Versicherung Typklasse entscheidet über Prämie

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Versicherungen kalkulieren ihre Prämien entsprechend den Typklassen, in die das Modell
eingestuft wird. Wir zeigen, welche Parameter dabei eine Rolle spielen.

Fiat – Fehler in allen Teilen? Darüber wird zwar immer noch gewitzelt, doch das stimmt nicht. Der Hersteller bekommt für einige Modelle von den Versicherungen beste Noten. So finden sich Varianten des Cinquecento sowie des Punto in der niedrigsten Typklasse 10. »Dazu muss man wissen, dass die Versicherungsprämien mit der Typklasse steigen«, sagt Ivana Höltring. Die Mathematikerin leitet die Beratung Nafi, die sich auf den Vergleich von Versicherungsta­rifen spezialisiert hat.

Diese wurden in den 1970er-Jahren vom Gesamtverband der Versicherungen (GDV) eingeführt. Sie sollen den Versicherungen helfen, Risiken einzuschätzen und Prämien zu kalkulieren. Gleichzeitig sollen sie die Reparaturfreundlichkeit der Fahrzeuge verbessern.

Experten kontrollieren 30.000 Modelle

Seither kontrolliert die Kommission zur Typklassifizierung – das sind neun Aktuare, Versicherungsmathematiker, Technikspezialisten, Wirtschaftsprüfer und Verkehrsforscher – regelmäßig die Unfallzahlen und Kostentabellen der letzten drei Jahre. Im Sommer ordnen die Mitglieder während eines mehrtägigen, nicht öffentlichen Zahlenmarathons rund 30.000 Modellen den 15 Typklassen für Haftpflicht und 19 Klassen für Kaskoverträge zu. »Typklassen beschreiben die Schadenshäufigkeit und -höhe eines Fahrzeugtyps«, erklärt Niklas Wilke, Partner der Wirtschaftsprüfung Pricewaterhouse Cooper und Vorsitzender der Kommission.

Kalkulation bleibt Geheimnis der Versicherungen

Es geht darum, die Schadenswahrscheinlichkeit adäquat zu tarifieren. Das Risiko wird abgeleitet aus Marktdaten und Statistiken.« Wie stark die Typklassen schließlich die Tarife bestimmen, die immer im Oktober bekannt gegeben werden, bleibt offen. »Die Kalkulation der Prämie ist unser Geheimnis«, lässt die HUK-Versicherung wissen.

 Typklassen bilden laufende Kosten ab

In erster Linie sind die Ergebnisse von Crahtests maßgeblich. Auch die Unfallzahlen fließen in die Klassifizierung mit ein, dazu Preise von Ersatzteilen. Die Statistiker ermitteln aus dieser Zahlenme­lange Durchschnittshöhen für Schadensfälle und leiten davon ab, welche Modelle teurer oder billiger instand zu setzen sind.

Die Typklassen sind ein Abbild der laufenden Kosten eines Modells«, sagt Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer des Allianz Zentrums für Technik und Mitglied der Kommission. »Sie werden zunehmend wichtig, weil der An-teil für Versicherungen die Kosten für den Unterhalt eines Autos erhöht.« Nach einer Rechnung der Allianz entfallen
bei einer Jahresleistung von 15.000 Kilometern mehr als 40 Prozent der Unterhaltskosten auf Versicherungen. Für Kraftstoffe geben Fahrer sechs Prozent weniger aus.

Fahrer und Unternehmen finanzieren zunehmend ihre Autos oder leasen sie in Rundum-sorglos-Paketen inklusive Versicherung. Flottenmanager achten daher auf die »Total Cost of Ownership«, die Gesamtkosten eines Fahrzeugs.

Die Typklasse bietet dabei Orientierung. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Unterhalt von Modellen vergleichen: Je niedriger die Klasse, desto günstiger kommen Reparaturen und Prämien.

Durch die höheren Ersatzteilpreise werden Sportwagen und hochpreisige Autos in der Regel höher eingestuft als Kleinwagen, stellt Lauterwasser fest. »Fahrzeuge mit hohen Laufleistungen werden häufiger in Unfälle verwickelt und fahren ebenfalls in höheren Klassen.« Deshalb können selbst innerhalb einer Fahrzeugkategorie die Typklassen im Bereich Haftpflicht variieren. Jede höhere Klasse verteuert die Versicherung: »Im Bereich der Typklassen 14 bis 20 um etwa zehn Prozent pro Klasse«, liest Nafi-Beraterin ­Höltring aus ihren Listen.

Die jährliche Neueinstufung wird nicht von jedem Fahrer als gerecht bewertet. Etwa jedes zweite Fahrzeug wird umgestuft, berichten Wilke und Lauterwasser. In der Regel geht es lediglich eine ­Klasse nach oben oder nach unten.

Die Statistik lügt nicht

Doch ein paar Modelle springen auch um drei und mehr Klassen: Weil vielleicht die erste Einstufung als Neuwagen auf zu wenigen oder zu optimistischen Zahlen basierte, weil Ersatzteilpreise stiegen oder weil mehr Schadensfälle mit diesem Modell angemeldet wurden. »Diese Fälle schauen wir uns genauer an«, sagt Wilke.

Die Statistik ist das Maß aller Dinge bei der Typklassifizierung und sie lügt nie. In Zweifelsfällen ordnet die Kommission für ein Modell weitere Crashtests an oder stellt Hersteller und Versicherungen zu Reparaturkosten zur Rede.

Fest steht: Wird ein Fahrzeug drei oder vier Typklassen höher eingestuft als seine Konkurrenz, wirkt sich das negativ auf den Absatz aus. Kein Wunder also, wenn alle Hersteller schon in der Entwicklungsphase auf Reparierfähigkeit und Ersatzteilpreise achten.

Hier hat sich viel getan: Wer Ende 1970 mit seinem Audi 80 auf eine Mauer fuhr, musste laut Allianz Zentrum umgerechnet rund 6.200 Euro für einen Stoßfänger samt Reparatur berappen. Im Jahr vor der Euro-Einführung, 2001, schlug der­selbe Schaden umgerechnet mit 4.100 Euro zu Buche und heute ist er mit etwa 3.900 Euro zu beheben.

Es ging einst darum, reparaturfreundliche Autos zu fördern. Das ist offenbar gelungen, resümiert Wilke. Die Schadensbilder haben sich seiner Ansicht nach in den letzten Jahren enorm verändert.

Andere Länder, andere Tarife

Die Typklassen der Versicherungen sind ein typisch deutsches Produkt. In USA und Spanien kalkulieren Versicherungen die Risiken individuell und für jeden Kunden neu, Reparaturkosten spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Ähnlich in Japan: Hier kommt die Haftpflicht für Personenschäden auf, zusätzlich können Fahrer eine Police abschließen, die Sachschäden ausgleicht. Auch hier werden Tarife individuell kalkuliert. Importmarken, die in Deutschland einen hohen Marktanteil erreichen wollen, richten Ihre Design- und Modellpolitik inzwischen nach den Typklassen aus – und bessern bei Bedarf nach.

Zahlen und Fakten

Rekordverdächtig

  • pro Tag werden rund 3.000 Schadensfälle mit Kraftfahrzeugen an die Versicherungen gemeldet.
  • Die meisten Unfälle sind Auffahr- oder Parkunfälle. Folge: Die Stoßdämpfer sind das meistgewechselte Ersatzteil.
  • Bei 80 Prozent der Unfälle liegt der Schaden unter 4.000 Euro.
  • Ab 15 km/h steigt bei einem Auffahrunfall die Gefahr, dass auch die Karosserie beeinträchtigt wird.
  • Je höher das Tempo, umso höher die Kosten: Sie liegen bei Tempo 15 im Schnitt bei 1.500 Euro und verdreifachen sich bei Tempo 20.

Das zählt bei der Einstufung

Die erste Einstufung neuer Fahrzeuge basiert auf Crashtests. Mehr als 90 Prozent der Schadensfälle resultieren aus Auffahrunfällen mit niedrigen Geschwindigkeiten und Parkpatzern. Daher werden neue Modelle einem Struktur- sowie Bumpertest unterzogen: Dafür wird das Auto mit Tempo 15 auf eine leicht schräge Wand gelenkt, im gleichen Tempo fährt ein Schlitten aufs Heck. Um die Leistung der Stoßfänger – das Teil, das am häufigsten ausgetauscht wird –  zu prüfen, wurde der Bumper- oder Reparaturtest eingeführt: Ebenfalls mit Tempo 15 kollidiert das Auto vorne und hinten mit einem 75 cm hohen Hindernis. Die Kosten für Arbeitszeit und Ersatzteile fließen in die Typklassen ein. Die Schadenshäufigkeit ermitteln die Experten anhand von Unfallstatistiken von Vorgängermodellen und Wettbewerbern.