Autonomes Fahren Bei Volvo ab 2017 Realität

Mit dem Pilotprojekt Volvo Drive Me wird autonomes Fahren real. Ab 2017 steuern 100 Autos selbstständig durch Göteborg. Erste Testfahrt mit einem Prototypen.

Es dauert ein, zwei Kurven, bis wir dem Volvo vertrauen. Hinterm Steuer sitzt Mathias Wistland. Er hat soeben den Abstandstempomaten eingeschaltet. Kein normales Assistenzsystem, die Volvo-Techniker haben es etwas feingetunt. Die Knöpfe am Lenkrad sind gleich geblieben. Im Hintergrund wertet allerdings das Hirn des V60 – ein mit Computern vollgepackter Kofferraum – mit Hochdruck die gesammelten Daten aus Frontradar und Kamera aus. Alles, damit der Wagen nicht nur Geschwindigkeit und Abstand zum Vordermann einhält, sondern auch die Fahrbahnlinien im Blick hat und ganz von selbst in der Spur bleibt.

Bei jeder Kurve verkrampfen wir leicht im Beifahrersitz. Rotiert das Steuer auch wirklich von selbst? Der Entwicklungs-Ingenieur von Volvo sitzt derweil völlig entspannt auf dem Fahrersitz. Er gestikuliert mit den Händen, spricht über die viele Arbeit, die in diesem Prototypen steckt und blickt nur selten auf die Straße.

360-Grad-Kamera und Sensoren

"Die größte Herausforderung ist es, ein System aufzubauen, das zu 100 Prozent zuverlässig arbeitet und nicht abstürzen kann", erklärt Wistland. "Die Daten von Kamera und Radar muss der Rechner im Kofferraum blitzschnell verarbeiten. Da darf nichts schief gehen".

Der Volvo-Ingenieur ist den 50 Kilometer langen Autobahnring rund um Göteborg, der ab 2017 für die autonome Fahrt von der Stadt frei gegeben wurde, schon zigmal abgefahren. Er kennt die Stellen, an denen der Volvo noch seine Probleme hat. Beispielsweise, wenn sich die Spur in zwei Richtungen gabelt.

Oder bei Überholmanövern: "Die packt er noch nicht, weil unserem Testwagen die Kameras und Sensoren an den Seiten fehlen. Fahrzeuge im toten Winkel registriert er deshalb noch nicht", erklärt Wistland. Eine 360-Grad-Kamera und weitere Sensoren sind aber schon an einem anderen Prototypen in der Testphase.

Teststrecke ohne Fußgängerverkehr

Ab 2017 wird dann aus dem Hightech-Testwagen ein ganz normaler Volvo, der 100 auserwählte Göteborger zur Arbeit oder zum Shoppen fahren soll. Bis in die Innenstadt geht das aber nicht. Im dichten Stadtverkehr traut sich Volvo noch nicht autonom zu fahren. Bis die Fahrzeuge mit Fußgängern und Radfahrern klar kommen, sei noch ein weiter Weg. Deshalb hat sich Volvo mit der Stadtverwaltung zunächst auf den Autobahnring rund um den Stadtkern geeinigt. Auf der Bundesstraße können die autonomen Volvo durchgehend 70 km/h schnell fahren. Auch der Stadtverwaltung kommt das Testprojekt entgegen. Im Berufsverkehr sind gerade hier oft lange Staus angesagt. Die gleichmäßige Fahrweise soll für Entlastung sorgen.

Damit die Testfahrzeuge so oft wie möglich den Cityring befahren, sucht der Hersteller gezielt Fahrer aus, die in diesem Teil Göteborgs arbeiten oder wohnen. "Wir werden keine Probleme haben, geeignete Kunden für das Drive Me-Projekt zu finden", sagt Entwicklungschef Jonas Ekmark. Schon jetzt, zwei Jahre vor Projektstart, sei die Nachfrage und das Interesse groß.

Die Zeit im Stau produktiv nutzen

Kein Wunder: Statt im morgendlichen Stau frustriert zur Arbeit zu kommen, können die Testfahrer ihre Zeit im Auto anderweitig nutzen und beispielsweise am Laptop arbeiten oder mit dem Smartphone chatten. In der Praxis soll der Fahrer künftig entscheiden, ob er die gewünschte Route über den Cityring autonom fahren möchte und währenddessen arbeitet oder eventuell einen schnelleren Weg wählt, bei dem er dann allerdings selbst das Steuer übernehmen muss.

Der Wagen erkennt, dass er den Autobahnring erreicht hat und der Fahrer kann die Verantwortung an den Autopiloten übergeben. "Wenn das Pilotprojekt in zwei Jahren startet, kann der Volvo auf der Strecke komplett autonom fahren", erklärt Wistland. Das Fahrzeug wechselt eigenständig die Spur und fädelt korrekt in den fließenden Verkehr ein.

"Dafür erweitern wir die Modelle neben der 360-Grad-Kamera um ein eigenes Kartenmaterial, das weit über die Daten herkömmlicher Navi-Karten hinausgeht", sagt Ekmark. Mit Lasertechnik und genauesten GPS-Daten wurde jede Häuserwand entlang der Straße, jede Leitplanke und alle anderen Orientierungspunkte festgehalten. Bleibt zu hoffen, dass sich bis 2017 nicht allzu viel am Streckenrand ändert. Denn, sobald die ersten autonom fahrenden Autos an die Kunden gehen, muss alles klappen. Denn Volvo haftet als Hersteller für etwaige Schäden.