nutze nichts, wenn man etwa die Ursache nicht kenne und daher nicht wisse, wie lange die Wartezeit sein wird. Lange Erklärtexte während der Fahrt zu lesen, sei zu gefährlich, da helfe nur das gesprochene Wort. "Zudem gehen unsere Verkehrsmeldungen auf regionale Gegebenheiten ein. Dieses Servicepaket kann kein digitaler Dienst ersetzen", betont der BR. Täglich gehen dort über die Verkehrsmeldestelle der Polizei über 1.500 Meldungen ein, davon im Schnitt zwei Geisterfahrermeldungen. "Von der eingehenden Meldung bis zur gesendeten Falschfahrerwarnung vergehen keine 30 Sekunden", erklärt der Sender.

Wie steht es um die Interaktion mit den Hörern? Hinweise von Hörern nimmt der BR gern entgegen. "De facto sind die Hinweise aber selten geworden", teilt der Sender mit. Ganz anders stellt sich diese Situation bei Hit Radio FFH im hessischen Bad Vilbel dar. Zwar arbeite auch Hit Radio FFH eng mit der Polizei zusammen und nutze Verkehrskameras, sagt Nils Grunwald von der Verkehrszentrale des Senders. Allerdings sind bei Hit Radio FFH noch viele Lkw- und Transporterfahrer als Staupiloten registriert und geben täglich Hinweise von den Straßen. So kommen die besten Meldungen eben manchmal doch aus dem Radio.