Vertrieb neuer Automarken Zwei Pfund Kaffee und einen Tesla, bitte!

Kaffee Foto: ETM 10 Bilder

Immer mehr neue Automarken drängen auf den Markt, viele davon aus China. Einige überraschen mit neuen Vertriebswegen.

Sie heißen Aiways, Finn, Lynk & Co oder Zeekr: Automarken, von denen hierzulande kaum jemand gehört hat, die aber in ihren Heimatmärkten große Nummern sind. Die meisten stammen aus China und fahren elektrisch. Doch nicht nur die Namen sind neu, sondern auch die Art, wie diese Autos vertrieben und gewartet werden. Viele Hersteller gehen weg von ­flächendeckenden eigenen Markenhändlern und -werkstätten. Sie setzen auf Direktvertrieb, Miet- oder Sharing-Angebote und arbeiten teilweise mit externen Partnern im Aftersales-Bereich. Dabei versprechen sie Kunden einfache, flexible und nachhaltige Lösungen. Im Zuge der Digitalisierung und durch die Corona­krise verstärkt sich dieser Trend noch.

Für Fuhrparkmanager eröffnet sich hier einerseits ein großes Feld an Möglichkeiten. Andererseits müssen sie bei Einkauf und Flottenverwaltung um­denken. Wir geben einen Überblick über die Hersteller und die Wege, die sie einschlagen.

Tesla: Vorreiter mit E-Autos

Seit 2014 rollt Tesla den deutschen Automarkt mit E-Autos auf und ist derzeit mit Model 3, Model S und Model X präsent. Weitere wie das Model Y stehen in den Startlöchern. Die Stromer konnten zunächst nur via Internet bestellt werden. Autohäuser im klassischen Sinn betreiben die Amerikaner hierzulande nicht. Mittlerweile läuft der Vertrieb aber auch über 27 Tesla-Shops und 16 Service-Center. Sofern keines davon in der Nähe ist, beauftragt Tesla auf E-Autos spezialisierte Werkstätten.

Bei Firmenkunden kommt die Marke gut an. 2020 etwa wurden 67 Prozent der neuen Model X gewerblich zugelassen. Bei der Elektro-Limousine Model S lag die Quote bei 62 Prozent. Keine Kfz-Steuer, die niedrige Dienstwagensteuer und bei zurückhaltendem Tempo bis zu 500 Kilometer Reichweite sind für viele Fahrer von Geschäftswagen ein Grund, sich für einen Tesla zu entscheiden. Vor allem aber punkten die Amerikaner mit ihren Schnellladern. Das Netz der Tesla-Supercharger-Schnelllader durchzieht ganz Europa. Außendiensttätigkeiten und Langstreckenreisen sind also problemlos möglich.

Tesla Store 2021 Foto: Tesla
Tesla ging als eine der ersten Marken mit Stores direkt in die Innenstädte.

Um das Auto checken zu lassen, müssen Tesla-Fahrer selten extra eine Werkstatt ansteuern. Man setzt auf Ferndiagnose und einen mobilen Service vor Ort. Und falls der Wagen doch auf die Hebebühne muss, wird er auf Wunsch abgeholt und zurückgebracht.

Auch in Sachen Vertrieb ist die Marke immer wieder gut für ausgefallene Ideen. Aktuell bietet Tchibo ein limitiertes Auto-Abo des Model 3. Der Kaffee­röster fungiert als Vermittler für Like2drive. Das All-inclusive-Abonnement soll Kunden ansprechen, denen Flexibilität und Kostenkontrolle besonders wichtig sind. Sie bezahlen eine monatliche Pauschale und abonnieren dafür einen Neuwagen auf Zeit, inklusive Versicherung, Reparatur, Bereifung und Wartung. Die Flatrate mit Festpreis auf Zeit ist auch für Flottenbetreiber eine Möglichkeit, ­auszuprobieren, ob sich eine komplette oder teilweise Umstellung von Verbrennern auf reine Stromer als sinnvoll erweist.

Polestar, Lynk & Co und Zeekr: Marken des chinesischen Geely-Konzerns

Größter und schärfster Tesla-Jäger unter den Importeuren aus Asien ist Geely, der zweitgrößte Auto­konzern in China. Zu ihm gehört neben Polestar, der schwedischen Schwester von Volvo, auch Lynk & Co. Außerdem baut man gerade die exklusive Elektro-Marke Zeekr mit Designzentrum in Göteborg auf. Als 001 soll es der "erste elektrisch angetriebene Shooting Brake der Welt" ab Oktober in China und ab nächstem Jahr im Rest der Welt mit Tesla, Porsche und Co. aufnehmen, kündigt ein Zeekr-Sprecher an. Auch hier läuft der Vertrieb nicht mehr über klassische Händler, sondern über eine Art Werkniederlassung in großen Städten zu Fixpreisen direkt an Endkunden.

Polestar, benannt nach dem ehemaligen Haus­tuner von Volvo, ist als reine Hybrid- und Elektromarke ebenfalls in Göteborg angesiedelt. Dort werden die Modelle zwar entwickelt, gebaut aber werden sie in China. Mit dem Polestar 2 haben die Schweden in der zweiten Jahreshälfte 2020 ihr erstes vollelektrisches Modell "für den Massenmarkt" auf den Markt gebracht. Schon im ersten vollen Geschäftsjahr hoffen die China-Schweden in Deutschland auf einen Absatz im vierstelligen Bereich.

Verkauft werden die Autos ausschließlich online über die eigene Website. Es seien aber auch große Volvo-Händler eingebunden, erklärt Anna Wesolowski, die deutsche Sprecherin der Marke. Sie betreiben Showrooms in großen Städten wie Hamburg, Berlin, Stuttgart, Köln oder München. Weitere sollen folgen.

Polestar 2 im Fahrbericht
Das Beste aus zwei Welten

Polestar ist zudem eine der ersten Marken, die über Partner auch ein Abomodell anbieten. Um den Service kümmern sich rund 100 Volvo-Werkstätten. Auch hier gehören Fahrer von Firmenwagen zur primären Zielgruppe. Rund 40 Prozent aller Polestar, so erwartet das Unternehmen, sollen an gewerbliche Käufer gehen. "Polestar vereint das Beste aus zwei Welten", wirbt Deutschland-Chef Alexander Lutz. "Firmen­kunden profitieren von unserer Schnelligkeit insbesondere bei der Auslieferung. Dank unseres Direktvertriebs stehen sie sofort mit uns als Hersteller im Austausch." Außerdem betont er den hohen Qualitätsanspruch durch die Verbindung zur Muttermarke Volvo. Das gelte auch für den Service. "Ein Polestar als Firmenwagen bedeutet: kleinerer CO2-Fußabdruck und niedrigere Kosten."

Wie Polestar ist auch Lynk & Co seit 2017 als eigenständige Marke unterwegs. Sie entwickelt und entwirft ihre Fahrzeuge ebenfalls in Göteborg auf Volvo-Plattformen. In Europa will Lynk & Co ausschließlich elektrifizierte Autos mit einem progressiven Vertriebsmodell anbieten. Das erste Modell, ein 01 genannter SUV auf Basis des Volvo XC40, ist bereits als Plug-in-Hybrid oder Vollhybrid erhältlich. Und zwar in Form von "flexiblen Mobilitätslösungen für die vernetzte Generation", wie es ein Firmensprecher nennt. Auf Volumenjagd wolle man allerdings vorerst nicht gehen, sondern das Vertriebssystem etablieren.

Lynk & Co 01 Foto: Lynk
Lynk & Co Auto für Sharing-Freunde, die ein Abo abschließen. Kaufen kann man den 01 auch, als PHEV oder Vollhybrid.

Damit hat der Hersteller im Herbst in Europa begonnen. Der Clou: Die Kunden kaufen das Auto nicht, sondern mieten es. Damit will die Marke Lynk & Co for Business gerade Gewerbekunden und Flottenbetreiber ansprechen. Unternehmen melden sich für eine monatliche oder dauerhafte Mitgliedschaft an. Nur wenn ausdrücklich gewollt, können sie die Autos auch kaufen. Für eine dauerhafte Mitgliedschaft arbeitet man mit der Leasinggesellschaft ALD Automotive zusammen.

Wie beim Auto-Abo bekommen die Mitglieder Versicherung, Service, Wartung und Garantie zum Festpreis. Außerdem können sie ihre Autos über eine Carsharing-Plattform anderen Nutzern zur Verfügung stellen. So müssten sich Firmen keine große Flotte auf den Hof stellen, wirbt Sina Jung von der zuständigen Marketingagentur. Ein kleiner Fuhrpark genüge, da die Autos besser genutzt würden.

Anstelle eines Händlernetzes will das Unternehmen in den Metropolen Europas sogenannte Clubs einrichten, die als Kontaktstelle fungieren. Der erste deutsche Club soll Mitte des Jahres in Berlin öffnen. Weitere Kunden will die Marke mithilfe von Städtetouren ansprechen. Viel auszuwählen gibt es beim 01 allerdings nicht. Lange Optionslisten sind Fehlanzeige. Die Modelle sind einheitlich gut ausgestattet und lediglich in Schwarz oder Blau bestellbar. Auch das zählt zur Strategie. Und die Wartung? Ist noch offen. Da hat Lynk & Co bei Volvo-Partnern angefragt.

MG: alter Name, neues Programm

Bei MG denken zumindest ältere Zeitgenossen gleich an schicke Roadster aus England. Doch die sind längst passé. Die Marke war bis 2005 Teil der MG Rover Group und wurde dann nach China verkauft. Heute gehört sie der Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC), dem größten chinesischen Autokonzern und Kooperationspartner von VW und General Motors mit über 160.000 Mitarbeitern. MG Motor Deutschland setzt beim Vertrieb auf lokale "Agenten", von denen es aktuell 25 gibt. Der Kaufvertrag wird direkt mit MG abgeschlossen. "So sind wir als Hersteller näher am Kunden, was gerade in der Anfangsphase für uns sehr wichtig ist", sagt Verkaufsdirektor Philipp Hempel. Bis Ende 2021 erwartet das Unternehmen in Deutschland rund 100 Standorte mit umfänglicher Beratung und Service vor Ort, darunter auch größere Flagship-Stores in Innenstädten.

MG EHS Foto: MG
MG EHS Der 258 PS starke PHEV ist das zweite MG-Modell. Ein Kombi und ein großer SUV mit E-Antrieb sollen folgen.

"Das Angebot von intelligenten, praktischen, sicheren und technologisch fortgeschrittenen Autos ist eines unserer wichtigsten Anliegen«, erklärt CEO Matt Lei die Vision der wiederbelebten Marke. Erklärtes Ziel von MG sei es, Elektromobilität für alle zugänglich zu machen, im privaten Bereich ebenso wie als Dienstwagen oder im kommerziellen Einsatz.

Aiways: Auto aus dem Elektromarkt

Auf reinen Direktvertrieb setzt Aiways. Der chinesische Hersteller von E-Autos startete im August 2020 mit dem U5. Probe fahren und kaufen können Interessenten den kompakten SUV nur in den Filialen von Euronics. Der Elektrohändler kümmert sich auch um die Auslieferung an ausgewählte Standorte. Den Service steuert die Werkstattkette ATU bei. Um die Beschaffung von Ersatzteilen müsse sich der europäische Kunde nicht sorgen, versichert Aiways-Manager Alexander Klose. In Amsterdam entstehe derzeit ein Ersatzteillager, von dem aus benötigte Teile in ein bis drei Tagen die nationalen Servicepartner erreichen sollen.

Maxus: Transporter made in China

Auch chinesische Transporter der Marke Maxus rollen schon auf deutschen Straßen. Verkauft werden sie von Maxomotive Deutschland über 20 Händler. Bis Ende dieses Jahres soll die Zahl der Vertragspartner auf etwa 60 wachsen. Für Inspektionen und Service stehen die Maxus-Vertragspartner zur Verfügung. "Bis wir in Deutschland ein flächendeckendes Händlernetz haben, können wir für unsere Kunden auch geeignete Werkstätten in ihrer Nähe suchen", sagt Markensprecherin Ute Margetts. Die Modellpalette setzt sich derzeit aus drei Transportern in verschiedenen Varianten und Längen zusammen, davon zwei rein elektrisch angetrieben. Ikea und Hertz zählen zu den ersten Kunden. Auf Anfrage liefere man auch individuelle Lösungen für Incentives im Firmen- und Flottenbereich. 2021 will der Importeur 600 Autos in Deutschland auf die Straße bringen.

Seres und BAIC: klassischer Vertrieb

Mit so genauen Zahlen will sich Indimo Automotive in Landstuhl in der Pfalz nicht festlegen. Das Privatunternehmen importiert beispielsweise E-Autos der Marke Seres. "Ein Onlinevertrieb ist nicht angedacht, wir fahren die konventionelle Schiene", sagt Firmensprecher André Marr. Acht Pkw- und Nutzfahrzeug-Modelle finden sich im aktuellen Programm, davon sechs Benziner und zwei E-Autos. Erfahrungen mit chinesischen Marken scheint man zu haben. Schon 2009 importierte Indimo Nutzfahrzeuge von DFSK. Ab 2016 folgten SUV von BAIC und DFSK sowie ein E-Transporter mit 300 Kilometer Reichweite.

Seres 3 Foto: Seres
Seres 3 Der rund 31.000 Euro teure chinesische Elektro-SUV wird über Indimo vertrieben.

Alle Fahrzeuge landen in Bremerhaven und werden in ein Auslieferungslager in Thüringen gebracht, das auch die Versorgung mit Ersatz- und Serviceteilen übernimmt. Von hier gehen sie an die derzeit rund 190 deutschen Vertragshändler mit angeschlossener Meisterwerkstatt. Mithilfe eines geplanten Netzes von 300 Händlern will das Unternehmen sein Deutschlandgeschäft weiter ausbauen und 2021 bereits 2.000 Pkw und 600 Nutzfahrzeuge verkaufen. Lieferzeit: zwei bis vier Wochen. Außerdem ist der Launch eines E-Autos mit 500 km Reichweite geplant, des Seres 5. "Wichtig ist uns, dass unsere Partner neben einem Autohaus auch eine Meisterwerkstatt betreiben. Hier können Reparaturen und ein fachgerechter Service gewährleistet werden", erläutert Marr.

Finn und Leo: Service bei Euromaster

Nicht ganz so weit ist Elaris. Das Unternehmen baut sein Vertriebs- und Werkstattgeschäft gerade erst auf, mit der Werkstattkette Euromaster als Servicepartner. Ab Herbst 2021 soll Euromaster in 50 Filialen das komplette Werkstatt- und Reifenserviceportfolio inklusive Garantieabwicklung sowie die Kaufvermittlung der Elaris-Modelle übernehmen. Das Portfolio ist allerdings noch überschaubar: Momentan gibt es den 2,87 Meter kurzen Elektroflitzer Finn sowie einen Kompakt-SUV namens Leo mit Lieferzeiten von bis zu drei Monaten. Im Laufe des Jahres sollen zwei weitere Modelle hinzukommen. Obwohl das Start-up sich erst noch richtig sortieren muss, plant es für 2021 bereits mit 3.500 Verkäufen. In 2022 will es bereits 18.500 und 2023 sogar 25.000 Autos an den Mann oder die Frau bringen. Was man bei gewerblichen Kunden plant, war nicht herauszufinden.

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Welche der neuen Automarken sich letztendlich bei Flottenbetreibern durchsetzen, wird sich erst im Lauf der Zeit zeigen. Autos online und mit kurzen Lieferzeiten zu vertreiben, ist das eine. Nur wer einen bundesweiten Service bietet, der übers bloße Warten und Reparieren hinausgeht, wird auf lange Sicht bei der anspruchsvollen Klientel gewinnen.